Flüchtlinge kommen schon bald

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Großes Interesse an Aufklärung. Von rechts: Stefan Seufert, Koordinierungsstelle Asyl, stellvertr. Landrat Emil Müller und Sicherheitsbeauftragter Tim Eichenberg stellen sich den Fragen. Foto: Werner Vogel
Großes Interesse an Aufklärung. Von rechts: Stefan Seufert, Koordinierungsstelle Asyl, stellvertr. Landrat Emil Müller und Sicherheitsbeauftragter Tim Eichenberg stellen sich den Fragen. Foto: Werner Vogel
Matratzen und Bettzeug fehlen noch in einigen Räumen. 150 von 200 Betten sind bereit für die ersten Flüchtlinge. Foto: Carmen Schmitt
Matratzen und Bettzeug fehlen noch in einigen Räumen. 150 von 200 Betten sind bereit für die ersten Flüchtlinge. Foto: Carmen Schmitt
 

200 Flüchtlinge müssen ab nächster Woche in der Notaufnahme in der Röntgenstraße untergebracht werden. Bei der Informationsveranstaltung werden Befürchtungen laut, dass im Stadtviertel sozialer Zündstoff entstehen könnte.

Das Landratsamt bereitet sich auf 200 Flüchtlinge vor, die ab nächster Woche in der Röntgenstraße zur Notaufnahme untergebracht werden müssen. Bei einer Informationsveranstaltung wurden Befürchtungen laut, dass die Notaufnahme länger bestehen bleibt und zusammen mit der nahen dezentralen Unterkunft, die in den Postgaragen entsteht, im Stadtviertel sozialer Zündstoff entstehen könnte.
"Die Völkerwanderung in Europa macht auch vor Bad
Kissingen nicht halt". Stefan Seufert, Leiter der Koordinierungsstelle für Asylangelegenheiten im Landkreis spricht die Lage unverblümt an: "Aus einem Notfallplan ist quasi über Nacht der Auftrag geworden, ab nächster Woche 200 Flüchtlinge unterzubringen".
Stellvertretender Landrat Emil Müller bedauerte in seiner Begrüßung, dass die Nachbarn rund um die Röntgenstraße deshalb erst kurzfristig benachrichtigt werden konnten, dass die ehemalige Wäschefabrik als Notaufnahme hergerichtet wird. "Alle Landkreise haben ihren Beitrag zur Flüchtlingsproblematik zu leisten und Bad Kissingen ist aufgrund seiner Ärztedichte, dem Krankenhaus und der bislang unterdurchschnittlichen Zuteilung von Asylbewerbern als einziger Standort im Landkreis in Frage gekommen", so Müller. Kasernen stehen nicht zur Verfügung, die Turnhallen sind von Schulen und Vereinen belegt, Ausfall von Sportunterricht ist nicht zu vertreten und die hier vorhandenen Räume sind unproblematisch auszustatten. "Kein anderes Gebäude bietet so gute Voraussetzungen für eine Notaufnahme und hätte so schnell den Anforderungen genügt". Es gibt vierzig getrennte Zimmer, größere Büroflächen stehen für Familien zur Verfügung und mit Sanitärcontainern ist das Hygieneproblem gelöst. "Es ist ein Glück, dass wir spät mit dieser Aufgabe betraut werden", so Müller, deshalb konnte der Krisenstab aus Rotem Kreuz, Technischem Hilfswerk, Caritas Flüchtlingsberatung und Bauhof auf Erfahrungen anderer Landkreise zurückgreifen.


Ängste der Nachbarn

Ausführlich gingen dann Müller, Stefan Seufert und Regierungsrat Tim Eichenberg, der Abteilungsleiter für Sicherheit und Ordnung des Landratsamts, auf die zahlreichen Fragen des Publikums im vollbesetzten Sitzungssaal ein. "Wir wollen Sie in aller Offenheit darüber informieren, was auf Sie zukommt", meinte Müller. Und auf die verwunderte Frage, warum kein Verantwortlicher der Stadt Bad Kissingen anwesend sei, meinte er: "Die Maßnahmen sind in engem Zusammenhang mit der Stadt besprochen, allerdings sind der OB und 3. Bürgermeister Leiner in Urlaub und den 2. Bürgermeister habe er als Betroffener -Toni Schick ist Eigentümer der Immobilie- nicht laden können."
Vor allem die unmittelbaren Nachbarn verlangten Auskunft: "Woher kommen die Asylbewerber und wie lange bleiben sie? Dürfen die Flüchtlinge das Gelände verlassen? Wie wird unsere Sicherheit gewährleistet? Wie steht es mit der Nachtruhe? Gibt es Ansprechpartner im Landratsamt?
Stefan Seufert ist seit Monaten ganz eng mit der Situation betraut und nimmt sich viel Zeit, die Hintergründe, das Wieso, Warum und das "ausgerechnet hier" aufzuklären. "Es sind Menschen, wie Du und ich, sie sind froh, erst mal sicher zu sein und ein Dach über dem Kopf zu haben", berichtete er aus seinen Erfahrungen.


Eigenes Sicherheitskonzept

In der Notaufnahme werden ihre Personalien festgestellt, sie werden fotografiert und vom Gesundheitsamt medizinisch untersucht. Spätestens nach sechs Wochen sollten sie dann in dezentrale Unterkünfte umsiedeln können. "Wir streben an, dass die ersten dann schon in die Unterkunft Postgaragen einziehen". Tim Eichenberg erläutert das Sicherheitskonzept: "Es sind jeweils zwei erfahrene Wachleute 24 Stunden rund um die Uhr in der Unterkunft". Auch Polizei und die Rettungsdienste haben sich über die Liegenschaft informiert. Emil Müller, der Thomas Bold, der in Urlaub weilt, als Landrat vertritt, ergänzt: "Sollten zwei Leute nicht ausreichen, werden wir nachbessern", aber es gibt so gut wie keine Vorkommnisse in den anderen Unterkünften.


Offenheit baut Vorurteile ab

Müller stellte fest, dass die Offenheit, mit der Kreis, Stadt und alle betroffenen Kommunen mit der Asylproblematik um gehen, bereits viele Vorurteile abgebaut hätten. Zur Frage von Peter Klimt, ob dem Viertel um die Röntgenstraße mit der Notunterkunft und dem dezentralen Lager in den Postgaragen nicht zuviel zugemutet wird, verwies er auf die politische Lage mit erwarteten 800 000 Flüchtlingen für Deutschland in diesem Jahr. "Deshalb wäre es unrealistisch in der Kissinger Notunterkunft auch nur eine eng befristete Maßnahme zu sehen. Aber sie werden bei uns menschenwürdig untergebracht."
Die zusammengefassten Fragen des Röntgenstraßenbewohners Friedrich Engelhard, was man so alles an den Stammtischen hört und was teilweise in den sozialen Medien über die Asylbewerber berichtet wird, nach dem Motto: "denen kann's doch gar nicht schlecht gehen, die haben alle moderne Handys", gab den Verantwortlichen Gelegenheit, mit manchen Vorurteilen aufzuräumen und von den positiven Erfahrungen der ehrenamtlichen Helfer zu berichten. Stefan Seufert zum Abschluss der zweistündigen Diskussion: "Ja, sie geben ihr Taschengeld für das Handy aus, aber: "Es ist ihre einzige Möglichkeit mit ihren Familien in Verbindung zu bleiben."