Hammelburger Lager als erste Station in Freiheit

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Ein Sonderzug bringt DDR-Bürger aus Prag via Hof nach Hammelburg. Fotos: Archiv
Ein Sonderzug bringt DDR-Bürger aus Prag via Hof nach Hammelburg. Fotos: Archiv
Helfer versorgen die Flüchtlinge.
Helfer versorgen die Flüchtlinge.
 
Das Arbeitsamt hilft bei der Vermittlung.
Das Arbeitsamt hilft bei der Vermittlung.
 

In den Wochen und Tagen vor dem Mauerfall am 9. November 1989 nimmt Hammelburg Anteil an den Ereignissen, die zur Wende führen: Die General-Heusinger-Kaserne ist die zentrale Anlaufstelle für viele DDR-Flüchtlinge.

Für Eberhard Munz ist bis heute bemerkenswert und erinnerungswürdig, wie reibungslos vor 25 Jahren militärische und zivile Kräfte zusammenarbeiteten. In den Wochen bis zum Mauerfall am 9. November 1989 passierten mehr als 4000 DDR-Flüchtlinge das Aufnahmelager in der General-Heusinger-Kaserne. "Für mich ist es ein einschneidendes Erlebnis, dass ich damals im Lager war und alles funktionierte", sagt Munz.

Der Oberst a.D. war als stellvertretender Schulkommandeur auf der militärischen Seite mit der Organisation der Aufnahme betraut. Die Kaserne auf dem Lagerberg stand ab Anfang September 1989 als Regierungsaufnahmestelle bereit. Die erste Flüchtlingswelle kam in den Septembertagen aus Ungarn - wenn auch im Vergleich zu anderen Aufnahmelagern zunächst etwas zögerlich.

Übersiedler aus Polen

Wie die Lokalzeitung damals berichtete, gehörten zu den Ankömmlingen der ersten Tage überraschenderweise auch einige Übersiedler aus Polen. Dies sorgte in der Anmeldestelle für die ein oder andere Verständigungsschwierigkeit. Doch dann erreichte die erste größere Welle von DDR-Flüchtlingen Hammelburg. Munz erzählt: "Mit Trabis rollten sie den Lagerberg hinauf. Es war eine riesige Kolonne. Man roch es schon von Weitem."

Die Kaserne bot den DDR-Bürgern nicht nur eine Unterkunft für die ersten Tage im Westen. Das Lager war auch eine kleine Behördenzentrale. Die Stadt hatte dort eine Anmeldestelle eingerichtet, aber auch andere Behörden wie zum Beispiel das Ausgleichsamt der Regierung von Unterfranken entsandten Vertreter. Mitarbeiter des Arbeitsamts sammelten Stellenangebote und vermittelten sie an die Flüchtlinge im Lager.

Als die Regierung von Unterfranken Ende September die Aufnahmestelle auflösen wollte, kündigte sich die zweite Welle an: Hammelburg wurde neben Gießen eines der Hauptaufnahmelager für die DDR-Bürger, die über die Botschaft in Prag nach Westdeutschland einreisten.

Mit drei Sonderzügen aus Prag kamen mehr als 1600 Flüchtlinge nach Hammelburg. Helfer versorgten sie bei ihrer Ankunft am Bahnhof mit dem Nötigsten. Die Bundeswehr organisierte den Transport in die Kaserne. Der Bundesgrenzschutz wickelte dort die Aufnahmeformalitäten ab. Durchschnittlich eine Woche verweilten die Flüchtlinge auf dem Lagerberg. Danach kamen sie bei Verwandten oder in anderen privaten Wohnräumen unter. Den Ansturm zu bewältigen, war schon eine organisatorische Leistung, meint Munz, der damalige stellvertretende Schulkommandeur.