Der Münnerstädter Stadtarchivar Klaus-Dieter Guhling findet, dass Weltpolitik durch Personen und deren Geschichte leichter fassbar wird. Die Dokumentationen von Erich Fries (Großwenkheim) sind ein Beitrag dazu.
Erich Fries ist Sammler. Den Großwenkheimer interessieren alle Details, die mit Feldpost oder Militärgeschichte zusammenhängen. Das Stadtarchiv profitiert von dieser Leidenschaft. Jetzt hat Erich Fries zwei neue Bücher an Stadtarchivar Klaus-Dieter Guhling überreicht. Eine Dokumentation befasst sich mit der Feldpost, die die Brüder Reichert im 1. Weltkrieg an Familie und Freunde geschrieben bzw. von ihren Lieben erhalten haben. Es ist eine außergewöhnliche Sammlung, die noch komplett in Familienbesitz erhalten ist. Das zweite Buch befasst sich mit all den Großwenkheimer Soldaten, die im 2. Weltkrieg gefallen sind oder seitdem als vermisst sind. Soweit es möglich ist, hat er von ihnen alle Sterbebildchen zusammengetragen.
Erbstücke aus der Familie Erich Fries geht auf Tauschmärkte und sucht im Internet nach Informationen.
Doch oft ist es auch einfach Glück, dass ihm besondere Sammlungen zugetragen werden. Romana Rambacher aus Humprechtshausen hat dem Großwenkheimer Sammler ihr Familienerbe für seine Dokumentation zur Verfügung gestellt. Ihre Mutter hat ihr die Feldpost ihrer Onkel aus dem 1. Weltkrieg vererbt. Richard, Ambros und Heinrich Reichert waren Brüder aus Seubrigshausen. Sie wurden eingezogen. Nur der kleinste Bruder war zu jung, um in den Krieg ziehen zu müssen. Alle drei Söhne der Familie Reichert überlebten den Krieg. Erhalten ist von ihnen ein reicher Feldpostverkehr, den ihre Schwester Sophia an die Tochter Romana weitergegeben hat. Und die hütet diesen Familienschatz bis zum heutigen Tag.
In seinem Buch hat Erich Fries den gesamten Schriftverkehr kopiert, die Handschriften entziffert und zu jeder Postsendung den Text beigefügt. "Mit der Zeit geht das Entziffern ganz gut", meint Erich Fries.
Kurze Familien-Nachrichten Es waren vor allem Postkarten, die zwischen Seubrigshausen und der Front hin und her gingen. Es sind meist aufmunternde Motive, die wenig über den Krieg und seine Schrecken erzählen. Viele Nachrichten von oder an die Front drehen sich um Wetter, ums Essen und ums Wohlbefinden allgemein. "... habe heute das Päckchen Butter mit Freuden erhalten", schreibt Ambros Reichert am 20. 7. 1917 an seine Eltern. Aus der Heimat erhielt Richard Reichert am 7.10. 1915 Post von einem Nachbarn, der ihm mitteilte, dass ein "...Roman nach Reims gekommen ist, der Viktor hat eine lebende Tochter. Sonst weiß ich nichts Neues", ist dort zu lesen.
Heinrich Reichert schickt seiner Schwester Sophie im November 1918 einen Brief und berichtet davon, dass es ihm "leidlich gut geht". Er schreibt davon, welche Winterbekleidung er bekommen hat: "1 Kopfschützer und Unterjacken, Unterhosen 4 Stück, Fingerhandschuhe und Wadenstrümpfe". Die meisten Karten, die Familie und Freunde an die Reicherts-Söhne schicken sind in Großwenkheim abgestempelt. "Seubrigshausen hatte keine Post", erklärt Erich Fries, dem solche Details als Sammler sofort ins Auge fallen.
Alle kamen wieder heim Das Schicksal hat die Familie Reichert verschont. Alle Söhne kamen nach dem Weltkrieg wieder nach Hause. Klaus-Dieter Guhling konnte im Stadtarchiv noch feststellen, dass Richard Reichert im Jahr 1952 zum Gemeinderat gewählt wurde.
Anders verhält es sich mit der Dokumentation, die Erich Fries über Großwenkheim fertiggestellt hat.
Darin hat er in vielen Details festgehalten, wo die gefallenen Großwenkheimer Soldaten des 2. Weltkrieges im Kriegseinsatz waren und hat, soweit noch vorhanden, von ihnen Sterbebildchen beigefügt. 202 Soldaten wurden an die Front gerufen. 61 kamen nicht mehr zurück. Fünf alleine sind in Stalingrad gefallen.
Erich Fries erzählt, dass er von noch rund 45 Gefallenen Sterbebildchen in den Familien aufbewahrt wurden. Als erster Großwenkheimer fiel im Mai 1940 Willibald Ziegler. Ein Grab eines gefallenen Ortsbürgers hat Erich Fries schon besucht, das von Ambros Balling.
Klaus-Dieter Guhling nahm die beiden Buch-Exemplare dankbar entgegen. Was Erich Fries macht, "ist eine Liebhaberei, die gleichzeitig einen Nutzen für die Gemeinschaft hat", so Guhling. Der Stadtarchivar darf auf weiteren historischen Nachschub hoffen. Derzeit arbeitet Erich Fries schon wieder an einer Dokumentation über Heimkehrer. "Wenn von einzelnen Bürgern der Stadt solche Dokumentationen erstellt werden, ist das besonders wertvoll", stellt Klaus-Dieter Guhling fest.