Die Stadtverwaltung strengte sich an: "Das Rathaus, dazu bestimmt, den Mittelpunkt der geselligen Unterhaltung zu bilden, erfuhr zu Festeszwecken im Innern durchgreifende Veränderungen und legte zugleich eine wesentlich gefälligere Hülle um." Die Unterbringung der Gäste war Chefsache, darum kümmerte sich Bürgermeister Bach zusammen mit Stadtschreiber Fromm. Besonders schwierig war es, jemand für den musikalischen Teil zu finden - "im Städtchen selbst pflegte ohnehin nur ein winziges Häuflein der edlen Kunst; dem aber schien es nicht recht geheuer, sich vor so manchem durch allerlei Kunstgenüsse verwöhnten Ohre zu produzieren".
Beim ersten und zweiten Studiengenossenfest waren die Teilnehmer noch "zu Fuß oder zu Wagen aus allen Richtungen der Windrose" gekommen. Da Münnerstadt ab 1874 per Eisenbahn Anschluss an die große weite Welt hatte, kamen die Gäste nun zum größten Teil mit dem Zug. Sie wurden vom Festausschuss, einer Deputation der Gemeindevertretung, den in Massen erschienenen Einwohnern und mit Böllern begrüßt.
Bummel durch die Stadt
Nachdem das Quartier bezogen war, ging es zum Stadtbummel. "Zweifelnd blickten da und dort zwei bemooste Häupter, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen, einander an, bis sie endlich in dem verwetterten Antlitz die Züge des trauten Jugendfreundes wieder erkannten. Wie dann das Auge freudig aufleuchtete, welcher Jubel losbrach ... Das musste man selbst sehen, beschreiben lässt sich's nicht", berichtet Martin Heid überschwänglich. Gefeiert wurde unter anderem in der Aula des Gymnasiums, über die wir erfahren "dem Eingang gegenüber erhob sich, von purpurrotem Baldachin überschattet, die Marmorbüste seiner Majestät des Königs".
Bei der Begrüßung betonte Studiendirektor Seiz, "das Gymnasium bildet eine große Familie. Hat es seine Söhne großgezogen, geistig geschärft und sittlich veredelt und gestählt, so entlässt es dieselben".
Keine Schülerinnen
Von Töchtern, das heißt von Schülerinnen war damals noch nicht die Rede. Junge Frauen hatten auf dem Gymnasium nichts zu suchen. Er berichtete auch, dass ein Mitschüler, "der einst die Zierde der Anstalt seiner Vaterstadt war und dessen Erscheinen den Feierlichkeiten besonderen Glanz verliehen hätte" nicht teilnehmen konnte, sich aber immerhin per Brief entschuldigte. Es war der königliche Staatsminister und Ministerpräsident Dr. Johann von Lutz, der 1826 in Münnerstadt geboren wurde und tatsächlich ein sehr guter Schüler war.
In vielen Berufen
52 der 186 Teilnehmer am dritten Studiengenossenfest, wie gesagt nur Männer, waren Pfarrer, Patres oder Theologiestudenten. Andere waren Rechtsanwälte, Notare, Ärzte oder Bürgermeister. Aber auch Herrenkleidermacher, Landwirte oder Forstamtsassistenten waren unter ihnen. Den weitesten Weg nach Münnerstadt hatte der kaiserlich russische Gymnasiallehrer Otto Bayer. Er kam aus Dorpat (damals zu Russland, heute Estland). Das Städtchen muss nach den Schilderungen von Martin Heid in den drei Tagen des dritten Studiengenossenfestes wirklich im Ausnahmezustand gewesen sein.