Eine neue Generation von Drogen kann man in wenigen Sekunden online bestellen, aber niemand weiß, was drin ist. "Legal Highs" erleben auch in der Region derzeit einen Boom.
Sibylle Burgal aus Kleinbrach ist eine von 50 Müttern und Vätern, die sich in Bad Bocklet über so genannte Legal Highs informiert haben. Ihr Kind ist zehn Jahre alt und in der 5. Klasse. "Ich kenne mich halt so gar nicht aus mit diesen neuen Drogen", sagt sie zu Beginn des Abends. Zwei Stunden später ist sie entsetzt, wie einfach man an die Drogen kommt und dass der Staat so wenig unternimmt: "Ich kann nicht verstehen, dass man die nicht verbieten kann", sagt sie und
schüttelt den Kopf.
Der Abend beginnt mit einem Experiment: Kidro-Streetworker Christian Fenn bestellt auf einer der mittlerweile 700 Internet-Seiten ein buntes Tütchen, das höchsten Rausch bei geringsten Nebenwirkungen verspricht. Nach 30 Sekunden ist alles über die Bühne, lediglich den Bezahl-Vorgang lässt er weg, damit die Lieferung nicht wirklich ankommt.
"Geschickt aufgemacht" Die Drogen kommen zum Teil schon nach einem, spätestens nach zwei Tagen in unauffälligen Brief-Umschlägen. "Der Dealer steht nicht mehr in einer dunklen Ecke", verweist der Streetworker darauf, dass durch den Online-Vertrieb ein erstes Hemmnis wegfällt: "Es fehlt der Touch der Illegalität."
Und so geht es weiter: "Das Ganze ist unheimlich geschickt aufgemacht." Bunte
Tütchen, peppige Namen, künstliche Aromen, verharmlosende Werbetexte auf den Internet-Seiten. Die Realität sehe jedoch anders aus: "Niemand weiß genau, was da drin ist, selbst die gleichen Produkte enthalten oft andere Inhaltsstoffe." Die Kräuter seien nur Trägersubstanz, der eigentliche synthetische Wirkstoff werde untergemischt.
"Wir beobachten gerade eine massive Zunahme im Landkreis", berichtet Christian Fenn aus seiner Arbeit.
Es beginne mit harmlosen Anzeichen wie Leistungsabfall in der Schule oder auf der Arbeit, zum Teil folgen Angriffe gegen Eltern und Freunde, schließlich die Einweisung in die Notaufnahme oder sogar die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Laut Fenn meiden sogar Heroinabhängige Legal Highs, weil sie die Wirkung nicht einschätzen können.
"Jede Sucht todesriskant" "Die Naivität ist riesig", ergänzt Polizist Swen Faulstich. Oft werde die Wirkung verharmlost, und dass auch legale Substanzen, die berauschen, fahruntüchtig machen, und der Führerschein ganz schnell weg ist, werde verdrängt. "Jede Sucht ist todesriskant", betont Rainer Müller vom Staatlichen Gesundheitsamt.
Die größte Suchtgefahr hat aus seiner Sicht, wer nie gelernt hat, mit Herausforderungen umzugehen, wem die "Lebenskompetenz" fehle. Eltern sollten ihre Kinder deshalb begleiten und aufmerksam bleiben. "Kinder müssen das Gefühl haben, etwas bewirken zu können", rät er deshalb, und: "Wecken Sie in Ihren Kindern die Begeisterung für das Leben!"
Legal Highs und Prävention Begriff
"Legal Highs" enthalten unbekannte berauschende Substanzen, die noch nicht im Betäubungsmittelgesetz gelistet, also noch nicht verboten sind. Unterschieden werden so genannte Upper, die wie Ecstasy oder Kokain aufputschen, und Downer, die wie Marihuana oder Haschisch "chillig" wirken. Das erste Legal High war 2004 die Kräutermischung "Spice", die erst nach fünf Jahren verboten wurde.
Seitdem kommen immer neue Abwandlungen auf den Markt, die als "Badesalz", "Lufterfrischer" oder "Räuchermischung" verkauft werden.
Termine Info-Abende zu Legal Highs gibt es am 15. April im Münnerstädter Gymnasium und am 29. April in der Bad Kissinger Realschule. Veranstalter ist der Arbeitskreis Prävention, in dem sich Institutionen zusammengeschlossen haben, die mit Süchtigen arbeiten, wie Kommunale
Jugendarbeit, Gesundheitsamt, Schulen, Polizei sowie die Vereine Pro Jugend und Kidro.
Beratung Persönliche Beratung bieten die Caritas, Tel.: 0971/ 72 4629, das Gesundheitsamt, Tel.: 0971/ 71650 und Kidro, Tel.: 0170/ 852 5180.