Covid-Alltag in der Lungenfachklinik (1): Von der Intensivstation ins Leben zurück
Autor: Benedikt Borst
Münnerstadt, Dienstag, 24. Mai 2022
Während die Pandemie im Alltag für viele in den Hintergrund rückt, ist sie im Thoraxzentrum weiter präsent. Zwischen künstlicher Beatmung und der Behandlung von Spätfolgen - Ärzte, Therapeuten und Patienten berichten.
Es waren noch zwei Wochen bis Weihnachten, als sich Stefan Schmitt (Name geändert, Anm. d. Red.) mit dem Coronavirus ansteckte. "Meine Tochter hat es aus der Schule mitgebracht", erzählt er. Die erste Woche hatte er noch zu Hause überstanden, dann hat die Infektion ihn völlig umgehauen. Dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, ist eins der letzten Dinge, die er bewusst noch mitbekommen hatte. Der 47-Jährige verbrachte Wochen im Koma auf der Intensivstation und musste künstlich beatmet werden. Sein Zustand war so kritisch, dass die Ärzte ihn von Mittelfranken an die Uniklinik Würzburg verlegten. Die Ärzte dort retteten ihm das Leben.
Wie Menschen auf der Intensivstation wieder zu Atmen lernen
Die Reha beginnt bereits auf der Intensivstation
Als er wieder aus dem Koma erwachte, war das für ihn ein großer Schock. "Ich bin aus allen Wolken gefallen, weil ich gar nicht gewusst habe, wie ich hierher gekommen bin", sagt Schmitt. Den Schreck konnte er sich jedoch nicht von der Seele reden, denn in seinem Hals steckte zu dem Zeitpunkt immer noch der Schlauch, über den er beatmet wurde und der ihn am Leben hielt. Sprechen? Unmöglich! "Wenn man langsam wieder mitkriegt, was da alles in einem drinnen ist; das ist schon schlimm", sagt er. Die Situation habe ihm sehr zu schaffen gemacht. Sich nicht mitteilen zu können, zu schwach zu sein, um sich allein im Bett hinzusetzen, ernährt werden zu müssen, nicht zu wissen, wie lange der Zustand dauert bis oder ob man wieder gesund wird, keinen Kontakt zur Familie zu haben - das alles belaste massiv. "Es waren Momente dabei, wo man Angst kriegt und denkt: Scheiße, das wird nichts mehr."
Erleichterung pur: die ersten Worte
Als sein körperlicher Zustand soweit stabil war, haben ihn die Ärzte auf die Intensivstation des Thoraxzentrums nach Münnerstadt verlegt. Dort sollte er lernen, wieder selbstständig und ohne Maschine zu atmen und außerdem sollte er körperlich wieder aufgebaut werden. "Er war eine Woche auf der Intensivstation und hatte einen guten respiratorischen Heilungsverlauf", berichtet Petra Przybilla, Physiotherapeutin auf der Intensivstation. Schmitt habe für seinen Zustand überraschend schnelle Fortschritte gemacht. Er sei zwar noch sehr geschwächt, "aber es geht steil bergauf".
Nach wenigen Tagen war Schmitt den Schlauch im Hals sowie die Beatmungsmaschine los und wurde innerhalb des Thoraxzentrums von der Intensivstation auf die pneumologische Akut-Früh-Reha verlegt. Dort hat er ein eigenes Zimmer, wird aber noch sehr engmaschig ärztlich, pflegerisch und therapeutisch betreut. Inzwischen hat er wieder aus eigener Kraft zu sprechen gelernt, andere grob- und feinmotorische Dinge des täglichen Lebens wie aufstehen, laufen, sich anziehen und waschen oder auch Besteck halten muss er weiter trainieren. "Was ihm noch zu schaffen macht, ist die körperliche Schwäche", sagt die Therapeutin.
In Schmitt haben die Verzweiflung und die Angst Platz gemacht für Optimismus und Hoffnung. "Ich bin zuversichtlich, dass es wieder wird.Es muss wieder werden." Als wichtige Etappe auf dem Weg der Genesung empfindet er es, wieder sprechen zu können. ,Guten Morgen' waren die ersten vier Silben, die er in der Reha hervorgepresst hat. "Die ersten Worte waren eine Riesenerleichterung. Man hat seine eigene Stimme wieder", sagt er. Endlich konnte er wieder Kontakt zur Familie aufnehmen und mit seiner Frau und Tochter telefonieren. Daraus zieht er Kraft für alles weitere. "Das Sprechen war ein Meilenstein", sagt Schmitt.