Die Katastrophe blieb nicht aus

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Eddi und Kalli gehören zu den zahmen Katzenkindern, die sich auf ein neues Zuhause freuen. Fotos: Thomas Malz
Eddi und Kalli gehören zu den zahmen Katzenkindern, die sich auf ein neues Zuhause freuen.  Fotos: Thomas Malz
Mamma Sophie passt auf Sohn Sam auf.
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Sunny lässt es sich gut gehen.
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Die jährliche Katzenschwemme im Tierheim Wannigsmühle kam heuer zwar später, aber dafür mit aller Macht. Die Mitarbeiter sind verzweifelt.

Sie hatten es so gehofft, aber der Kelch ist nicht an ihnen vorüber gegangen. "Im Mai und Juni war es noch relativ ruhig", sagt Ursula Boehm, Leiterin des Tieheims Wannigsmühle. "Wir haben gedacht, vielleicht greifen die von uns freiwillig geleisteten Tierschutzmaßnahmen." Damit meint sie die Kastration von verwilderten, frei lebenden Katzen. Im Juli und den ersten Augusttagen sind aber so viele Katzen abgegeben worden, dass sämtliche Hoffnungen erloschen sind. Und deshalb denken die Tierheimmitarbeiter sogar darüber nach, ihre seit Jahrzehnten geleistete freiwillige Kastrationsarbeit einzustellen und sich ausschließlich auf die Aufnahme und Verwahrung von Tieren zu konzentrieren, so wie es in den Verträgen mit den Kommunen steht.


Schon 200 Katzen

Die Verzweiflung ist Ursula Boehm anzumerken. "Wie viele Katzen haben wir?", fragt sie Mitarbeiterin Christina Wirsching. "186 ohne die, die heute reingekommen sind", lautet die Antwort. "Dann sind es jetzt schon 200", stellt die Leiterin fest. Das ist absolute Obergrenze. Neulich habe sie einen Anruf aus Thüringen bekommen. Die Dame am Telefon hat sie gefragt, ob sie ihre Katze aufnehmen kann, weil das zuständige Tierheim mit 40 Katzen überfüllt sei. "Das sind ja paradiesische Zustände", findet die Tierheimleiterin.


Nicht einsperren

Es ist nicht nur die Zahl der Katzen, die ihr Sorgen bereitet. Zunehmend werden Katzenfamilien eingefangen, die halb verwildert sind. "Die kann man nicht einsperren, die leiden immens und das verstößt gegen das Tierschutzgesetz." Außerdem sei die Verabreichung von Medikamenten schier unmöglich, erfordere einen gigantischen Zeitaufwand.


Mit einer fängt es an

"Es geht immer los mit einer frei lebenden Katze, die durchgefüttert wird", schildert Ursula Boehm das Problem. "Plötzlich sind es zwei, drei Generationen und es wird den Leuten zu viel. Und dann rufen sie im Tierheim an." Diese halb verwilderten Katzen müssen erst einmal eingefangen werden. "Wir haben weder das Personal noch die Zeit, alle Katzen einzufangen." Eine Mitarbeiterin sei seit Wochen ausschließlich mit der Betreuung der Fangstellen beschäftigt.
"Ohne freiwillige Helfer, die die Fallen aufstellen und die Katzen dann ins Tierheim bringen, würde es gar nicht gehen." Sind die Katzen erst einmal gefangen, werden sie in der Wannigsmühle kastriert. "Den Tierarzt müssen wir bezahlen", räumt Ursula Boehm mit einem Vorurteil auf.


Nicht vermittelbar

Das alles habe nichts mit Fundtieren im Rahmen der Verträge mit den Gemeinden zu tun. "Unsere Aufgabe ist die Aufnahme und Verwahrung von Fundtieren, nicht die flächendeckende Kastration von Katzen." Noch dazu seien diese Tiere überhaupt nicht für die Wannigsmühle geeignet, weil sie nicht eingesperrt werden dürften. Und: "Uns gelingt die Vermittlung von niedlichen, verschmusten Katzen, aber nicht die von fauchenden Ungeheuern." Die seien praktisch nicht vermittelbar. Wenn die Mitarbeiter nicht die Möglichkeit hätten, ab und zu ein paar Katzen an andere Tierheime abgeben zu können, die eigentlich die gleichen Probleme haben, würde gar nichts mehr gehen. Natürlich wäre es eine Möglichkeit, diese halb verwilderten Katzen als Freigänger im Tierheim zu belassen. Aber auch da seien die Kapazitäten erschöpft. "Wir haben schon 80 Freigänger."


Kiste einfach abgestellt

Die Mitarbeiter haben auch heuer die ganze Palette von Vorkommnissen erlebt wie in den Vorjahren. Dazu zählt das nächtliche Abstellen von Katzenbabys in seiner Kiste vor dem Tierheim ebenso, wie die Abgabe von angeblich eingefangenen Katzenkindern, die aber auf wundersame Weise ganz zahm sind. "Ganz einfach, weil es der Nachwuchs der eigenen Katze ist." Ursula Boehm nennt Beispiele von regelrechten Katzenkolonien, die offensichtlich durchgefüttert werden. "Das alles ist krank." Sie amüsiert sich über diverse Fernsehsendungen, in denen fünf Leute um ein Telefon sitzen und warten, bis jemand anruft, um ein Tierproblem zu melden, wonach dann alle losstürmen. "Die Realität sieht anders aus, es läuft nicht wie im Fernsehen."
Weil die Bemühungen offensichtlich wenig Erfolg bringen, überlegen die Verantwortlichen in der Wannigsmühle, ob sie das Abholen und Kastrieren von halb verwilderten Katzen weiter führen können. "Es kostet viel Arbeitsaufwand und Geld, aber unsere Arbeit wird eh immer unterschätzt", stellt die Leiterin resigniert fest.
Immer wieder wird sie mit Anspruchsdenken konfrontiert. Viele Leute denken, es gibt Zuschüsse und staatliche Unterstützung. "Aber so ist das nicht." Sie ärgert sich auch über Katzenliebhaber, die versuchen, die von ihnen betreuten Samtpfoten über das Tierheim kostenfrei kastrieren zu lassen. "Wenn ich Verantwortung für ein Tier übernehme, dann auch mit den Kosten für die medizinische Behandlung, die die Kastration beinhaltet."


Und wieder ein Appell

So lange es in Bayern keine Kastrationspflicht gibt, kann Ursula Boehm nur ein weiteres Mal einen Appell an alle richten, frei laufende Katzen kastrieren zu lassen. Und das betreffe auch die Kater, die zwar keinen Nachwuchs mit heim bringen, aber für solchen in der Nachbarschaft sorgen.
Tierfreunde können das Team der Wannigsmühle auch auf andere Weise unterstützen. "Ganz aktuell brauchen wir Kitten-Nassfutter." Sehr dankbar wären sie, wenn ihnen Stellen genannt werden, so sie halb wilde (kastrierte) Katzen wieder auswildern können. Sie müssten lediglich gefüttert werden uns sollen einfach leben dürfen. Die Leiterin denkt da vor allem an Bauern- und Reiterhöfe.


630 Katzen vermittelt

Dringend benötigt werden wie immer Geldspenden für die ärztliche Behandlung der Schützlinge. "Und wir brauchen natürlich auch Interessenten, die sich ein Tier anschaffen wollen und denen bewusst ist, welche Verantwortung sie übernehmen." Denn es gibt in der Wannigsmühle neben den halb wilden Katzen auch etliche verschmuste, schnurrende Samtpfoten in jedem Alter und in jeder Farbe. Im letzen Jahr sind vom Tierheim 630 Katzen vermittelt worden.


Am Sonntag Sommerfest

Bei allem Ärger freuen sich die Mitarbeiter aber nun auf das alljährliche Sommerfest, das am Sonntag, 6. August, ab 11 Uhr in der Wannigsmühle stattfindet. Abgegeben werden an diesem Tag aber keine Tiere.