Ausgerechnet das Jobcenter treibt eine Mutter in die Verzweiflung. Sie war zu ehrlich.
"Gestern war ich wirklich am Ende", sagt sie. "Ich bin bei der Frau Morath gesessen und habe nur noch geheult." Die Caritas-Sozialberaterin konnte ihr kurzfristig helfen mit Lebensmittelgutscheinen und ein bisschen Bargeld. Aber für das augenblickliche Hauptproblem der Frau konnte sie keine schnelle Lösung anbieten. Da wird es erst noch Auseinandersetzungen geben müssen mit Stellen, die eigentlich eingerichtet wurden, um Menschen zu helfen.
"Ich weiß manchmal wirklich nicht mehr, was ich machen soll, weil mir die Schulden über den Kopf wachsen", sagt sie. Vor allem zum Jahreswechsel, wenn die ganzen Nachzahlungen kommen, ist die Situation ganz schlimm. Vor drei Jahren ist sie mit ihrer Familie von Münnerstadt in eine der Lauertalgemeinden gezogen, um ein paar Euro Miete zu sparen.
"Wenn wir bedacht hätten, dass sich dadurch der Transportaufwand erhöht hat, wären wir vielleicht doch geblieben." Jetzt sitzt sie am Dorfrand und schaut über die wiesen. Aber genießen kann sie die Aussicht nicht. Denn sie öffnet keine Perspektiven.
Ihr Mann, gelernter Maurer, wurde gekündigt, als sein Betrieb auf Leiharbeiter umstellte. Seitdem ist er arbeitslos. Und nach Bandscheibenvorfällen darf er nichts mehr heben. Jetzt soll die Frühverrentung betrieben werden. Für einen 49-Jährigen ziemlich hart: "Das hat er noch nicht verkraftet. Da gehen bei uns beiden manchmal die Nerven durch."
Die Kinder bekommen viel mit Darunter leiden natürlich auch die Kinder, die überhaupt Probleme mit der Situation haben. Die Älteste ist schon aus dem Haus, kann aber die Familie nicht unterstützen.
Der Älteste ist gerade 18 geworden und macht gerade, was finanziell eigentlich überhaupt nicht drin gewesen wäre, den Führerschein, den er auch für seine Ausbildung braucht. Das Problem: "Die Fahrschule will die 720 Euro Kursgebühr bis Mitte Januar auf einmal haben, sonst melden sie ihn nicht zur Fahrprüfung an. Ich hatte immer wieder um zwei, drei Raten gebeten. Aber darauf haben sie sich nicht eingelassen."
Der andere Schlag - und da versteht die Frau die Welt überhaupt nicht mehr - kam ausgerechnet vom Jobcenter, von dem die Familie Hartz IV bezieht. Vom Jugendamt hat sie in den vergangenen Monaten für die beiden Jüngsten das volle Pflegegeld bekommen. Dann war zum 1.
Dezember von der zuständigen Stelle das Kindergeld genehmigt worden.
Sofort wieder abgezogen Darüber war die Frau so glücklich - oder unvorsichtig, dass sie umgehend das Jobcenter informierte. Und dass tat postwendend das, was es nach dem Gesetz tun kann, aber in dieser Rigorosität nicht tun muss: Es kürzte die Hartz-IV-Leistungen um den Kindergeldbetrag, obwohl bekannt war, dass die erste Auszahlung erst im Januar erfolgen würde. Vergeblich bat die Frau, die Kürzung auf den Januar zu verschieben. Und auch eine Intervention der Sozialberatung mit dem Vorschlag, das zu viel gezahlte Geld in Raten direkt mit der Kindergeldstelle zu verrechnen, nützte nichts. "Ich verstehe das nicht", sagt sie. "Wir laufen dem Jobcenter doch nicht davon. Jetzt sind wir im Dezember von 960 Euro auf 480 Euro runtergefallen." Und das bei monatlichen Fixkosten von weit über 600 Euro.
Da ist noch nichts zu essen und keine einziges Kleidungsstück gekauft.
"Wir haben schon Mietrückstände, und bald kommt die Stromabrechnung. Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll. Ich kann doch auch nicht zur Bank gehen und mein Konto überziehen, weil ich schon mal ein Insolvenzverfahren hatte", erzählt sie. Und es würde auch, sagt sie, nichts nützen, sondern das Problem nur verlagern.
Zwischen den Fronten So hängt sie zwischen den Fronten und reibt sich dabei auf: auf der einen Seite die Gläubiger, die zum Teil nicht das geringste Verständnis für die Situation haben und ihr mit ihren Forderungen zusetzen.
Auf der anderen Seite die Kinder, die sie nicht mehr als nötig unter der Situation leiden lassen will: "Die Kleinen merken es noch nicht so, aber mit den beiden Großen habe ich in letzter Zeit oft Streit gehabt." Die wollen natürlich mit ihren Altersgenossen mithalten, nicht abseits stehen.. sie weiß, wie schnell Ausgrenzungh entstehen und wie sie wirken kann.
"Ich stehe halt immer hinten dran", stellt sie fest. Erst kommen die vier - in jüngster Zeit nur noch drei - Kinder, dann kommt lange nichts, dann ihr Mann. "Ich habe mir schon lange keine Klamotten mehr gekauft. Arzttermine habe ich immer wieder aufgeschoben, weil ich nicht das Geld für die Praxisgebühr habe. Und eine Brille, die ich dringend bräuchte, kann ich mir schon gar nicht leisten."
Sie erzählt das alles sehr nüchtern. "Ich bin Armut gewöhnt. Ich bin mit zehn Kindern in einer armen Familie aufgewachsen." Sie möchte halt nur ihren Kindern möglichst viele schlechte Erfahrungen ersparen.