Münnerstadt: Bei Remog gehen die Lichter endgültig aus

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Es wird dunkel bei Remog in Münnerstadt. Zum 1. Februar schließt das Unternehmen. Eine Remog-Produktion wird es dann nur noch in Polen geben.Heike Beudert
Es wird dunkel bei Remog in Münnerstadt. Zum 1. Februar schließt das Unternehmen. Eine Remog-Produktion wird es dann nur noch in Polen geben.Heike Beudert

Für die Firma Remog in Münnerstadt beginnen die letzten Tage ihres Bestehens. Zum 31. Januar schließt das örtliche Traditionsunternehmen. Betriebsgebäude und -gelände des Unternehmens stehen bereits zum Verkauf. Einen Sozialplan gibt es immer noch nicht.

12 686 Quadratmeter Industriegelände in elf Hallen und Gebäuden sowie eine Grundstücksfläche von 32 077 Quadratmetern: Im Internet ist nachzulesen, was die Remog-Liegenschaft bietet. Ein Verkaufspreis ist nicht genannt. Hinter diesen nüchternen Zahlen verbirgt sich das Ende eines früheren wirtschaftlichen Aushängeschildes und Standbeines in Münnerstadt. Wer im Internet nach der Firma googelt, landet bereits bei der polnischen Remog-Tochter. Die verbliebenen Mitarbeiter hoffen derweil, dass es bald einen Sozialplan mit Abfindungen geben wird.

Geschäftsführer und Gesellschafter Wilfried Müller bestätigt, was schon seit rund einem Jahr bekannt ist: Zum 1. Februar ist zu. Die Abwicklung des Unternehmens läuft bereits seit Monaten. Die Produktion für die Luftfahrttechnik wurde komplett eingestellt. Sie werde auch - wie viele vermuten - nicht in der polnischen Tochter Remog Poska weitergeführt, erklärt Wilfried Müller.

Wenn nach dem 1. Februar bei Remog Münnerstadt endgültig die Lichter gelöscht sind, geht das Ausräumen weiter. Wilfried Müller erklärt, dass über einen Auktionator der restliche, verbliebene Maschinenpark verkauft werde. Das werde sich wohl noch einige Monate hinziehen. Darüber, ob es bereits Interessenten für die Münnerstädter Remog-Liegenschaft gibt, möchte Wilfried Müller nicht sprechen.

Weil die Immobilie in der Reichenbacher Straße verkauft werden soll, mietet die Remog Verwaltung GmbH ein Büro in der Münnerstädter Innenstadt an, mitten am Marktplatz im Anwesen Behrschmidt, bestätigt Wilfried Müller bereits kursierende Gerüchte. Die Verwaltungs GmbH verwaltet die Remog-Beteiligungen. Auch nach der Schließung des Münnerstädter Betriebs müssen zum Beispiel IT-Dienstleistungen bereit gehalten werden, unter anderem deshalb, weil die Firma auf in Münnerstadt produzierte Teile eine Garantie geben muss. Bei Kundenanfragen und -problemen müsse es Zugriff auf die entsprechenden Gewährleistungen geben, erläutert Wilfried Müller.

Zu einem möglichen Sozialplan für die Mitarbeiter gibt es derzeit von Wilfried Müller die Aussage, dass die Verhandlungen dazu laufen. Auf die Frage, wie er die Schließung des Betriebes sieht, erklärt Wilfried Müller: "Ich bin 75, ich wollte mal in Rente gehen". Er verweist jedoch darauf, dass er sich zu diesem Schritt erst entschlossen habe, als ein Interessenausgleich mit Betriebsrat und Gewerkschaft zum geplanten Abbau von Arbeitsplätzen im Januar 2019 endgültig gescheitert war.

Der 1. Bevollmächtigte der IG-Metall in Schweinfurt, Peter Kippes, bestätigt die Verhandlungen über den Sozialplan. Diese laufen bislang nur sehr schwerfällig. Die von der IG-Metall geforderte Summe für den Sozialplan sei von Unternehmerseite nicht akzeptiert worden. "Es ist kein unsittliches Angebot", versichert der Gewerkschaftsvertreter. Die IG Metall ihrerseits hat das bisherige Angebot der Unternehmensleitung als deutlich zu niedrig eingestuft. Die Gewerkschaft hofft jetzt auf ein neues Angebot von Wilfried Müller.

In den Verhandlungen um den Sozialplan stehen nun die nächsten Schritte an. Wenn es keine neuen Angebote gibt, wird sich das Verfahren wohl noch mindestens bis zum Sommer hinziehen, schätzt Kippes.

Verhandelt wird für rund 70 Mitarbeiter, auch für diejenigen, die im Laufe der vergangenen Monate eine neue Arbeit gefunden haben. Laut Auskunft von Peter Kippes müsse es einen Sozialplan geben. Dazu müssen aber Bilanzen und das Unternehmensvermögen geprüft werden. Nur wenn Insolvenz angemeldet wird, würde der Sozialplan entfallen, erläutert Kippes. In diesem Fall würde die Belegschaft aber leer ausgehen.

Zwei Drittel der verbliebenen Remog-Mitarbeiter werden in die Arbeitslosigkeit gehen, erklärt Peter Kippes. Das trifft vor allem die langjährigen Beschäftigten ab Mitte 50. Deren Chancen stünden durch die sich verschlechternden Wirtschaftsprognosen derzeit nicht sehr gut, eine adäquate Anstellung zu finden. Für sie sei es besonders wichtig, dass der Arbeitsplatzverlust durch einen Sozialplan zumindest etwas abgemildert wird.

Mehr als 300 Mitarbeiter waren zu den besten Zeiten des Unternehmens in den 1980er Jahren beschäftigt. Die, die noch da sind, gehören dem Unternehmen meist seit Jahrzehnten an. Rainer Wachtel zum Beispiel hat nie irgendwo anders gearbeitet. 1974 fing er als Azubi bei Remog an. Er hatte gedacht, dort bis zur Rente arbeiten zu können.

Für den 60-jährigen wird es jetzt wohl in die Arbeitslosigkeit gehen. Große Chancen, anderswo Arbeit zu bekommen, rechnet er sich derzeit nicht aus. Rainer Wachtel ist nicht nur traurig, sondern auch wütend, nicht nur auf die Unternehmensleitung, sondern auch auf die Politik. Er kann nicht verstehen, dass die EU hohe Fördermittel dafür gibt, dass in einem Betrieb massiv Arbeitsplätze abgebaut werden, um dann in Polen in einem Tochterunternehmen neue, billigere Arbeitsplätze aufzubauen. So sei es bei Remog geschehen. Die Qualität der Arbeit sei immer gut gewesen, betont Rainer Wachtel. Die Fertigung hochwertiger Flugzeugteile sei keine Nullachtfünfzehn-Produktion gewesen. Die Mitarbeiter hätten viel Verantwortung gehabt. "Und man war stolz darauf", sagt Wachtel.

Info: Nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist ein Sozialplan eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge von geplanten Betriebsänderungen entstehen. Ein Sozialplan kommt aber auch zustande, wenn der Spruch der Einigungsstelle den Sozialplan ersetzt. Betriebsänderungen ab einer gewissen Größenordnung lösen die Verpflichtung des Arbeitgebers aus, den Betriebsrat zu informieren, mit ihm einen Interessenausgleich zu suchen und einen Sozialplan zu errichten (Quelle: Wikipedia).