Der "Hirschen" sorgt weiter für Aufregung in Hammelburg

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Der "Hirschen" könnte rund 40 Flüchtlingen Platz bieten. Foto: Arkadius Guzy
Der "Hirschen" könnte rund 40 Flüchtlingen Platz bieten. Foto: Arkadius Guzy

Wie erwartet, ist die Bürgerversammlung zur dezentralen Einrichtung für Asylbewerber teils erregt und geladen. Die Gerüchte und Spekulationen der vergangenen Tage beherrschen die Stimmung.

Seit gut einer Woche ist der ehemalige Gasthof zum Hirschen Stadtgespräch. Die Nachricht, dass das Gebäude als dezentrale Unterkunft rund 40 Asylbewerbern ein Heim bieten soll, sorgt für Aufruhr. Der brach sich auch in der Informationsveranstaltung am Montagabend Bahn.

Die Mehrheit sprach sich dagegen aus, Flüchtlinge im "Hirschen" unterzubringen. Die Spekulationen der vergangenen Tage und der Argwohn gegenüber den Neueigentümern mischte sich dabei in den Wortmeldungen mit der Sorge, dass Hammelburg durch den vorübergehenden Verlust des Gastronomiegebäudes touristisch zurückfallen könnte.

Offen lehnte niemand die Aufnahme von Flüchtlingen ab, aber der Standort direkt am Marktplatz stieß auf Widerstand. Carola Dirscherl-Etzel, die direkte Nachbarin des "Hirschen", schlug leer stehende Wohnungen zum Beispiel in der Reichenberger Straße als Unterbringungsmöglichkeit für Asylbewerber vor. "Es gibt viele Leerstände", sagte sie.

Unterbringung in Wohnungen

Auch Dieter Lemmink hielt Wohnungen für besser geeignet als den "Hirschen". In die Wohnungen, so sein Vorschlag, könnten die Asylbewerber ziehen, die schon länger in Hammelburg leben und in der Stadt integriert sind. Dadurch würden im Flüchtlingsheim im Ofenthaler Weg Plätze frei.

Doch Landrat Thomas Bold (CSU) sprach sich gegen die Unterbringung in Einzelwohnungen aus. Er bezog sich dabei auf die Einschätzung von Caritas und Diakonie nach der die soziale Betreuung schwieriger würde. Das bestätigte Marco Warnhoff vom Caritasverband für die Diözese Würzburg. "Schon rein logistisch würden wir die Betreuung in Privatwohnungen nicht schaffen", sagte Warnhoff. Ohnehin habe der Landkreis im Moment keine Auswahl an Objekten, erklärte Bold. Bei den erwarteten zwölf Asylbewerbern pro Woche brauche der Landkreis bis Frühjahr 300 Plätze.

Dass der "Hirschen" als dezentrale Unterkunft "sehr gut geeignet" sei, betonte Stefan Seufert. Einzelwohnungen seien oft zu klein und nicht geeignet, so der Leiter der Koordinierungsstelle für Asylangelegenheiten am Landratsamt. Seufert betonte: "Ich kann mir gut vorstellen, dass am Marktplatz Asylbewerber leben."

Im Vorfeld hatte es viele Spekulationen über die Mieteinnahmen gegeben, mit denen ein Eigentümer einer dezentralen Unterkunft rechnen kann. Auch in der Informationsveranstaltung stellte sich die Frage nach dem Betrag. Die Zahlen, die kursieren, seien "definitiv falsch", sagte der Landrat. Der Satz hänge vom Objekt ab und orientiere sich am ortsüblichen Bereich. Mit Verweis auf privatrechtliche Vereinbarungen machte Bold keine näheren Angaben.

Stadtrat berät über Kaufangebot

Patrick Bindrum, mit Stefan Buttler Miteigentümer des "Hirschen", griff die Frage aber auf: Die 20 Euro pro Tag und Flüchtling, die häufig genannt werden, seien "deutlich höher als der tatsächliche Betrag". Auch zu der Kritik an seinem Vorgehen äußerte er sich. So habe er dem Wirtsehepaar Loose die Rückabwicklung des Kaufvertrags angeboten. Und wenn die Stadt sich für einen Kauf entscheide, könne sie das Gebäude zum selben Preis übernehmen, zudem er es erworben hat. "Man soll sich aber nicht der Illusion hingeben, dass sich das Gebäude ohne Querfinanzierung entwickeln lässt."

Das wird der Stadtrat am 3. November diskutieren. Aber bereits jetzt erklärte Bürgermeister Armin Warmuth (CSU): "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt die Immobilie übernimmt." Der Mietvertrag mit dem Landkreis ist noch nicht geschlossen. Das Landratsamt steht gegenüber dem Vertragspartner aber im Wort, erläuterte Bold. Das heißt: Wenn es keinen Eigentümerwechsel gibt, wird der Vertrag unterzeichnet.

Christian Fenn empfahl, weder Einzelwohnungen noch den Standort des "Hirschen" von vornherein abzulehnen. In fünf Monaten könnte die Flüchtlingssituation noch ganz anders aussehen. Gesine von Postel vom Freundeskreis für Flüchtlinge appellierte an die Zusammenarbeit. Für den "Hirschen" müsse sich ein Helferkreis finden. Denn für den Fall, dass die Integration der dortigen Flüchtlinge scheitert, fürchtete sie ein Umkippen der bisher generell aufgeschlossenen Haltung gegenüber den Asylbewerbern.

An die Geschichte des Hauses erinnerte Gudrun Röder, verwandt mit dem bisherigen Wirtsehepaar. Im "Hirschen" seien nach dem Zweiten Weltkrieg 50 Ausgebombte aus verschiedenen Städten einquartiert gewesen. "Auch wenn es meine Cousine nicht gerne hören wird: Das Haus kennt es. Das Haus verträgt 40 Asylbewerber."