Mit dem Stück "Top Job: Ehemann" bringt das Theater Schloss Maßbach die Geschlechterdebatte auf die Bühne. Die Geschichte von "No Dinner for Sinners" auf den Kopf gestellt und unterhaltsam bis zum Schluss.
Eigentlich könnte der Text so beginnen: wenn alles so gelaufen wäre, wie sich das der Engländer Edward Taylor gedacht hatte, als er 2015 seine Komödie "No Dinner for Sinners" - also: "Kein Abendessen für Sünder" - herausbrachte: "Worum geht es in dem Stück? Jim Watt leitet das Londoner Büro einer amerikanischen Börsenfirma und veranstaltet ein Abendessen für seinen erzkonservativen und fanatisch religiösen Chef Bill McGregor und dessen Frau Nancy. Da Bill das Zusammenleben unverheirateter Paare kategorisch ablehnt, bittet Jim seine Freundin Helen, sich für den Abend als seine Frau auszugeben. Dieser Vorschlag geht voll daneben und Helen lässt ihn wutentbrannt sitzen. Jim steht ohne Ehefrau und ohne Köchin da!
Nachdem er sämtliche Ex-Freundinnen erfolglos abgeklappert hat, bleibt nur eine letzte Option: seine etwas exzentrische Putzfrau Edna würde die Aufgabe gegen eine kleine Gebühr übernehmen. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, als Edna den Kochlöffel schwingt und gleichzeitig die Gäste mit "frommen" Anekdoten unterhält. Im unpassendsten Moment kehrt Helen zurück, um ihm doch als "Ehefrau" zur Seite zu stehen. Ein komisches Missverständnis kommt zum anderen, und verzweifelt versucht Jim, die Situation - und seinen Job - zu retten. Dabei handelt er Lügen und Ehefrauen fast so schnell wie Bill seine Aktien. Das Ende wird natürlich nicht verraten.
Das wäre eine verhältnismäßige Boulevardkomödie mit durchaus geistreichen, aber wenig überraschenden Dialogen. Aber das war den Maßbachern zu wenig, und sie griffen zu einem Trick, der in Zeiten heftiger Geschlechterdebatt*innen nicht unbedingt überraschend, aber höchst wirkungsvoll ist, und drehten die ganze Kiste einfach um. Und mussten fast nichts dafür tun, um die Geschlechterrollen wirkungsvoll aufzubrechen: Chefbörsianerin ist jetzt Helen; ihr Freund Jim ist Hausmann, der aus seinem Rollen- und Selbstverständnis als Mann von einem windelweichen Job als "Familienmodel für Babynahrung" erheblich mehr Selbstbewusstsein als Geld - das wäre genauso verzichtbar - mit nachhause bringt. Und aus Jims Assistentin Terri Pringle wurde Helens Assistent Peter Pringle.
Zusätzliche Würze zum Schluss
Die anderen konnten bleiben, wer sie waren: Helens Zugehfrau Edna Chapman und das Unternehmerehepaar Bill und Nancy McGregor. Der Text erforderte nur ein paar Genus-Anpassungen wie "er" und "sie" und sorgte so noch für zusätzliche Würze des Schlusses. Und noch etwas ist anders, was Dramatik in die Komödie bringt: Jim hat nicht seinen Chef eingeladen, sondern Bill McGregor hat sich bei Helen zum Kontrollbesuch angekündigt, weil er wissen möchte, wie es bei seinen Leitenden Angestellten zu Hause aussieht. Das erhöht den Erwartungsdruck enorm.
Das Spiel mit der Rollenproblematik zeigt schon der Titel des Stückes in zwei Akten (oder vier Szenen). Hieß er bei Edward Taylor noch "No Dinner for Sinners", schrieben Anatol Preissler und Maria Harpner über ihre Übersetzung: "Job-Suey oder Kein Dinner für Sünder" - sicher ein nettes Wortspiel, aber nicht sehr erhellend, sondern eher verwirrend. Die Maßbacher sind ganz vom Originaltitel weggegangen: "Top Job: Ehemann". Der weckt genauso viel Unbehagen wie "Tob Job: Ehefrau". Und genau darum geht es letztlich in dem - für den Zuschauer allerdings höchst vergnüglichen - "Vor-Ehedrama".
Und Augustinus von Loē, der den "Top Job" auf die Maßbacher Freilichtbühne gebracht hat, zielt genau auf diese Rollenerwartungen und Nichteinlösungen - etwa gleich zu Beginn, als Tobias Wollschläger als Jim nervend umständlich versucht, sich ein Babytragetuch nach Gebrauchsanweisung um den Oberkörper zu wickeln. Von Loē muss gar nicht so sehr auf Tempo setzen, weil die Dialoge keine Verschleierung brauchen, vor allem aber, weil die Szenen, in denen jeder zweite Satz gelogen ist, wesentlich authentischer wirken und nicht vorgefertigt. Schließlich wollen gute Lügen überlegt sein. Und so merkt man Tobias Wollenschlägers Jim auch an, dass er, als er wütend wegläuft, weil er nicht den Ehemann spielen will (der er gerne wäre), durchaus, wenn auch zum falschen Zeitpunkt wiederkommt. Denn er ist aus Prinzip und nicht aus moralischer Überzeugung weggelaufen.
Hannah Baus spielt eine höchst zwiespältige Helen als früher unterschätztes Einzelkind, das seine Unterschätztheit in ihr Berufsleben als Managerin mitgenommen hat und den ganzen Tag Computerspiele spielt - und trotzdem nebenbei offenbar einen ausgezeichneten Job macht. Und die nicht nur, als sie einen Freund um den anderen anruft, weil sie einen Ehemann und auch Koch sucht, und nur Körbe bekommt, erkennen muss, dass das Leben nicht nur nach ihren Vorstellungen läuft.