Theologe, Religionslehrer, Musiker, Texter und Komponist Wilfried Röhrig bringt das leben von Franz Reinisch auf die Bühne.
Der Ort der Pressekonferenz hätte beziehungsreicher nicht sein können. Am 15. April 1942 erschien der Pallottinerpater Franz Reinisch in der Bad Kissinger Manteuffel-Kaserne (den späteren Daley Barracks), um dem Stellungsbefehl der Wehrmacht nachzukommen. Er war mit Absicht einen Tag später als befohlen gekommen, und nicht, um Soldat zu werden, sondern um als einziger katholischer Priester vor und nach ihm den Fahneneid auf die Wehrmacht und den Eid auf Adolf Hitler zu verweigern. Die Konsequenz war ihm bewusst: Am 7. Juli 1942 wurde er vom Berliner Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Am 21. August wurde er in der JVA Brandenburg hingerichtet.
Jetzt hatte der Pressedienst des Ordinariats Würzburg zum Gespräch geladen: Vorgestellt wurde ein neues musikalisches Bühnenwerk: "Gefährlich. Franz Reinisch. Musical über einen Aufrechten". Es fand statt in der ehemaligen Kommandantur der Kaserne, dem Gebäude, das heute den harmlosen Namen "Rhön-Saale-Gründerzentrum" trägt. Und die Vermutung liegt nahe, dass Franz Reinisch genau in diesem Haus den entscheidendsten Schritt in seinem Leben getan hat.
Musicals über Märtyrer sind nicht gerade üblich. Wie ist der Viernheimer Theologe, Religionslehrer, Musiker, Texter und Komponist Wilfried Röhrig gerade auf diesen Stoff gekommen? Nicht von alleine. Der Fuchsstädter Franz Josef Tremer hat ihn darauf gebracht: "Er hat mich mehrfach angerufen, E-Mails geschickt und immer wieder betont, ich müsse unbedingt ein Musical über Franz Reinisch schreiben. Er hat mir einfach keine Ruhe gelassen, bis ich irgendwann gesagt habe: Okay, ich werde mal reinschnuppern, ein paar Bücher und Artikel lesen."
Eines war für Röhrig klar: "Ich mache die Sache nur, wenn ich selbst davon überzeugt bin. Es muss mich innerlich packen, sonst geht es nicht. Und je mehr ich gelesen, je mehr ich mich vertieft habe, umso mehr hat es mich gepackt, genauer gesagt: Er, Franz Reinisch, hat mich gepackt."
Tragfähig wird der Stoff, weil Röhrig in Franz Reinisch keinen geborenen Heiligen sieht: "Das war ein Mensch mit Größen und Grenzen. Er war kein Überflieger, sondern hatte auch Schattenseiten." Der Jurastudent in Innsbruck habe es durchaus krachen lassen, sei ein beliebter Entertainer und mitunter auch Barpianist gewesen, bevor er die Berufung zum Priester entdeckt habe.
Aber der Stoff sei auch tragfähig, weil er in der weltpolitischen Lage höchst aktuell sei, weil er die Frage stelle: "Welche Rolle spielen wir als Christen in der heutigen Welt?". Geschrieben ist das Musical vor allem für junge Leute, die in der Person von Franz Reinisch erkennen können, was Zivilcourage damals bedeutete und wie wichtig sie auch heute ist. Deshalb sei die Sprache auch gut verständlich. Und deshalb sei die Musik auch nicht klassisch gepflegt - und damit jugendfern - sondern Rock und Pop: "Das ist auch die Musik, die ich mag." Aber man lasse sich nicht täuschen: "Leichte Kost wird das deshalb nicht."
Bestätigung bekommt er von Mathias Gall, der in der Aufführung den Titelhelden singen wird: "Die Musik transportiert den Lebensweg des Franz Reinisch." In Songs wie "Dem Leben entgegen" oder "Draufgänger" erklingt sie noch in Westernhagenschem Trotz und Aufmüpfigkeit und wandelt sich zu ergreifender Feinfühligkeit in "Und die Angst" oder "Die Wunde". 23 Lieder sind es insgesamt. Gall ist, wie er sagt, vor allem und zuerst über die Musik in die Produktion gekommen. Erst mit Probenarbeit und Vertiefung des Stoffes sei ihm die historische und moralische Dimension klar geworden. Es habe ihn überrascht, wie aus einem Draufgänger ein derart konsequenter Priester werden konnte.
Eigentlich sollte die Uraufführung des Musicals in der Kirche von Schönstatt bei Vallendar, einem der Zentren der gleichnamigen Bewegung stattfinden, für die Franz Reinisch mehrere Jahre bis zu seiner Verhaftung tätig war. Das hat nicht geklappt, aber dafür in Bad Kissingen, dem Ort der unumkehrbaren Entscheidung für den Widerstand. So wird die 40 Mann starke Truppe am Samstag, 14. April, um 19 Uhr im Kurtheater zu erleben sein. Röhrig ist darüber alles andere als unglücklich, dass so das Musical den Weg hinaus aus den kirchlichen Mauern in die weltliche Umgebung findet.
Das begrüßt auch Oberbürgermeister Kay Blankenburg (SPD): "Mich hat eigentlich erst Christian Zoll in seiner zweiten Amtszeit auf den Mann aufmerksam gemacht", sagt er, und: "Das kann einen Menschen zerreißen. Und ich weiß nicht, wie ich handeln würde." Die Deutschen könnten dankbar sein, dass ihnen derartige Entscheidungen in den letzten 73 Jahren erspart geblieben sind.
"Es ist wichtig, der Jugend diese Zivilcourage zu zeigen und ihr bewusst zu machen, dass Menschen so handeln können", ergänzt die stellvertretende Landrätin Monika Horcher (Grüne).
Der Schondraer Pfarrer Armin Haas als örtlicher Vertreter der Schönstatt-Bewegung sieht sich durch das Musical in seiner Arbeit unterstützt: "Das Andenken an Pater Franz Reinisch wach zu halten und sein Zeugnis bekannt zu machen ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit mit der Schönstattbewegung in der Region Bad Kissingen. Wir sind sehr glücklich, unserem geistlichen Vorbild eine solche Öffentlichkeit bieten zu können."
"Noch vor kurzem sagte mir der Name gar nichts", bekannte Stadtpfarrer Gerd Greier. Seit er sich mit ihm beschäftige, werde Pater Reinisch "immer mehr zu einem Vorbild für mich heute, um klare Positionen zu beziehen und meinem Gewissen und meinen Überzeugungen aus dem christlichen Glauben treu zu sein und standhaft dafür einzutreten, auch wenn es Konsequenzen mit sich bringt, die weh tun und auch lebensgefährlich sein können."