"Wir müssen regional denken"

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Ein bisschen Wasser für das Windrad, damit die alternativen Energien wachsen und gedeihen mögen. Klimamanager Stefan Richter hat sich noch einiges vorgenommen. Foto: Thomas Malz
Ein bisschen Wasser für das Windrad, damit die alternativen Energien wachsen und gedeihen mögen. Klimamanager Stefan Richter hat sich noch einiges vorgenommen. Foto: Thomas Malz

Klimamanager Stefan Richter hat sich sehr viel vorgenommen. Er will unter anderem einen Masterplan mit entwickeln für eine klimaneutralen Main-Rhön Region.

Ein Jahr ist Münnerstadts Klimamanager Stefan Richter nun schon im Amt und hat in dieser Zeit sehr viel erreicht (Seite 1). Und er hat noch jede Menge vor. Mit ihm hat die Stadt neue Wege eingeschlagen, die sie gemeinsam auch konsequent weiterverfolgen wollen. Wir sprachen mit Stefan Richter über seine Zukunft in Münnerstadt und was er alles noch bewegen will.

Hallo Herr Richter, Ihr erstes Jahr in Münnerstadt ist um, was wollen sie in nächster Zeit noch erreichen?

Stefan Richter: Die Frage ist eher, was ich erreichen muss. Als erstes muss ich das Klimaschutzkonzept, das ich heute als Entwurf abgeschickt habe, in zwei drei Monaten dem Stadtrat in Gänze vorstellen, es mit ihnen bearbeiten und dann zum Abschluss bringen. Das muss innerhalb des nächsten halben Jahres passieren. Parallel dazu beginne ich mit dem Antrag einer Anschlussfinanzierung meiner Stelle, die als solches so auch angedacht ist. Die geht dann über drei Jahre, in dieser Zeit sollen Vorhaben, die in dem Konzept erarbeitet wurden, begonnen werden.

Okay, das ist das, was Sie müssen. Und was wollen Sie noch erreichen?

Da sind stechen sicherlich drei Projekte heraus. Das eine ist, dass wir mit dem Netzwerk endlich starten, sobald der Förderbescheid da ist. Dann natürlich die Umsetzung unseres "Treibhaus"-Projektes mit der Unterstützung, die wir jetzt durch den Gewinn bei "Landstadt Bayern"" bekommen, und als drittes das für mich sehr wichtige Thema "M17", die Zukunftswerkatt.

Was verbirgt sich hinter "M17" genau?

Wir hatten im September eine Veranstaltung, da ging es um das soziale Klima. Aus dem ist ganz klar hervorgegangen, dass wir einen zentralen Ort in Münnerstadt brauchen, wo Menschen mit ihren Ideen und ihren Initiativen zusammenkommen können, um dann gemeinsam mit der Stadt Projekte, die unsere Zukunft betrifft, zu entwickeln und umzusetzen. Und da steht uns mit dem Laden direkt am Marktplatz 17 sicherlich ein sehr geeigneter Raum zur Verfügung. Ich selber werde mein Büro weiterhin am Stenayer Platz haben, werde aber im M17 vor Ort die Akteure und Aktivitäten koordinieren und das Ganze sozusagen in Bewegung bringen.

Wie geht es mit dem ehemaligen Bötz-Gelände weiter?

Dadurch, dass wir jetzt zu den zehn ausgewählten Städten in Bayern gehören, schafft das für uns natürlich ungeahnte Möglichkeiten. Wir haben ein Konzept erarbeitet, indem es uns von Anfang an um eine ganzheitliche Lösung ging. Dort möchten wir eine größtmögliche Vollversorgung hinbekommen - quasi das kleine Dorf im Großen schaffen, das sich selbst versorgt mit Energie und mit Nahrung - eingebunden in die Natur mit dem Talwasserbach und dem darin lebenden Biber. Wir werden die Menschen von Anfang an in die Entwicklung des Projektes mit reinholen, das war auch in unserem Konzept so angedacht. Über die fachliche Beratung und wissenschaftliche Begleitung werden wir sehr fundierte Unterstützung bekommen und mit diesem wahrhaftigen Leuchtturmprojekt weit über die Grenzen unserer Stadtgrenzen hinaus strahlen und wahrgenommen. "Landstadt Bayern" ermöglicht es uns, dass die Vision einer ökologisch nachhaltigen Wohnanlage für ältere als auch für jüngere Menschen - als quasi Blaupause für all die deutschlandweit tausend anderen Kommunen im ländlichen Raum - in Münnerstadt verwirklicht.

Wie steht es um das Netzwerk?

Das Netzwerk ist damals aus einer Überzeugung heraus rund um die Themen Klimaschutz und Energiewende entstanden. Es hat sich durch eine mögliche Förderung des Bundesumweltministeriums weiterentwickelt, und im Dezember wurde dann ein Förderantrag mit damals 15 Gemeinden abgeschickt. Aufgrund der schrecklichen Vorkommnisse in der Ukraine und der daraus resultierenden politischen Entscheidung der Bundesregierung vor drei Monaten, ging es eigentlich nur noch darum, wie schnell können wir uns als Land energieunabhängig von Russland machen. Zusammen mit dem IfE aus Amberg habe ich nach einer Lösung gesucht, wie wir ein Netzwerk von einer solchen Größe entwickeln können, das eine planerische Beachtung und Relevanz findet, um so der Politik bei ihren Pläne, einer Abkehr von Fossilen und von Putin, bestmöglich zuzuarbeiten. Die Energiewende und der Klimaschutz enden ja nicht in der eigenen Kommune. Wenn wir wirklich hier was auf die Beine stellen und Zukunft planen und entwickeln wollen, müssen wir regional denken. Das war der entscheidende Punkt. Seitdem hat sich das Ganze zu einem Modell-Netzwerk entwickelt. Und wir haben jetzt die Umsetzungsbegleiter der integrierten ländlichen Entwicklung der teilnehmenden Kommunen - wohl besser bekannt als Allianzmanager - mit an Bord. Der ganzheitliche Ansatz ist immer klarer herausgekommen, so dass wir uns als Klimamanager und Allianzmanager um das ganze Inhaltliche kümmern und den Kommunen und Entscheidungsträgern mit Wissen und jeder Menge WoMan-Power zuarbeiten können. Wir können so im ständigen Austausch und in Abstimmung für eine ganze Region Pläne vorbereiten, über die am Ende die Politiker dann entscheiden können. Wir entwickeln eine Gesamtstrategie - sozusagen einen Masterplan - zur konkreten Umsetzung einer klimaneutralen Main-Rhön Region unter der größtmöglichen Einbindung der hiesigen Wirtschaft, Politik und Bürger und im bestmöglichen Einklang mit der Natur. Wir müssen uns absprechen, damit die Fläche in unserer sehr dünn besiedelten und strukturschwachen Region nicht abgegeben wird. Das soll bitte alles in der Hand der Bürger und Kommunen bleiben. Deshalb ist das Netzwerk in dieser Phase so wichtig. Wir müssen uns so groß und gut aufstellen wie möglich. - Die Kommunen und Bürger dürfen sich nicht mehr mit Krümeln der Erträge aus den Erneuerbaren abspeisen lassen. Der Kuchen ist groß genug, dass alle Beteiligten ein großes Stückchen davon abbekommen. Und: Wir behalten die Konditorei!

Im Netzwerk sind mittlerweile 30 Kommunen, Sie erhalten viel Unterstützung. Bekommen Sie gelegentlich auch mal Gegenwind?

Nein, ganz im Gegenteil! Die Bürger und Politiker merken gerade, dass wir die riesigen Aufgaben, vor denen wir stehen, nur gemeinsam schaffen können. Also eher Rückenwind. Ich bin der Überzeugung, dass wir hier gerade auch eine riesige Chance haben, mit der Klimakrise und der Energiewende umzugehen und uns als ländliche Region stärken können. Dafür müssen wir aber auch die Bereitschaft mitbringen, neue Wege der Zusammenarbeit zuzulassen. Da stößt man natürlich immer wieder auf sehr gesetzte Strukturen des Denkens und Handelns.

Können Sie das ein wenig konkretisieren?

Ja, wenn wir Strukturen und Denkweisen, dank derer wir immer tiefer in diese Katastrophe hineingeraten sind, auch mit nur halb so schnell verändern wie die Geschwindigkeit, mit der wir solch Begriffe wie Zeitenwende oder Paradigmenwechsel heute wie selbstverständlich herausposaunen, dann wäre uns schon gewaltig geholfen. Wir stehen definitiv vor der größten Herausforderung unseres Lebens. Nicht nur in der eigenen Region oder unserem Land, sondern weltweit. Wir stehen vor gewaltigen Veränderungen, die genau Jetzt ein dringend notwendiges Umdenken und Handeln von uns erfordert. Wir geben uns immer wieder bestimmten Strukturen hin, Abläufen, die wir gewohnt sind. Aber vielleicht sind wir genau wegen solcher Prozesse in genau diese Situation gekommen. Wir müssen ganz schnell dahin kommen, dass bei allem, was wir tun, wir immer nach den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen fragen müssen. - Ob in der großen Politik oder im kleinen Privatleben. Wir verspielen gerade die Zukunft der nachfolgenden Generationen. Was mich einfach traurig macht: Meistens muss das Kind erst in den Brunnen gefallen sein, obwohl man die Gefahr doch vorher ganz konkret gesehen hat. Deshalb wünschte ich mir einerseits noch mehr Engagement von Seiten der Bürger. Aber ich wünsche mir auch von Seiten der politischen gewählten Vertreter des Volkes und Führer, dass sie den Mut und die Entschlossenheit mitbringen für die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden müssen.

Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit?

Für mich erst einmal eine Verbesserung meiner Kommunikation. Ich muss mit meinen Veranstaltungen und regelmäßigen Treffen wieder zurück an die Öffentlichkeit. Im größeren geht es darum, die erneuerbaren Energien auf den Weg zu bringen, Emissionssparen für die Privathaushalte voranzutreiben, Ich möchte den Kontakt zur lokalen Wirtschaft verstärken, vor allem mit Nipro. Das allergrößte Ziel wäre, dass man ein Interkommunalwerk, bestmöglich sogar ein Regionalwerk auf den Weg bringt. - Zusammen mit unseren bereits vorhandenen Stadtwerken als starke Akteure. Die Möglichkeiten sind jetzt gerade da, aber sie sind auch zeitlich begrenzt. Übertrieben gesagt: In diesen Tagen wird über die Zukunft einer ganzen Region entschieden.

Viel Arbeit für einen Klimamanager. Wünschen Sie sich manchmal Unterstützung?

Das ist verdammt viel Arbeit, die bevorsteht, aber Gott sei Dank: die Rettung naht. Alexander Zink ist jetzt der Klimamanager für unseren Landkreis geworden, worüber ich mich sehr freue. Philipp Spitzner hat jetzt in Hammelburg angefangen. Wir haben uns jetzt auch schon mehrere Male getroffen und werden die ersten Projekte gemeinsam auf den Weg bringen. Eins davon wird sicherlich ein Energieforum für die Privathaushalte werden. Wir haben ja auch einen ständigen Austausch mit Maritta Wolf in Rhön-Grabfeld und Viktor Antlitz vom Bezirk Unterfranken. Es gibt eine immer größere Vernetzung. Wir haben natürlich die Haßberge, deren Entwicklung uns ein Vorbild sind. Es geht definitiv in die richtige Richtung. Die Allianzmanager sind eine riesige Unterstützung. Die sind ja schon vor Ort mit all ihrem Wissen und ihrer Kompetenz. Wie wir uns gerade intern vernetzen, das macht mehr als Hoffnung und schafft Zuversicht, dass wir das gemeinsam hinbekommen.

Und ganz zum Schluss, bevor ich es vergesse: Es ist so schön bei Ihnen in Unterfranken. Ich habe schon so viel dazugelernt und mag einfach den Schlag Mensch und seine Art zu leben. Nur, das mit dieser komischen Uhrzeit: das kann und will ich einfach nicht lernen!

Das Gespräch führte

Thomas Malz.