"Es ist manchmal schwer, sich durch dicke Wälzer zu wühlen", bekennt TV-Entertainer Thomas Gottschalk vor der Aufzeichnung der BR-Sendung "Gottschalk liest?" in Bad Kissingen.
Bevor "Gottschalk liest?", die Literatursendung des Bayerischen Fernsehens, im Regentenbau am Dienstagabend aufgezeichnet wurde, erklärte uns ein sehr aufgeräumt unkompliziert und ansteckend optimistischer Entertainer, Moderator und Literaturfreund seine Sicht zu Fernsehunterhaltung und zu Büchern.
Von der großen Samstagabendshow "Wetten, dass?" zum kleinen Format "Gottschalk liest?",
von bester Sendezeit und Millionen Zuschauern zum Nachtprogramm für Literaturfreunde. Wie gelingt Ihnen die Umstellung?
Thomas Gottschalk: Die große Samstagabendshow ist tot. Die Spice Girls neben Placido Domingo auf einer Couch live und keiner weiß, was passiert, das war einmal. Die Stars kommen heute nicht mehr mit anderen in große Hallen und am Samstagabend sitzt die Familie samt Opa auch nicht mehr gemeinsam vor dem Fernseher. Solche Shows haben heute gegen Amazon und Netflix keine Chance. Die Fernsehunterhaltung ist getaktet, alles muss zur bestimmten Sekunde passieren. Mit einem irrlichternden Moderator, wie ich einer war, werden da Sendeleiter und Co. verrückt.
Sie wagen sich auf das "Glatteis Kultur, da kann man schon mal auf die Nase fallen", haben Sie selbst formuliert. Eloquent mit Stars plaudern war gestern. Bücher lesen, sich mit Inhalten auseinandersetzen und darüber berichten, ist jetzt gefragt. Überfliegen Sie die Bücher, oder lesen Sie jede Zeile?
Ich habe schon immer gern gelesen und ich habe jetzt auch Zeit zum Lesen. Allerdings habe ich nicht zwölf Semester Literaturgeschichte studiert, Trotzki's Manifest habe ich auch nicht geschafft, aber ich weiß, was Literatur aussagt, kenne die Schuld der Deutschen, verinnerliche Lebensklugheit aus Büchern. Es ist manchmal schwer, sich durch dicke Wälzer zu wühlen, aber ich setze der Überheblichkeit von Literaturkritikern die Demut des Lesers, der um Hilfe bittet, entgegen.
Einst war das Literarische Quartett Kult. Sie sind von seinem Star, dem Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki vor einem Millionen Fernsehpublikum bei der Moderation des Fernsehpreises geadelt worden, indem er Ihnen das Du angeboten hat. Ein Ritterschlag und eine Aufforderung, sich mit Literatur zu befassen?
Er hat es wahrgenommen, dass ich ernsthafter bin, als in diesem Showbusiness vielleicht üblich. Sein Sohn hat nicht viele gebeten, eine Trauerrede für den Verstorbenen zu halten. Schirrmacher (FAZ) und Gauck (Bundespräsident) haben gesprochen und ich.
Jetzt ist Reich-Ranicki fünf Jahre tot. Sein Ruhm etwas verblasst und nun wenden Sie sich tatsächlich einem ähnlichen Format zu. Hätten Sie sich das, sagen wir mal ein Jahr, nach seinem Tod auch zugetraut?