Landtagsmitglied Sandro Kirchner (CSU) positioniert sich gegen das umstrittene Vorhaben, die Rhön habe andere Chancen.
Lange haben viele Politiker sich nicht eindeutig positioniert, was ihre Meinung zum Nationalpark Rhön angeht. Sandro Kirchner, Landtagsabgeordneter der CSU, hat sich nun im Gespräch mit der Redaktion öffentlich festgelegt.
Herr Kirchner, wie stehen Sie zum möglichen Nationalpark Rhön?
Sandro Kirchner: Ich bin dagegen. Ich sehe nicht die absolute Notwendigkeit für einen Nationalpark in der Rhön. Wir haben auch ohne den NP3 viele Chancen aus naturschutzfachlicher und touristischer Sicht.
Ist es nicht eher so, dass Sie sich nach dem vergangenen Freitag und dem immensen Protest der Gegner positionieren?
Ich habe mich intern schon sehr lange gegen den NP3 in der Rhön ausgesprochen. Aber es ist richtig: Ich wollte die Versammlung auf dem Kreuzberg und die jüngste Sitzung in Stangenroth noch abwarten.
Wie haben Sie die Stimmung in Stangenroth erlebt?
Sehr emotional.
Hat Sie das erschrocken?
Erschrocken nicht, eher beeindruckt, wer da alles auf die Straße gegangen sind. Auch, dass sich so viele junge Leute positioniert haben. Und ich muss sagen, dass mir der Sprechchor: ,Wir sind die Rhön" unter die Haut ging.
Jetzt sagen Sie öffentlich, dass Sie gegen das Herzensprojekt Ihres Ministerpräsidenten sind. Fürchten Sie Horst Seehofers Zorn?
Ich glaube, Sie haben ein falsches Bild von Horst Seehofer. Man darf seine Meinung immer sagen und sich mit ihm austauschen. Horst Seehofer hat die Umweltministerin Ulrike Scharf gebeten zu prüfen, wo in Bayern Platz für einen dritten Nationalpark ist - das ist keine Doktrin.
Oder ist es der Wunsch, Umweltschützer als CSU-Wähler zu generieren?
Im Gesamtbild geht es darum die Natur in Bayern weiterzuentwickeln.
Warum sind Sie nun dagegen?
Der Streit um den Nationalpark wird unsere Heimat spalten. Er wird Familien, Dörfer, die Gesellschaft spalten. Und da frage ich mich: Ist der vermeintliche Nutzen eines Nationaparks wirklich so groß, als dass wir das riskieren können? Wir sind bereits jetzt eine Chancenregion, wir haben mit 2,5 Prozent Arbeitslosigkeit in den Landkreisen Rhön-Grabfeld und 3,1 in
Bad Kissingen. Und in Sachen Umwelt wird bei uns sehr viel getan.
Mit der Absage des NP3 in der Rhön verlieren Sie die Aussicht auf eine Menge Geld. 10 Millionen Euro hat die Staatsregierung in Aussicht gestellt - pro Jahr!
Nun ja. Da sollte man differenziert herangehen. Ja, es sollen 100 neue Jobs geschaffen werden - aber die Personalkosten sind ja auch nicht ohne. Und dazu kommen Fixkosten für den Unterhalt von Immobilien und Infrastruktur.. Man sollte sich vor Augen halten, dass ein erheblicher Anteil, der stetig wächst, für Verwaltungskosten verwendet werden wird. Und: Wir haben jetzt eine funktionierende Forst- und Holzwirtschaft, die entgegen einer Verwaltung Geld verdient und dadurch mit Sicherheit mehrere 100 Arbeitsplätze für die Region bietet.
Sie meinen, dass da von einer Tasche in die andere gewirtschaftet wird?
Wenn überhaupt. Und sozialpolitisch gesehen ärgert mich auch das Arbeitsplätze-Schach, das hier mit den Mitarbeitern der Forst- und Holzwirtschaft gespielt wird.
Lassen Sie uns über die Natur reden. Sie meinen, der Rhöner schützt die Natur bereits jetzt genügend.
Ja. Denn: Bayern ist Netto-Holzimporteur. Es kann nicht sein, dass wir noch mehr Holz aus Weißrussland beispielsweise importieren. Das Holz dort kommt aus Primärwäldern, da geht es nur um das Geld. Es ist besser, hier in Deutschland die Nachhaltigkeit in der Holzwirtschaft zu pflegen. Das ist mit dem Waldgesetz abgesichert
Aber wir reden von gerade einmal einem Prozent Holznutzung im Staatswald in der Rhön, verglichen mit der Waldfläche in Deutschland.
Aber in der Rhön wären es prozentual deutlich mehr und in der Summe in ganz Bayern und Deutschland sind es beachtliche Flächen die bereits jetzt schon aus dem Prozess genommen worden sind. Das sollten wir uns in der Gesamtbetrachtung der Nachhaltigkeit und als oberste Prämisse vor Augen führen. Dazu kommt, dass Experten der Meinung sind, die Rhön eigne sich nicht zum Nationalpark durch ihren Flickerteppich - das kam bei einer Expertenanhörung im Landtag heraus und wird darüber hinaus von Verbänden wie etwa Greenpeace oder dem WWF flankiert. Aber der naturschutzfachliche Aspekt ist in der öffentlichen Diskussion immer weiter in den Hintergrund gerückt.
Wie meinen Sie das?
Kaum einer redet mehr davon, was wir in der Rhön schon für die Natur tun. Es wurde ein Naturpark ins Leben gerufen, 1991 kam das Biosphärenreservat (BSR) dazu, 2014 wurde es erweitert.
Kann es sein, dass hier Fehler gemacht wurden: Dass das, was die Rhön zu bieten hat, noch nicht das Pfund ist, mit dem die Tourismusbranche wuchern sollte?
Fehler nicht, aber es gab bislang nicht die richtige Struktur. Deshalb bin ich froh, dass mit unserem Landrat und dem Kreistag nun eine Bündelung und Zusammenfassung des Rhön-Tourismus definiert worden ist.
Stichwort Rhön GmbH?
Richtig. Da sehe ich noch ein großes Potenzial einer sanften touristischen Entwicklung. Allein der Landkreis Bad Kissingen besteht zu zwei Dritteln aus Flächen, die in irgendeiner Art und Weise mit dem Naturschutz in Verbindung stehen: Kernzone, Natura 2000 oder FFH-Gebiet. Und schon jetzt gibt es im Staatswald Naturreservate, Naturdenkmäler, sogenannte Klasse I-Wälder und Totholzkonzepte wie im Nationalpark - weiß nur kaum einer.
Hat hier nicht vielleicht auch die Politik geschlafen, weil es nicht transportiert wurde?
Das würde ich nur sagen, wenn ich in der Opposition wäre. Im Ernst: Das ist auf der Internetseite der Staatsforsten deutlich aufgezeigt und in dem Bereich hat sich schon viel in der Rhön getan. Als Politiker versuche ich, das zu flankieren. Und einen NP3 brauchen wir dazu in der Rhön nicht.
Sind Sie ein Verhinderer?
So sehe ich mich nicht. Denn ich biete eine Lösung an.
Ja?
Wir haben drei Interessensgruppen: Die, die mehr Natur schützen möchten, die, die mehr Touristen haben möchten und die, die alles so lassen möchten, wie es ist. Wir können die Diskussion um den NP3 auch als großen Werbeblock für das Biosphärenreservat sehen. Das wurde 2014 erweitert - und da gab es Versprechungen, die leider bis heute nicht umgesetzt wurden.
Welcher Art?
Zum Beispiel sollte es eine Umweltbildungseinrichtung im Erweiterungsbereich des Biosphärenreservates geben und insgesamt mehr Personal für die Verwaltung und Umweltbildung bereitgestellt werden.
Wissen Sie, wie viel mehr Stellen es geben sollte?
Nein. Aber da sich die BSR-Fläche deutlich erweitert hat, sollte sich das in der Zahl der Jobs schon auch so abbilden.
Und wie ist es mit dem Geld?
Das ist auch ein Punkt. Das Umweltministerium hat keinen Haushaltstitel, um das Biosphärenreservat finanziell zu begleiten.
Quasi ein Titel ohne Mittel?
Richtig. Und ich denke, da könnten 1,5 bis zwei Millionen Euro pro Jahr drin sein, mit denen die Rhön durchaus eine Entwicklungschance für das Biosphärenreservat und mehr oder besseren Tourismus hätte. Worauf aber zu achten ist, dass dieser Topf nur ausgewiesen ist für das Biosphärenreservat Rhön und ebenso eigene Titel für andere BSR in Bayern.
Sie sehen also den Tourismus in der Rhön als ausbaufähig?
Durchaus. Auch ich kann mir einen Baumwipfelpfad vorstellen. Oder aber eine engere Zusammenarbeit mit den Landwirten. Die haben da auch interessante Ideen.
Welche denn?
Ich weiß das von einem Brainstorming, an dem Vertreter des Bauernverbandes teilgenommen haben. Eine Idee ist den längste Blühstreifen Bayerns anzulegen - ein kilometerlanges Band etwa für Bienen.
Es wird vor allem in den sozialen Netzwerken auch nach solchen Sätzen wieder rundgehen - Beispiele gibt es jetzt schon genügend dafür.
Ja, wir müssen versuchen, eine Eskalation zu vermeiden. Wenn der Dialogprozess auf Biegen und Brechen weitergeführt wird, wird sich die Situation zwischen Gegnern und Befürwortern verschärfen. Ich meine, wir sollten es nicht auf einen jahrelangen Streit ankommen lassen - auch im Bayerischen Wald erinnert man sich größtenteils an die schlimmen Auseinandersetzungen in der Anfangszeit. Ich bleibe dabei, für die Rhön gibt es andere Chancen.
Das Gespräch führte Susanne Will.