Seit Monaten dauert der Streit, ob die Stadt Bad Kissingen Altersteilzeitverträge ihrer Mitarbeiter aufkündigen und sie einfach in Rente schicken kann. Ralf Ruppert und Benedikt Borst beziehen vor der Abstimmung am Mittwoch im Stadtrat Stellung.
Pro von Benedikt Borst Demokratie verpflichtet: Aus meiner Sicht gibt es vier gute Gründe, warum der Stadtrat bei seiner, zugegebenermaßen harten, Entscheidung bleiben soll. Erstens, finanziell: Die Stadt muss sparen, also spart sie - und zwar 300 000 Euro. Zweitens, juristisch: Die Stadt schöpft die Möglichkeiten aus, die der Gesetzgeber mit der neuen Rentenregelung ab 63 Jahren geschaffen hat.
Drittens, strategisch: Entscheidungen des Stadtrates müssen verlässlich sein und dürfen nicht beim geringsten Widerstand gekippt werden. Das Gremium setzt sonst seine Glaubwürdigkeit in einer Zeit aufs Spiel, in der Bad Kissingen oft politische Orientierungslosigkeit vorgeworfen wird. Viertens, moralisch: Selbstverständlich hat die Stadt eine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter, aber sie schuldet es ebenso dem Bürger, mit dessen Steuern
verantwortungsvoll umzugehen. Der demokratisch gewählte Stadtrat hat
im Sinne der Bürger abgewägt und dann
gegen die Mitarbeiter entschieden. Das mag unpopulär sein, ist aber aus demokratischer Sicht legitim.
Contra von Ralf Ruppert Moralisch in der Pflicht: Als die Große Koalition die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren beschloss, ahnte
keiner der Betroffenen in Bad Kissingen, was für ihn oder sie dabei herauskommt - schließlich handelte es sich eigentlich um eine Verbesserung bei der Rente. Für die meisten der neun Altersteilzeitler jedoch wurde es zum Bumerang. Die Stadt Bad Kissingen hat - als einzige Kommune weit und breit - einen ursprünglich belanglosen Paragraphen der Verträge ausgenutzt.
Dabei ist keiner der Betroffenen Jurist, keiner war sich im Klaren drüber, was sich hinter "TV ATZ" verbirgt oder was in diesem "Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit" drinsteht. Für die langjährigen Stadt-Bediensteten war klar: Jetzt arbeite ich noch einige Jahre für weniger Lohn, dafür bekomme ich meinen Lohn weiter, obwohl ich schon in die passive Phase wechsele, sprich: vorzeitig in Ruhestand gehe.
Und genau das steht ihnen auch zu, ohne Einschränkungen und Abschläge. Die Stadt mag vielleicht juristisch im Recht sein, moralisch steht sie in der Pflicht.
Das Pro und Contra ist eindeutig von den falschen Leuten erklärt worden. Journalisten haben sich bei derartigen Fachfragen neutral zu verhalten. Völlig gleich ob sie Recht oder Unrecht haben. Aussage hierfür sind von Fachleuten zu machen.