Ihre Namen kann man ihnen nicht nehmen
Autor: Hanns Friedrich
Maria Bildhausen, Montag, 23. Oktober 2017
In Maria Bildhausen ist ein Euthanasie-Mahnmal offiziell vorgestellt und gesegnet worden. Es erinnert an acht Behinderte damals ermordet wurden.
Es war eine bedrückende Stimmung, die bei der offiziellen Vorstellung und kirchlichen Segnung des Euthanasie-Mahnmals im neu gestalteten Friedhof von Maria Bildhausen herrschte. Viele Gedanken der Teilnehmer gingen sicherlich zurück in eine Zeit, in der Unfassbares geschah. Das spiegelte sich auch in den Ansprachen von Direktor Walter Merkt, Gesamtleiter von Maria Bildhausen, Rainer Waldvogel und dessen Stellvertreter Michael Nowotny wider. Er hatte in seinem mit dem Künstler Willi Grimm abgestimmtem Manuskript den Satz geprägt: Den Namen kann man den Ermordeten nicht nehmen. Der Künstler selbst, der wie der Architekt Roland Ress und Thomas Pfarr kostenlos mitwirkte, erhielt einen Bildband, der die Entstehung bis zur Fertigstellung dokumentierte. Verbunden war dies mit einen herzlichen "Vergelt`s Gott", wie Rainer Waldvogel sagte. Der Künstler habe sein geistiges Eigentum ebenso gespendet wie die Arbeit an der Skulptur und der Glasfenster.
Willi Grimm gab den Anstoß
Rainer Waldvogel erinnerte an eine Fahrt im Jahr 2013, die die Schwestern von Maria Bildhausen nach Schloss Hartheim organisiert hatten. Dort nämlich wurden die acht Behinderten aus der Einrichtung ermordet. Mit dabei sei auch Willi Grimm gewesen, der tief betroffen war und ein Mahnmal in Maria Bildhausen ins Gespräch brachte. Eines Tages habe er Rainer Waldvogel getroffen und ihm gesagt: "Wie lange wollen sie noch warten?" Das war vor zwei Jahren, sagte der Gesamtleiter der Einrichtung in Maria Bildhausen und da sei auch die Entscheidung gefallen. Finanziert wurde das Mahnmal zu je einem Drittel von den Schwestern der St. Josefskongregation Ursberg, der Stiftung Maria Bildhausen und ein weiteres Drittel kam durch Spenden zusammen. Eine hohe Summe kam von der Diözese Würzburg. Die Dokumentation von der Entstehung des Denkmals übergab Thomas Hahn. Er hat das Buch zusammengestellt. Schon immer habe es ihn betroffen gemacht, wenn er von den acht ermordeten Behinderten gehört habe. Nun sei eine Erinnerung geschaffen.
Direktor Walter Merkt sagte, dass sich die Betroffenheit der ums Leben gekommenen Menschen in der Nazizeit nicht in Worte fassen lässt. Man könne sicher sagen, dass Gott geweint habe, was Menschen, Menschen angetan haben. Natürlich habe sich die Frage gestellt, ob man ein Mahnmal braucht und ob man das Geld nicht anders anlegen könnte. Die Entscheidung sei aber richtig gewesen: "Sie haben einen Gedenk- und Mahnort geschaffen, in den man sogar hinein gehen kann. Unsere Zeit braucht solche Orte des Mahnens und Gedenkens."
Ein Denkort
Es sei erschütternd, wenn man zurückdenkt, als hilfsbedürftige Menschen als nicht lebenswert und störend gebrandmarkt wurden. Gedanken, die heute unvorstellbar sind, aber wieder kommen könnten. Umso mehr ist solch ein Mahnmal wichtig, ein Denkort zum Denken. Dass das Denkmal im Friedhof von Maria Bildhausen stehe, sei passend. Früher habe man vom Gottesacker gesprochen. Ein Acker habe etwas mit Leben zu tun. Damit könne man sagen: Gott weint nicht mehr - er sagt ja zum Leben und gibt uns Hoffnung.Es war eine persönliche Bitte des Künstlers Willi Grimm, dass Michael Nowotny in seinem Namen zu den Gästen sprach. Mehr als 260 000 Todesopfer hat der Nationalsozialismus unter den Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger Behinderung gefordert. Die 379 Menschen, die aus den Einrichtungen des Dominikus Ringeisenwerkes herausgerissen und getötet wurden, ließen Willi Grimm nicht ruhen. "Es geht schließlich um Mord!", habe er gesagt.
Axt zerbricht Raum und Wände
So wird das Dach des Gebäudes von einer einschlagenden Axt aufgebrochen und zweigeteilt. Diese Axt zerbricht Raum und Wände. Der Künstler machte mit seinem Mahnmal deutlich, dass Gewalt und Tod in der christlichen Überzeugung nicht das letzte Wort haben. Die Fenster seien Zeichen der Hoffnung. Das Licht das durch sie in den Raum falle, lade dazu ein, in Stille die Namen derer zu betrachten, die durch Gewalt aus dem Leben gerissen wurden.Eingetragen sind sie in einem massiven Buch aus weißem Marmor. Das sage nichts anderes als: Denen man das Leben nahm, denen kann ihr Name nicht mehr genommen werden. Im daneben liegenden Buch findet man Namen und Lebensdaten aller 379 Opfer aus den Einrichtungen der St. Josefskongregation, die in der Nazizeit ermordet wurden. "Sie stehen beispielhaft für alle Opfer des Tötungsprogramms der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderungen." Das Mahnmal setze ein Zeichen, wie der Künstler Willi Grimm lebt, wie er als Bildhauer wirkt und arbeitet und es ist ein Zeichen, wie Willi Grimm glaubt.
Michael Nowotny: Gewalt steht nicht am Ende, am Ende stehen Licht und Hoffnung. Friedhelm Hofmann sprach am Denkmal ein kurzes Gebet und segnete es. Er segnete auch die Gedenktafeln, die an die Schwestern erinnern, die hier lebten und wirkten.