Frage der Kompromisslosigkeit

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Das Schweizer Galatea-Quartett mit Yuko Tsuboi (1. Violine), Sarah Kilchenmann (2. Violine), David Schneebeli (Viola) und Julien Kilchenmann (Violoncello) beendete im Weißen Saal die Reihe "Junge Streichquartette" des Winterzaubers 20112/13. Foto: Ahnert
Das Schweizer Galatea-Quartett mit Yuko Tsuboi (1. Violine), Sarah Kilchenmann (2. Violine), David Schneebeli (Viola) und Julien Kilchenmann (Violoncello) beendete im Weißen Saal die Reihe "Junge Streichquartette" des Winterzaubers 20112/13. Foto: Ahnert

Das Galatea-Quartett aus der Schweiz lud im Weißen Saal zum Totentanz mit Franz Schubert.

Einem größeren Publikumskreis in Deutschland ist das Schweizer Galatea-Quartett nachdrücklich ins Bewusstsein gerückt, als es im vergangenen Jahr den Echo-Klassik-Preis für die beste Einspielung von Kammermusik für Streicher aus dem 20./21. Jahrhundert erhielt. Sie hatten gerade ihre CD mit Kompositionen ihres Landsmannes Ernest Bloch herausgebracht. Jetzt waren Yuko Tsuboi (1. Violine), Sarah Kilchenmann (2. Violine), David Schneebeli (Viola) und Julien Kilchenmann (Violoncello) beim Winterzauber und spielten das Abschlusskonzert der dieses Jahr dreiteiligen Reihe "Junge Streichquartette".

Ein schöner Abschluss und eine fast runde Sache. Das "fast" war ausgerechnet Yuko Tsuboi, der Primaria, zuzuschreiben. Ihre Geige mit ihren spitzen, mitunter grellen hohen Tönen wollte nicht so recht zu dem warmen, sonoren Klang der anderen drei Instrumente passen, stach manchmal unangenehm heraus.
Und man muss auch sagen, dass sie in virtuosen Passagen manchen Ton in den hohen Lagen mit etwas mehr Hertz hätte spielen können.

Das soll nicht den guten Eindruck trüben, den die vier jungen Leute aus Zürich hinterließen. Denn konzeptionell und in der Umsetzung hatten sie sehr viel zu bieten. Bei Joseph Haydns Streichquartett G-dur op. 76/1, dem ersten der späten "Erdödy-Quartette" war es die Spiellaune, das Vergnügen am virtuosen Gefecht, die die Musik zum Genuss machte. Und Yuko Tsuboi erlag nicht der Gefahr, sich violinkonzertmäßig zu sehr in den Vordergrund zu spielen, sondern tauchte immer wieder das Gesamtgefüge ein.

Hochinteressant waren vier Miniaturen von Ernest Bloch, ausdrucksstarke Musik voller Spannungen: das "Prelude", das sich in chromatischen Schritten immer mehr verdichtet und dem die vier Streicher mit völlig vibratolosem Ton einen ganz rätselhaften fernen, schwebenden Klang gaben. Und die drei Sätze von "Landscapes" zu denen sich Bloch 1923 inspirieren ließ und diese Eindrücke völlig unterschiedlich verarbeitete: "North" reflektierte mit vielen fahlen Flageoletts und am Steg gestrichenen Tönen die Kälte bei den Inuits, die das Galatea-Quartett auch im warmen Weißen Saal fühlbar werden ließ. Mit einem derben tänzerischen Solo des Cellos führte "Alpestre" in die Heimat Blochs, und "Tongataboo" erwies sich als rhytmisch überbordender, mit viel Pfiff gespielter Gruß aus der Südsee.

Voller Dramatik war schließlich Franz Schuberts Streichquartett d-moll op. posth. D 810, "Der Tod und das Mädchen", mit enormem Vortrieb in den beiden Ecksätzen gespielt. Und der berühmte Variationensatz war so kompromisslos gestaltet, dass die Tödlichkeit der Schmeichelei des Knochenmannes erfahrbar wurde, dass man plötzlich merkte, dass die Variationen dieses Satzes für Stationen des Totentanzes stehen. Eine couragierte, aber absolut plausible Interpretation.