Johannes Becker zeigt, wo's langgeht

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"Wege in und um Münnerstadt": Autor Johannes Becker mit einem Exemplar seines Buches. Foto: Dieter Britz
"Wege in und um Münnerstadt": Autor Johannes Becker mit einem Exemplar seines Buches. Foto: Dieter Britz
Straßenbauten sind oft Gegenstand von heftigen Diskussionen. 1979 protestierten Schüler und Mitglieder des Augustinerordens gegen die nahe Westumgehung der Stadt, da sie fürchteten, der Unterricht im Seminar würde gestört. 1990 wurde diese Umgehung dann doch in Betrieb genommen. Foto: Archiv Fuhrmann
Straßenbauten sind oft Gegenstand von heftigen Diskussionen. 1979 protestierten Schüler und Mitglieder des Augustinerordens gegen die nahe Westumgehung der Stadt, da sie fürchteten, der Unterricht im Seminar würde gestört. 1990 wurde diese Umgehung dann doch in Betrieb genommen.  Foto: Archiv Fuhrmann
 

 Der Ruheständler hat ein Buch über die Wege um und in Münnerstadt geschrieben. Der Autor erwähnt auch Kuriositäten: So wurde an den Stadttoren noch bis 1921 Pflasterzoll erhoben.

"Alle Wege führen nach Rom", heißt eine jahrhundertealte Jahre alte Redewendung. "Viele Wege führen nach Münnerstadt", möchte man hinzufügen, wenn man das druckfrische Buch mit dem Titel "Wege um und in Münnerstadt" in die Hand nimmt. Der Autor Johannes Becker vermittelt auf 259 Seiten einen "geschichtlichen Abriss von Wegen und Straßen in Münnerstadt und seiner nahen Umgebung", so der Untertitel des Werkes. Er hat in den letzten Jahren bereits drei Bücher zu Themen der Münnerstädter Heimatgeschichte geschrieben, und zwar über Weinbau, Eisenbahngeschichte sowie den Reichsarbeitsdienst in Münnerstadt.

Seit 42 Jahren in Münnerstadt

"Ich bin eigentlich kein einheimischer Mürschter und lebe erst seit 42 Jahren hier", sagt der Allgemeinarzt im Ruhestand, "ich habe zwei Hobbys, die Fotografie und die Heimatgeschichte". Ersteres pflegt er als aktives Mitglied des Rhönklub-Fotokreises, Letzteres als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Stadtarchiv. Beide Hobbys ergänzen sich oft sehr gut, wenn es darum geht, seine Bücher zu illustrieren. An seinem neuesten Buch über die Wege hat er mehr als zwei Jahre gearbeitet.
Johannes Becker richtet sein Augenmerk in dem Buch auf die Region zwischen Hammelburg, Münnerstadt, Bad Neustadt und Mellrichstadt bis nach Schweinfurt und Würzburg; im Mittelpunkt steht aber natürlich Münnerstadt selbst.
Wege verbinden Orte, sie werden (oder wurden) von Händlern, Kaufleuten, Handwerkern, Fuhrleuten, Reisenden, Soldaten benutzt. Schon in der ersten Nennung von Münnerstadt im Jahr 770 wird auch das Kloster Fulda erwähnt. Also muss es einen Weg gegeben haben, auf dem die Mönche zur Visite ihrer 50 Kilometer entfernten Güter nach Münnerstadt gelangten, schließt Johannes Becker daraus. Er setzt sehr früh in seiner Beschreibung von Wegen in und um Münnerstadt an, und er geht auch über das eigentliche Thema "Wege" hinaus.
So erfährt der Leser auch sehr viel über die Geschichte der Stadt. 1272 wurde erstmals das Marktrecht erwähnt, der Transport der Waren in die Stadt hinein und aus ihr heraus setzte natürlich Wege voraus, die wir uns allerdings nicht so komfortabel ausgebaut vorstellen dürfen wie heutige Teerstraßen.

17 Kilometer Neutrassierung

Erst im 18. und 19. Jahrhundert "kommt es zu einer entscheidenden Wertschätzung der Straßen", schreibt Johannes Becker, denn nun wurden die Wege als Chausseen mit fest gestampften Steinen gebaut. In der Mitte waren sie leicht erhöht, damit das Wasser ablaufen konnte. Ab 1749 sind umfangreiche Straßenbauarbeiten in Franken überliefert, die Handel und Wirtschaft fördern sollten. Eine dieser damals modernen Straßen sollte von Würzburg über Geldersheim nach Münnerstadt führen. Die 17 Kilometer lange Strecke von Poppenhausen bis Münnerstadt war eine komplette Neutrassierung und verläuft bereits abseits der umliegenden Dörfer.
Die wichtige Landstraße Schweinfurt-Meiningen ging durch das Rannunger Tal und Münnerstadt. Hier zogen Wallfahrer, Ordensleute, weltliche und geistliche Fürsten oder Kaufleute zu den Märkten nach Münnerstadt und Neustadt. Doch wegen der Räuberbanden war das Tal vor allem bei Kaufleuten gefürchtet.

Lateinschüler mussten zahlen

Wer heute durch eines der beiden noch erhaltenen Stadttore geht oder fährt, kann sich das kaum noch vorstellen: Hier wurde früher Wegezoll erhoben. Aus dem Jahr 1750 gibt es im Stadtarchiv eine Tabelle über den zu zahlenden Pflaster- und Brückenzoll, unter anderem für Rindviecher und Fuhrwerke. 1877 gab es Ärger, weil sogar die auswärtigen Lateinschüler pro Semester eine Mark Pflasterzoll bezahlen sollten.
Auch die Fahrer der ersten Autos, die durch die Stadttore nach Münnerstadt einfuhren, wurden zur Kasse gebeten. Erst im Jahr 1921, vor nicht einmal 100 Jahren also, verzichtete die Stadt auf Weisung des Staatsministeriums des Inneren auf diese Einnahmequelle, die allerdings nicht sehr lukrativ gewesen sein kann. 1865 hatte die Stadtverwaltung geklagt, das eingenommene Geld reiche nicht einmal für den Erhalt des Straßenpflasters. Johannes Becker geht in seinem Buch auch ausführlich auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein, etwa den Bau der Schindbergstraße im Jahr 1974. "Münnerstadt im Würgegriff des Verkehrs" ist eines der letzten Kapitel überschrieben: hier geht es um den Bau einer Umgehung der Stadt. Trotz mancher Proteste - unter anderem von Schülern und von Mitgliedern des Augustinerordens - setzte sich die Westumgehung durch, die Ende Juni 1990 befahrbar war und zur Folge hatte, dass der überörtliche Verkehr nicht mehr durch die engen Straßen der Innenstadt rollen musste. Dazu kam später auch der Bau der Autobahn A71, der zur weiteren Entlastung beitrug, aber ebenfalls umstritten war.
Dr. Johannes Beckers Buch ist nicht nur für Heimatforscher sehr lesenswert. Das Buch geht über das engere Thema "Wege" weit hinaus und bindet diese sehr gut in die Geschichte unserer Landschaft ein. Sehr interessant sind auch die vielen Bilder, mit denen er das Thema illustriert. Einige der Karten hat er extra aus dem Archiv der Deutschordensritter in Wien besorgen können.

Buchtipp