Oerlenbach feiert deutsch-französische Freundschaft

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Es ist nicht alles Käse, was aus Douvres-la-Délivrande kommt, aber der hat es in sich: Verena Bohl ist jetzt seit zehn Jahren offiziell die Vorsitzende des Oerlenbacher Partnerschaftskomitees. Nach den Feiern zu diesem Jubiläum würde sie sich eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wünschen. Foto: Thomas Ahnert
Es ist nicht alles Käse, was aus Douvres-la-Délivrande kommt, aber der hat es in sich: Verena Bohl ist jetzt seit zehn Jahren offiziell die Vorsitzende des Oerlenbacher Partnerschaftskomitees. Nach den Feiern zu diesem Jubiläum würde sie sich eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wünschen. Foto: Thomas Ahnert
Kathedrale in Douvres-la-Délivrande Foto: Paul Ziegler
Kathedrale in Douvres-la-Délivrande Foto: Paul Ziegler
 
Das Rathaus in Douvres-la-Délivrande Foto: Paul Ziegler
Das Rathaus in Douvres-la-Délivrande Foto: Paul Ziegler
 

Vor zehn Jahren wurden Oerlenbach und Douvres-la- Délivrande Partnergemeinden. Heute ist diese Beziehung für viele eine Selbstverständlichkeit- auch über sprachliche Barrieren und historische Belastungen hinweg.

Am Himmelfahrtswochenende 2013 wird in Oerlenbach groß gefeiert. Denn dann besteht die Partnerschaft mit der französischen Gemeinde Douvres-la-Délivrande seit zehn Jahren. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Wir sprachen mit Verena Bohl, der Vorsitzenden des Oerlenacher Partnerschaftskomitees über diese deutsch-französische Beziehung.

Wie ging es damals los, wer ist auf die Idee gekommen, ausgerechnet mit diesem gallischen Dorf in der Normandie eine Partnerschaft aufzubauen?
Verena Bohl: Der Bezirk Unterfranken ist mit dem Département Calvados verschwistert. Der hat eine kleine Vorauswahl getroffen, und dann konnte man sich zwei Jahre lang beschnuppern. Das Ganze fing dann also schon vor 12 Jahren an. Da haben wir mit einer Abordnung vom Gemeinderat und dem Bürgermeister einen Kleinbus gemietet und sind rübergefahren.
Und auf Anhieb waren sich die Leute auf beiden Seiten sympathisch. Dann konnte man sich überlegen, ob man etwas daraus macht. Der Gemeinderat war damals einstimmig dafür, obwohl alle Angst hatten vor dem Französisch - der Bürgermeister kann natürlich ein bisschen Französisch.

Was war denn der Punkt, an dem fest stand: Das machen wir.
Das war, nachdem wir zwei-, dreimal dort gewesen waren. Und als wir festgestellt haben, dass wir uns gegenseitig ziemlich viel zu bieten haben, weil es bei vielen Gemeinsamkeiten auch viele Gegensätze gibt. Douvres liegt am Meer, hat eine völlig andere Landschaft, aber auch gleiche Dinge: Es ist ein landwirtschaftliches Gebiet. Die Gemeinde besteht aus einem städtischen Teil, aber auch aus ländlichen Dörfern. Das ist Douvres, das Städtische ist La Délivrande, die inzwischen zusammengewachsen sind. Das Interessante war: hier das Mittelgebirge und die Wälder und dort das Meer und der Wind.

Wie unterscheiden sich die Douvrais von den Oerlenbachern?
Das ist nicht leicht zu beantworten. Im großen Ganzen sind die Franzosen, die mitmachen, etwas vorurteilsloser. Die Franzosen sind ja die, die im Krieg unter den Deutschen gelitten haben, und die kamen uns mit offenen Armen entgegen und haben von vornherein gesagt: Geschichte ist Geschichte. Da habe ich hier schon andere Stimmen gehört. Das ist für mich der Hauptunterschied.

Gibt es so etwas wie eine Trennung zwischen der offiziellen Delegationspartnerschaft und einer privaten Partnerschaft?
Wir haben von Anfang an versucht, weil wir das auch als Jugendarbeit sehen, eine Partnerschaft für alle zu installieren. Und niemand muss für immer mitmachen, weil das gar nicht geht. Das ist vor allem für Jugendliche unmöglich. Die sind mal neugierig, die wollen mal gucken, aber nicht ihr Leben lang mitmachen müssen. Die gehen ja auch weg zum Studieren oder für die Berufsausbildung. Und für die ist es auch mal interessant, die Nase rauszustrecken und nicht nur irgend wo hin in den Urlaub zu fahren, wo man sagt: Tolles Land, aber lass mich bitte mit den Leuten in Frieden. Es ist mein Ziel, dass ich immer ein paar raus reiße, und wenn sie auch nur einmal mitfahren, finde ich, ist der Vertrag dann sozusagen erfüllt. Diese Dauerhaftigkeit kann man in der heutigen Zeit nicht mehr erwarten. Also ich erwarte sie nicht.

Wie waren und sind die Reaktionen aus der hiesigen Bevölkerung?
Also bei uns ist es so: Lehrer und so was gibt es ja bei uns weniger. Wir haben Leute aus der ganzen Bevölkerung querbeet, die mitfahren. Wir versuchen immer etwas anderes zu machen, damit immer wieder andere Leute angesprochen werden. Wir hatten Jugendsportveranstaltungen mit Fußball, Basketball, Überraschungssportarten, die vorher nicht angekündigt wurden. Das war immer ganz toll, das hat sich dann aber irgendwie totgelaufen. Wir haben auch nicht immer die geeigneten Leute. Ich kann mich nicht mit 62 Jahren auf den Sportplatz stellen und Sportarten vormachen. Mehr Kontinuität haben solche Veranstaltungen gebracht, wo wir sagen: Wir nehmen alle Jugendlichen mit und machen alle etwas Ähnliches. Dann haben wir auch Anknüpfungspunkte, um anschließend darüber zu reden. Das offizielle Programm soll bei uns immer nur einen relativ kleinen Teil ausmachen.

Ist die Sprache ein Problem?
Ja, also da haben viele Angst davor, aber andererseits: Wer spricht so gut Englisch wie die Franzosen aus der Normandie? Das geht meistens mit Englisch ganz gut. Die Franzosen sind nicht immer besonders sprachbegabt und -interessiert. Aber einige machen an der Uni in Caen seit Jahren Deutsch. Da sind schon einige Fortschritte spürbar. Und hier habe ich mir auch kleine Sprachkurse ausgedacht für Leute, die noch nie eine Fremdsprache gelernt haben, dass man über Familie sprechen kann, dass man deuten kann und solche Dinge. Was man halt bei Tisch gerne bespricht.

Wie kommt der Austausch bei den Franzosen an?
Also die sind sehr begeistert. Es kommen immer viel mehr als erwartet. Und auch immer wieder neue Leute. Etwa die Hälfte kommt immer wieder. Da muss man dann auch schon keine Unterkunft besorgen, weil sich die Leute schon kennen. Bei den Sportveranstaltungen der Jugendlichen haben wir gar kein Programm machen müssen. Die haben sich irgendwo Fahrräder geborgt und sich alle abends getroffen. Das waren dann Selbstläufer. So etwas ist natürlich das Ideale. Jetzt, bei der letzten Fahrt, waren von 50 Leuten 17 oder 18 unter 18 Jahre alt. Das fand ich ganz toll.

Wie viele Mitglieder hat das Oerlenbacher Partnerschaftskomitee?
Wir sind kein Verein, wir sind einfach das Partnerschaftskomitee der Gemeinde Oerlenbach. Das ist für uns aus organisatorischen Gründen besser, weil wir in dem kleinen Dorf ja auf die Vereine zugehen und nicht ein weiterer Verein sein wollen. Wir schreiben pro Sitzung, deren Zahl wir so gering wie möglich halten, etwa 40 Leute an. Dann kommen vielleicht 18. Aber dann haben wir seit zwei Jahren auch die "Table ronde". Das ist ein festerer Kreis im Hirschen in Ebenhausen, wo wir uns einmal im Monat treffen. Und das ist so das Forum, maximal 10 bis 12. Da werden ein bisschen die Weichen gestellt und Ideen gesammelt. Aber wenn's drauf ankommt, wenn was Größeres zu organisieren ist, da sind dann plötzlich alle da. Darauf kann man sich verlassen. Das ist für mich die ideale Lösung, dass wir keinen Verein haben. Der würde alles nur verkomplizieren. So fühlt sich auch jeder mehr mitverantwortlich.

Gibt es in Douvres ein Komitee?
In Douvres haben sie ein echtes Komitee und das hat sogar einen kleinen Raum. Aber die haben auch zwei Partnerschaften - neben uns noch eine mit Axminster in Südwestengland. Zu denen haben wir auch Kontakt. Aber die dortige Vorsitzende des Komitees und ich haben beschlossen, dass wir keine zweite offizielle Partnerschaft wollen, weil uns völlig klar ist, wenn sie dann dafür verantwortlich sein wird, ist das einfach zu viel Arbeit. Und die sind noch kleiner. Die haben nur sieben Mitglieder.

Hat sich, seit es die Partnerschaft gibt, in Oerlenbach etwas verändert?
Naja, es gibt immer noch Gegner. Es gibt immer noch Leute, die fragen: Braucht's denn so was? Da kann man nur sagen: Brauchen tut's das natürlich nicht, aber es ist halt eine Bereicherung. Es gibt immer Leute, die ja sagen, wenn sie etwas von Frankreich hören, und die sind auch einheitlich der Meinung, dass sie da vorurteilslos empfangen werden. Das geschieht auch umgekehrt so. Wenn ich hier Quartiere für die Gäste suche, habe ich noch nie gehört: Ich will keine Franzosen. Also da hat sich schon was Positives getan. Das war am Anfang schwieriger. Die zehn Jahre haben vielleicht doch so eine klitzekleine Spur gelegt. In den Städten gibt es eine breitere Schicht, die sich prinzipiell für so etwas interessiert. Hier muss ich ständig Werbung machen und immer die positiven Seiten nach vorne stellen. Es reicht nicht zu sagen: Wir fahren nach Frankreich, sondern da muss man sagen, wieso,warum, was ist das Ziel. Es gibt auch immer noch Ängste, auch wegen der Sprache. Aber alle, die zurückkommen, haben festgestellt, dass man keine Ängste haben muss.

Wie weit ist Douvres von Oerlenbach entfernt?
Das sind 1000 Kilometer, 14 Stunden Busfahrt. Wer das auf sich nimmt, der will. Es gibt Leute, die hätten lieber eine Partnerschaft im Elsass. Aber wozu? Da ist es genauso wie bei uns, nur das Essen ist besser. Also, da sind ja alle immer platt, wie gut die Franzosen kochen. Die Küche ist aber auch fantastisch. Da gibt es in Douvres ein Traditionsgericht: Sauerkraut mit Fisch. Und alle sind begeistert, dass das gut schmecken kann. Dann strengt man sich natürlich auch hier an, wenn der Besuch kommt. Was die Franzosen immer besonders begeistert, ist das Frühstück. Wer behauptet, Franzosen würden nie Aufschnitt zum Frühstück essen, der lügt, denn die haben sich begeistert draufgestürzt. Brot und Wurst - wenn nach Frankreich gefahren wird, sind das die beliebtesten Mitbringsel.

Partnerschaften gelten als erfolgreich, wenn sie ehestiftend wirken.
Da haben wir noch nichts vorzuweisen. Dazu sind, glaube ich, zehn Jahre auch zu kurz. Was ich aber gerne hätte, das sind Berufspraktika. Wir haben ja hier genug Betriebe. Das sollte man mal angehen.

Das Gespräch führte
Thomas Ahnert
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