Tränen der Trauer wurden Tränen der Freude

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Unglücksschiff: Die Viermastbark Pamir sank vor 60 Jahren, ein Kissinger Leichtmatrose an Bord gehörte zu den wenigen Überlebenden. dpa
Unglücksschiff: Die Viermastbark Pamir sank vor 60 Jahren, ein Kissinger Leichtmatrose an Bord gehörte zu den wenigen Überlebenden. dpa

Der Untergang der Pamir ist jetzt 60 Jahre her . Ein Leichtmatrose aus Bad Kissingen gehörte zu den Überlebenden.

Der Untergang der Pamir bewegt nicht nur in Norddeutschland nach wie vor die Menschen. Auch im ländlichen Bad Kissingen, das zwar seine Saaledampferle kennt, aber ansonsten wenig Bezug zur christlichen Seefahrt hat, kommt zu den Jahrestagen des schwersten Schiffsunglücks der Nachkriegszeit regelmäßig die Erinnerung an die dramatischen Ereignisse hoch. Als das Segelschulschiff vor 60 Jahren sank, war Klaus Fredrichs an Bord. Der damals 18-jährige Bad Kissinger zählte zu den insgesamt sechs Besetzungsmitglieder, die den Untergang überlebten. Die übrigen 80 starben bei dem Unglück 600 Seemeilen westsüdwestlich der Azoren im Atlantik.

"Um 3.45 Uhr klopft am Dienstagmorgen ein Beamter der Stadtpolizei an die Wohnungstür der Familie Fredrichs. Es wird ihm sofort geöffnet, denn Frau Traute und ihre drei Söhne können keinen Schlaf finden." Die Gefühle der Mutter gingen auch dem Journalisten nahe, der am 25. September 1957 für die Main-Post von der Verbindung des Unglücks nach Bad Kissingen berichtete.


Mitgefühl für weniger Glückliche

Sogar im Bild ist die Szene festgehalten wie Hauptwachtmeister Reuß der Mutter mitteilt, "dass ihr Sohn, der 18-jährige Leichtmatrose Klaus Fredrichs" unter den fünf Überlebenden ist, die von dem US-Schiff Saxon aus dem Ozean gerettet wurden. "Tränen der Trauer wurden Tränen der Freude" steht neben dem Bild.

In die Freude über das glückliche Überleben des eigenen Sohnes mischte sich Mitgefühl für andere: "Wenn ich mich auch so unendlich über den neugeborenen Sohn freue", wird Traute Fredrichs in der Zeitung zitiert, "so muss ich an die anderen Mütter denken, die ihre Söhne bei der furchtbaren Katastrophe verloren haben".

Schock und Trauer über das Unglück waren in der Tat groß in der Öffentlichkeit der jungen Bundesrepublik. Und die Ereignisse hatten Auswirkungen auf die Frachtschifffahrt unter Segeln. Wenige Wochen später bekam das Schwesterschiff Passat der Pamir ebenfalls Probleme in einem Sturm. "Frachtfahrende Segelschulschiffe", berichtete jetzt der Norddeutsche Rundfunk (NDR), "hat es seither keine mehr gegeben".

Zu tun hat das mit den Umständen, die wahrscheinlich für den Untergang der Pamir am 21. September 1957 verantwortlich waren. Das Seeamt Lübeck, das den Hergang damals untersuchte, kam zu dem Schluss, falsche Beladung mit Gerste habe als Hauptursache zu gelten, berichtet der NDR. Ein Großteil der Gerste sei nicht in Säcken, sondern als Schüttgut geladen worden. Lose Gerste sei aber tückisch. Im Schiffsrumpf könne sie leicht verrutschen.

Zudem habe der unerfahrene Kapitän der Pamir Fehler begangen und unter anderem "den Tieftank mit Gerste beladen". Dieser Tieftank wäre für die Stabilität des Schiffes von großer Bedeutung gewesen. Insgesamt spreche vieles dafür, dass die Pamir, trotz des Hurrikans Carrie, in den sie geriet, zu retten gewesen wäre.


Zweiteiler fürs Fernsehen

Die Ereignisse beschäftigten die deutsche Öffentlichkeit durch all die seither vergangenen Jahrzehnte immer wieder. Kurz vor dem 50-Jährigen ließ die ARD das Drama als Zweiteiler mit Starbesetzung verfilmen. Karl-Otto Dummer, einer der anderen Überlebenden, erklärte zur Ausstrahlung 2006 allerdings, mit der Realität habe der Zweiteiler nichts zu tun, das Ganze sei eben nur ein Film.

Die Überlebenden verarbeiteten die prägenden Ereignisse ganz unterschiedlich. Dummer schrieb zwei Bücher über den Untergang der Pamir. Andere aber wollten sich nicht an der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Untergang beteiligen. Klaus Fredrichs gehörte zu den Stillen. Siegfried Farkas