Freiwillige leisten Enormes in Idomeni. Gabriela Seith aus Reichenbach war zehn Tage als Helferin vor Ort.
"Österreich für komplette Schließung der Balkanrouten" - "Europa soll Festung werden!" Die Schlagzeilen verheißen nichts Gutes für Flüchtlinge. Was machen diese Menschen in den Hot Spots der Balkanroute, wer hilft denen?
Das wollte Gabriela Seith aus Reichenbach (genau wissen. Aus verschiedenen Blogs wusste die 26-Jährige, dass Freiwillige für Geflüchtete kochen - auf Lesbos, Kos, in Idomeni, Presevo und Belgrad. Viele nutzen Semesterferien oder gar Urlaub, um zu helfen. Seith hat ihr Masterstudium in Kulturmanagement und Pädagogik abgeschlossen und befindet sich gerade in der Bewerbungsphase. Für zehn Tage machte sie sich auf nach Idomeni. "Erst als ich selbst dort war, wurde mir klar, welch wichtige Rolle die Freiwilligen übernehmen. Sie füllen Lücken, weil weder die jeweiligen Regierungen noch die Nichtregierungsorganisationen mit der Lage zurechtkommen zu scheinen."
Flüchtlinge erhalten keine Infos
Das Transitcamp in Idomeni ist für höchstens 2000 Geflüchtete ausgerichtet. Es ist in den vergangenen Wochen rapide gewachsen, da die ahnungslosen Geflüchteten genug davon hatten, in einem der Militärcamps, zu denen weder Helfer noch Journalisten Zugang haben, auszuharren und keinerlei Informationen zu bekommen, wie es weiter geht. "Ihre Ahnungslosigkeit wird ausgenutzt, und es werden viele Fehlinformationen verbreitet. Die meisten haben ihr ganzes Vermögen ausgegeben, das sie in der Familie zusammengelegt haben, um die Flucht bezahlen zu können", hat sie erfahren.
Es herrscht Ratlosigkeit
Dass die Grenzen so plötzlich geschlossen wurden, macht die Geflüchteten ratlos. "Viele haben mich gefragt, welche Grenzen geschlossen seien. Und vor allem warum? Antworten darauf zu finden, fiel mir am schwersten." In einem Dorf in der Nähe von Idomeni hat eine zunächst kleine Gruppe von Freiwilligen ein Haus angemietet, um für die Geflüchteten zu kochen, sie zu informieren und sie mit Kleidung zu versorgen.
Helfer aus ganz Europa
Als das Camp von Idomeni gewachsen ist, ist diese Gruppe schnell größer geworden. Mittlerweile helfen mindestens 80 Freiwillige aus den verschiedensten Ecken Europas - mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen. Längst geht es nicht mehr nur um das Kochen. Artisten aus Berlin bringen die Kinder mit Clownshows zum Lachen. Ein Gruppe aus Dresden schenkt am "Solidari Tea"-Zelt rund um die Uhr würzigen Tee aus. Auch die Suppen-Ausgabe wird täglich zum Ereignis. "Wir werden am Nachmittag schon von vielen Flüchtlingen freudig erwartet, denn wir bieten nicht nur Currysuppe mit Reis und Linsen, sondern auch Musik und manchmal auch ein Theaterstück." All diese Kleinigkeiten hellen die Stimmung im Camp auf und lassen die Menschen die unannehmbaren Zustände für eine kleine Weile vergessen. Aber auch die Suppe selbst ist wichtig, denn von den Nichtregierungsorganisationen (UNHCR und Ärzte ohne Grenzen) werden meist nur Käsesandwiches und Tee ausgeben.
Täglich kochen die Freiwilligen insgesamt 8000 Portionen. Um diese Menge zu stemmen, heißt es bald aufzustehen und kiloweise Ingwer, Knoblauch und gar hundertkiloweise Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln zu schnippeln.
Ungewisse Zukunft
Die Geflüchteten zu informieren, ist eines der wichtigen Anliegen der Freiwilligen. Immer wieder werden Informationsblätter verteilt, auf denen die Links von unabhängigen Informationsseiten für die Geflüchteten verteilt werden. So können die Geflüchteten sich selbst mit ihren Smartphones informieren. "Mit dem in die Nachrichten gekommenen Flyer vom 'Kommando Norbert Blüm' haben die Freiwilligen aber nichts zu tun", sagt sie. "Die Geflüchteten auf eine gefährliche Route über einen Fluss zu schicken, darauf würde keiner der Freiweilligen kommen."
Zudem sei klar, dass das illegale Überschreiten der Grenzen von vornherein aussichtslos war. Diese Informationen würden also niemals von den "Aktivisten" kommen, die aus ihrer Sicht vorschnell als Urheber dieses Kommandos angegeben wurden. "Die Freiwilligen, die ich kennengelernt habe, haben in dieser Situation lediglich Hilfe geleistet, die Menschen sicher über den Fluss zu bringen, als sie gemerkt haben, dass die Geflüchteten sich vor lauter Verzweiflung nicht von dem gefährlichen Gang über die Grenze abhalten lassen." Manche haben ihr berichtet, dass einige, die Geflüchtete begleitet haben, ebenso wie Journalisten von der mazedonischen Polizei festgenommen wurden. Viele Geflüchtete seien von der mazedonischen Polizei geschlagen worden, hieß es. Auch ihr ist unklar, was mit dem Camp in Idomeni beziehungsweise mit den Tausenden von Geflüchteten in Griechenland passieren soll. Dass es sich dabei um reale Personen handelt, die unter menschenunwürdigen Verhältnissen verharren, scheint an der Politik vorbeizugehen. Jeder Tag, an dem nur geredet, aber nicht gehandelt wird, ist für die Geflüchteten ein weiterer Tag in einem der vielen Camps.
"Sich selbst überlassen"
Vielleicht ein weiterer sonniger Tag. Vielleicht aber auch ein kalter, verregneter Tag, inmitten von Kranken und Schwachen, die jeden Tag mehr werden. Und ein weiterer Tag der Ungewissheit. "Ich habe das Gefühl, dass sich niemand verantwortlich zeigt für die Geflüchteten. Sie werden mehr und mehr sich selbst überlassen."
Umso wichtiger erscheint ihr in diesen Tagen die Arbeit von Hunderten von Freiwilligen, die in Eigeninitiative Hilfe auf die Beine stellen. "Ich habe Menschen getroffen, die vor Krieg flüchten. Menschen, die in ihrer Heimat Angst haben müssen, diskriminiert zu werden. Die nicht als Kriegswaffe instrumentalisiert werden wollen. Die ihren Kindern kein Zuhause, keine Sicherheit, keine Verpflegung, keine medizinische Versorgung, geschweige denn schulische Ausbildung bieten können. Menschen, die jeden von uns mit offenen Armen bei sich zuhause aufnehmen würden, wenn wir in Gefahr wären."
In Zelten bewirtet
Dessen ist sie sich sicher. Denn sie wurde von ihnen eingeladen in den kleinen Zelten. Sie haben sie bewirtet mit dem wenigen, das sie haben, auch wenn es nur ein Sesamriegel oder eine Handvoll Nüsse war. Es sei schwierig auszumachen, wovor jeder einzelne von ihnen geflüchtet ist. "Aber wenn sie Idomeni wählen, dann heißt es wohl, dass Idomeni sicherer ist als der Ort, den sie verlassen haben. Es heißt, dass Idomeni menschenwürdiger ist als der Ort, den sie verlassen haben. Es heißt, dass Idomeni hoffnungsvoller ist als der Ort, den sie verlassen haben!"
Tiefe Eindrücke
Gabriela hat tiefe Eindrücke von ihrer Freiwilligen-Arbeit mit nach Hause genommen. "Wenn man den unmenschlichen Zustand des Camps von Idomeni vor Augen hat, bekommt man eine Ahnung von dem Zuhause, das die Geflüchteten verlassen haben. Um freiwillig Idomeni zu wählen!"
gas/nö