Stadtheimatpfleger Peter Kaidel hatte zu einem Rundgang über den Jüdischen Friedhof an der Bergmannstraße eingeladen.
Der Jüdische Friedhof an der Bergmannstraße ist eine der vergessenen Ecken der Stadt. Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage hatte Stadtheimatpfleger Peter Kaidel zu einem Rundgang über den Friedhof eingeladen, der auf großes Interesse stieß.
Kaidel ging zunächst auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde in der Stadt ein, die nachweislich bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht.
Denn das so genannte "Rindfleisch-Pogrom", benannt nach einem Röttinger Edelmann, griff auch auf Kissingen über. Die Folge war, dass die Würzburger Fürstbischöfe den Kissinger Juden gegen die Zahlung von Steuern Schutz gewährten und sie auf ihrem Grund leben zu lassen. Damals entstanden die Begriffe "Schutzjuden" und "Judenhof".
Die Gleichberechtigung kam erst durch das "Judenedikt" von 1813.
1902 wurde die "Neue Synagoge" an der Maxstraße geweiht, die am 9. November 1937 in Schutt und Asche versank, die jüdische Gemeinde wurde systematisch ausgelöscht. Am 20. Mai 1942 war Bad Kissingen "endlich judenfrei", wie die Saale-Zeitung damals meldete. Die jüdische Gemeinde hat sich nach dem Krieg nicht mehr erholt. Zwei Familien wohnen in der Stadt.
Dennoch gibt es wieder Kontakte, wie die Besuche von Nobelpreisträger Jack Steinberger oder Joske Ereli in ihrer alten Heimat zeigen.
Der Jüdische Friedhof wurde 1817 angelegt. Vorher hatten die Kissinger ihre Toten in Pfaffenhausen oder Großbardorf beerdigt. Die neoromanische Tahara-Halle für die rituelle Reinigung wurde 1891 gebaut. Im Zweiten Weltkrieg waren in dem Gebäude russische Kriegsgefangene einquartiert.
Kantor Josef Weissler war der letzte, der 1989 hier beerdigt wurde. Seitdem ist der Friedhof nicht mehr in Betrieb. Bestattungen, so Kaidel, sind aber auch heute noch möglich.
Ausdruck der Gleichheit im Tod Kaidel wies darauf hin, dass nicht auf jüdischen Friedhöfen auch die Gräber sterben dürfen. Zur Erhaltung werde nichts unternommen.
Auch haben die Gräber keine Platte und keinen Schmuck, "dass niemand davon profitieren kann". Und damit auch die Auferstehung möglichst ungehindert vonstatten geht. "Deshalb werden die Toten auch mit dem Kopf in Richtung Je rusalem begraben." Auch schmuckvolle Särge seien unbekannt, höchstens einfache Bretterkisten. "Aber in der Regel werden die Toten im Leichenhemd bestattet."
Kaidel erinnerte an ein Ereignis von 1938, als zehn gefesselte Juden vor der
Tahara-Halle ein Loch graben mussten, weil die Braunhemden glaubten, dass dort Schätze vergraben waren. Zu Tage kamen nur ein paar Thorarollen, die wie Menschen beerdigt werden. Kaidel: "Sie können sich vorstellen, wie die Kissinger drum rumstanden und die Aktion kommentierten."