Die Zahl der Teilzeit- und Mini-Jobs im Landkreis Bad Kissingen ist hoch. Vor allem Frauen arbeiten "atypisch". Arbeitsagentur und Gewerkschaften warnen vor Altersarmut.
"Altersarmut ist besonders für Frauen ein großes Problem", sagt Peter Schönfelder von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Schweinfurt. "Vor allem, wenn sie nur in Teilzeit oder Mini-Jobs arbeiten."
Eben diese Beschäftigungsverhältnisse haben im Landkreis Bad Kissingen zugenommen, laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Während sich die Zahl der regulär Beschäftigten seit zwölf Jahren relativ konstant um die 30 000 bewegt, gibt es zunehmend mehr Teilzeit-Verträge: Vor zehn Jahren waren es noch 5800, inzwischen sind es 9500. Zwei Drittel der Teilzeitstellen werden von Frauen besetzt. Auch in den 10 300 geringfügigen Beschäftigungen ("Mini-Jobs") arbeiten hauptsächlich Frauen (rund 7000, davon 5000 ausschließlich im Mini-Job). Bei den Vollzeitstellen liegt der Frauenanteil hingegen nur bei 34 Prozent.
Aufgrund der Studie warnt die Gewerkschaft für Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) in Unterfranken vor einer "neuen weiblichen Armut". Der Anteil von Frauen in atypischen Beschäftigungen ist im Landkreis mit 80 Prozent vergleichsweise hoch, der bundesweite Durchschnitt liegt bei 60 Prozent. "Die Entwicklung zeigt, dass etwas im Argen liegt", sagt NGG-Geschäftsführer Ibo Ocak. "Frauen, die ihr Leben lang in prekären Jobs gearbeitet haben, bleibt nur eine Mini-Rente." Hinzu kämen häufig geringere Beiträge durch Elternzeit. "Die Folge ist Altersarmut.", so Ocak. Deshalb fordert die NGG eine deutliche Umkehr auf dem heimischen Arbeitsmarkt. "Frauen brauchen mehr reguläre Stellen. Weniger Stunden zu arbeiten muss ihre freie Entscheidung sein", sagt der Gewerkschafter. Seine Forderungen bespreche er sowohl regional als auch bundesweit mit der SPD, den Grünen und der Linken, um der Entwicklung auch politisch entgegen zu steuern.
Peter Schönfelder von der Agentur für Arbeit bestätigt, dass es viele Frauen gibt, die lieber eine Vollzeitstelle hätten. Zwar sei dies kein sehr ausgeprägtes Phänomen, doch besonders im Verkauf und der Gastronomie häuften sich die Fälle. "Die Arbeitgeber haben ihre Angestellten leider gerne auf Abruf bereit", sagt Schönfelder. Gerade nach der Kindererziehung werde es schwer für Frauen, wieder regulär zu arbeiten. "Und Mini-Jobs sind Gift, die zählen fast nichts für die Rente."
Entwicklung der Mini-Jobs
Laut einer Studie der Knappschaft Bahn See sind aber auch positive Entwicklungen zu verzeichnen. Die reine Zahl der Mini-Jobs ist zwar leicht gestiegen, doch fließen seit rund zehn Jahren auch Tätigkeiten in Privathaushalten mit in die Statistik ein. Sie wurden damals gefördert, "um die vermutete hohe Anzahl illegaler Beschäftigungen einzudämmen", heißt es in der Studie. Die größte Altersgruppe bei den Mini-Jobbern sind Menschen, die über 65 Jahre alt sind und ihre Rente aufstocken wollen. Darunter wieder größtenteils Frauen, zunehmend aber auch Männer.
Freiwillig in Teilzeit
Viele Menschen, die die BA aufsuchen, entscheiden sich auch freiwillig für Teilzeit oder Mini-Job. Der Großteil von ihnen ist verheiratet. Laut Schönfelder wird dabei aber oft zu kurz gedacht. "Da Scheidungen immer häufiger werden, wird es für viele Menschen nach der Trennung plötzlich problematisch", sagt er. "Wie viele Menschen freiwillig in Teilzeit arbeiten und wie viele lieber eine Vollzeitstelle hätten, lässt sich leider nicht zählen", meint Schönfelder.
Beispiele
Mini-Job: 260 Euro Rente bekommt eine 46-jährige Person , die nach zwei Jahren Ausbildung und zwei Jahren Kindererziehung nur noch in Mini-Jobs zum Höchstsatz von 450 Euro beschäftigt wird. Bei einer Inflationsrate von zwei Prozent jährlich blieben davon 170 Euro übrig.
Teilzeit: 750 Euro im Monat kann eine heute 30-Jährige Teilzeitarbeiterin in etwa erwarten, wenn sie noch weitere 37 Jahre arbeitet. Inflationsbereinigt sind es 370 Euro. Die Frau im Beispiel hat seit ihrem siebzehnten Lebensjahr in Teilzeit (30 Stunden/ Woche) gearbeitet. Vor 2015 für 6,50 Euro, seit der Einführung des Mindestlohns für 8,50 Euro. Für die Erziehung ihres Kindes nahm sie sich ein Jahr Elternzeit.
Quelle: http://www.brutto-netto-rechner.info/rente.php