Die Kunst zieht in den Bahnhof ein

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Mia Hochrein hat mit ihren else-Projekten den Grundstein gelegt. Nun soll der Bahnhof ein Gästehaus für Künstler und ein Ort der Begegnung werden. Die Stadt nimmt das Projekt in Angriff, die Behörden stehen voll dahinter. Foto: Thomas Malz
Mia Hochrein hat mit ihren else-Projekten den Grundstein gelegt. Nun soll der Bahnhof ein Gästehaus für Künstler und ein Ort der Begegnung werden. Die Stadt nimmt das Projekt in Angriff, die Behörden stehen voll dahinter. Foto: Thomas Malz

Das denkmalgeschützte Gebäude soll saniert werden. Die beiden Obergeschosse werden durch ein "artist-in-residence"-Programm belegt, im Erdgeschoss soll es unter anderem ein Bistro geben.

"Die Fördergeber sind begeistert, der Denkmalschutz steht voll dahinter", sagt Bürgermeister Michael Kastl. Es sieht also gut aus für das neuste Projekt der Stadt Münnerstadt: "Kulturhaus Münnerstadt mit artists international münnerstadt". Das beinhaltet die Generalsanierung des Bahnhofs der Stadt und Umwandlung in den "Künstlerbahnhof Münnerstadt". Auch wenn das Thema jetzt erstmals öffentlich zur Sprache kam, so ist im Hintergrund schon jede Menge Vorarbeit geleistet worden. Der Stadtrat steht auch einhellig dahinter. "Ich wünsche mir das von Herzen", sagt Künstlerin Mia Hochrein dazu. Sie hatte die Idee und ist damit bei der Stadt, dem Landratsamt Bad Kissingen und beim Landesamt für Denkmalpflege auf offene Ohren gestoßen.

"Es ist ein ganz wichtiges Projekt", leitet Kulturmanager Dr. Nicolas Zenzen die Vorstellung des neusten Vorhabens ein. Zur Kunst und Kultur in Münnerstadt passe es sehr gut, auch ein entsprechendes Nutzungskonzept für den Bahnhof zu finden. Zusammen mit Mia Hochrein und Felix Gantner, Projekmanager Kultur beim Landratsamt, hat Nicolas Zenzen das Konzept erarbeitet. Der Bahnhof gehört der Stadt. Eine Aufwertung des äußeren Erscheinungsbildes als "Visitenkarte" ist dringend nötig. Die Obergeschosse sollen als Gästehaus für Künstler hergerichtet werden, das Untergeschoss soll ein Ort der Begegnung werden.

"artists in residence" ist ein weltweit bewährtes und nachgefragtes Konzept in unterschiedlichen Ausprägungen. Bei der Erstellung des Konzeptes hatten die Akteure den Bedarf ausgelotet. In Deutschland gibt es 29 solcher Gästehäuser für Künstler in den verschiedensten Trägerschaften. Das nächste ist in Bamberg, in Unterfranken ist kein einziges bekannt. Nicolas Zenzen hob die Beschaulichkeit in Münnerstadt hervor, die für Künstler sehr inspirierend sei. Und weil Kunst und Kultur schon jetzt eine große Rolle spielen, entstehe im Bahnhof auch kein Fremdkörper. Kurze Wege, der kulturelle Reichtum, die spannende Historie und die gute Erreichbarkeit mache die Stadt interessant.

Zudem ist Kunst im Bahnhof absolut nichts Neues. Nach dem Kunstprojekt "else!" im Jahr 2013 in der Marienanstalt fand von April bis August 2018 "else!2" im Bahnhofsgebäude mit zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern aus Deutschland und Europa statt. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass zeitgenössische Kunst sehr gut ankommt in Münnerstadt", betont Nicolas Zenzen.

Gewinn für die Gäste und die Stadt

Dabei wäre "artists in residence" ein Gewinn für die Gäste und die Stadt. Die Künstler arbeiten fernab des Alltags in einer inspirierenden Umgebung, es gibt einen Austausch internationaler Gäste und einen Austausch mit einheimischen Künstlerinnen, gute Verkehrsanbindung und günstigen Lebensunterhalt. Münnerstadt schärft das Profil als Stadt der Bildung und Kultur. Es ist eine Leerstandsbelebung, das kulturelle Leben wird bereichert, die Stadt vernetzt sich mit der bundesweiten und internationalen Szene, es sind Kooperationen mit Schulen und sozialen Einrichtungen möglich und die Attraktivität für Bewohner und Touristinnen wird gesteigert.

Kommen können professionelle Künstler aller Sparten, die sich bewerben müssen. Sie bleiben mindestens einen Monat und bekommen kostengünstig Wohn- und Arbeitsräume zur Verfügung gestellt. Am Ende ihres Aufenthaltes geben sie Einblicke in ihre Arbeit. Verpflegung und Anreise tragen sie selbst. Möglich ist auch die Vergabe von Stipendien.

Die vier Wohnungen in den beiden Obergeschossen können weitgehend so erhalten bleiben, es entstehen Wohn-, Gemeinschafts- und Arbeitsräume. Die Veranstaltungsräume im Erdgeschoss sind flexibel nutzbar für Workshops, Ausstellungen und Vorträge. Dazu soll ein Bistro oder Café entstehen. Das könnte das Dominikus-Ringeisenwerk als Inklusionsprojekt betreiben. Geklärt werden müssen noch die Trägerschaft, die Rechtsform und die Struktur, so Nicolas Zenzen.

Es seien im Vorfeld viele Gespräche geführt worden, sagt Michael Kastl dazu. Er erinnert daran, dass in der Nähe der neue Campus des Dominikus-Ringeiswerkes entsteht, es sei eine barrierefreie Verbindung bis zum Bahnhof möglich. Zudem sei eine Bahnhof das Aushängeschild einer Stadt und immer mehr Menschen werden künftig die Bahn nutzen. So beschloss der Stadtrat einstimmig, das Vorhaben weiterzuverfolgen und die notwendigen Schritte einzuleiten.

Sie selbst hat auch schon an solchen Künstleraufenthalten teilgenommen und kehre immer wieder an diese Orte zurück, sagt Mia Hochrein. "Künstler, die nach Münnerstadt kommen, wollen ganz bewusst aufs Land." Der Bahnhof sei das Aushängeschild für Aussteigende und Vorbeifahrende. "Im Vorbeifahren bewertet man eine Stadt." Die geplante Sanierung sei aber nur ein Part, die Künstler kommen wieder und sie kaufen auch hier ein, ist sie überzeugt. "artists in residence" im Bahnhof sei einfach folgerichtig nach den bisherigen Erfahrungen. Jetzt müsse man Schritt für Schritt voranschreiten.

Kommentar

von Thomas Malz

Kunstvoller Bahnhof

Mir geht es genauso wie Künstlerin Mia Hochrein. Wenn ich mit dem Zug unterwegs bin und an einem abgewrackten Bahnhof vorbeikomme, verspüre ich wenig Lust, den Ort hinter dem Bahnhof kennenzulernen. Für andere Menschen trifft sicher genau das auf Münnerstadt zu. Ein runtergekommenes Gebäude mit einem wenig ansprechenden Umfeld verschreckt die Gäste, tatsächliche und potenzielle. Ein trostloses Bild.

Jetzt stelle ich mir den Durchreisenden vor vier Jahren vor: Beim else!2-Projekt findet gerade der Triathlon statt. Bei einer Disziplin müssen die Teilnehmer eine Runde um den Bahnhof rennen, sich dann eine Bommeljacke anziehen und einen Zug ansagen. Ein geschmücktes Gebäude mit vielen Menschen darum, die verrückte Dinge machen. Sicher, der ein oder andere Durchreisende hat sich sicher gesagt, dass in Münnerstadt 'ne Menge Bekloppte wohnen, und damit lag er oder sie noch nicht einmal so falsch. Weil aber die allermeisten ganz liebenswerte Bekloppte sind, die tolle Ideen haben und sie auch umsetzen, gibt es solche Events erst überhaupt. Und genau das ist es, was Münnerstadt so besonders macht. Kunst und Kultur hatten schon immer einen besonderen Stellenwert. Beispiele dafür gibt es genug. Den denkmalgeschützten Bahnhof in ein Gästehaus für Künstler und einen Ort der Begegnung zu verwandeln, passt zu Münnerstadt wie die berühmte Faust aufs Auge. Besonders schön daran ist, dass der komplette Stadtrat und die verantwortlichen Behörden voll dahinter stehen. Und so sieht es richtig gut aus, für "artists international münnerstadt". In ein paar Jahren sehen Bahnfahrende ein sanierte Gebäude, in dem Künstler residieren. Die historische Bausubstanz verschmilzt mit zeitgenössischer Kunst. Dann ist Münnerstadt um ein weiteres einzigartiges Projekt reicher.