Flucht reißt Familie auseinander: Mutter wartet in Bad Kissingen auf Kinder

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Die Afghanerin Ellaha Shazad wurde auf der Flucht von ihren Kindern getrennt. Foto: Benedikt Borst
Die Afghanerin Ellaha Shazad wurde auf der Flucht von ihren Kindern getrennt. Foto: Benedikt Borst

Eine junge Afghanin wird auf der Flucht von ihren Kindern getrennt. Sie lebt in einer Unterkunft im Landkreis Bad Kissingen, die Kinder sind in der Türkei. Die Aussichten sind schlecht, dass sich die Familie wieder sieht.

Vor einer Woche ist die Situation eskaliert, in der Türkei wie auch hier im Landkreis. Ellaha Shazad (Name geändert, Anm. d. Red.) erleidet einen Zusammenbruch. Von Weinkrämpfen geschüttelt, schlägt und tritt die zierliche Afghanin um sich, ist nicht mehr ansprechbar, rammt ihren Kopf gegen eine Wand.

So schildern es zwei Frauen aus dem Helferkreis, der sich um die Flüchtlinge in Shazads Unterkunft kümmert. Ein Notarzt musste die verzweifelte Frau medikamentös beruhigen. "Sie kam hier schon in einem fürchterlichen psychischen Zustand an", berichtet eine Helferin. Warum? Shazad fürchtet, ihre Kinder (sechs und neun Jahre alt), von denen sie auf der Flucht nach Deutschland getrennt wurde, nie wieder zu sehen.


Flucht vor dem Ehemann

Ein Flüchtling ist die heute 28-jährige Afghanin schon ihr ganzes Leben. Shazad berichtet ihre Flucht im Anhörungsverfahren gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wie folgt: Als sie drei Jahre alt war, flohen ihre Eltern aus dem Bürgerkriegsland in den Iran. Dort wuchs sie auf. Mit 18 Jahren wurde sie zwangsverheiratet, von dem Mann bekommt sie ihre beiden Kinder. Die Ehe war schlimm, der Mann gegenüber Shazad und der älteren Tochter gewalttätig. Sie entschloss sich zur Flucht. Schlepper brachten sie mit ihren Kindern und einem ihrer Brüder über die Grenze in die Türkei. Die Probleme hörten nicht auf. Die junge Afghanin erhielt aus ihrem Umfeld Morddrohungen. Shazad gibt an, dass sie nach islamischen Glauben ihren Mann nicht ohne Scheidung verlassen dürfe.


Kinder werden festgesetzt

Als die Familie nach Europa weiter fliehen wollte, ereignete sich das Drama. Schlepper setzten den Bruder und die Kinder auf dem Weg zur Mittelmeerküste in ein Auto, Shazad in ein zweites. Shazad wurde anschließend mit vielen anderen Flüchtlingen in ein Schlauchboot gepackt und nach Griechenland übergesetzt. Bruder und Kinder hingegen kamen nie an der Küste an.

"In Athen hatte ich nichts gehört. Ich war zehn bis zwölf Tage dort und habe dann die Schlepper in Istanbul angerufen. Die sagten mir dann, dass die Familie von der (türkischen, Anm. d. Red.) Polizei festgenommen wurde und dass sie im Gefängnis seien." Mittlerweile ist die Familie nicht mehr in Gefangenschaft. Die Türkei können sie aber nicht verlassen. Geld für einen neuen Fluchtversuch haben sie nicht.

Shazad wiederum ist auf der Balkanroute nach Deutschland weitergeflohen, in der Hoffnung, hier Hilfe zu erhalten und ihre Familie nach zuholen.

Das gestaltet sich allerdings schwierig, die Situation ist verfahren. Die Afghanin lebt seit Sommer in einer Unterkunft im Landkreis. Sie hat ihren Asylantrag beim Bamf gestellt und wurde bereits zwei Mal angehört. Eine Entscheidung darüber, ob sie als Flüchtling anerkannt, geduldet oder abgeschoben wird, gibt es noch nicht. "Afghanen bleiben bei der Bearbeitung lange liegen. Sie ist als Härtefall schon vorgezogen worden", berichtet eine Frau aus dem Helferkreis.


Drängen auf baldige Entscheidung

Das Problem für Shazad ist, dass sie kaum Aussichten hat, ihre Kinder legal nach Deutschland zu holen, solange ihr Asylverfahren nicht abgeschlossen ist. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsabgeordneten Sabine Dittmar hervor. Sowohl Dittmar als auch Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU) wurden vom Helferkreis eingeschaltet. Die Politikerinnen drängen auf eine baldige Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. "Es ist eine komplizierte Situation. Die Kinder können nicht nachgeholt werden, solange Shazads Status nicht geklärt ist", sagt Bär. Eine Sonderregelung aus humanitären Gründen sei in der jetzigen Ausnahmesituation wenig erfolgversprechend. Sie hält es für aussichtsreicher, wenn das Verfahren schnell zu Ende gebracht wird. Ähnlich sieht es Dittmar. Die Voraussetzungen für eine humanitäre Sonderregelung "sind sehr, sehr schwierig". Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist eine humanitäre Regelung nur möglich, "wenn die sorgerechtlichen Fragen unzweifelhaft geklärt sind". Der Vater müsse einverstanden sein, dass die Mutter die Kinder nach Deutschland holt. Das Bundesamt hat jetzt auf eine Anfrage von Dittmar reagiert und mitgeteilt, dass eine Entscheidung in den nächsten Tagen ansteht.


Vater findet Kinder

Die unklare Situation setzt der jungen Mutter zu. "Es ist diese extreme Hilflosigkeit", sagt eine Helferin. Sie berichtet, dass Shazad bereits mehrfach psychische Zusammenbrüche erlitten hat und mehrere Tage in einer Klinik versorgt wurde. Die Eskalation vor einer Woche geschah, als Shazad darüber informiert wurde, dass ihr Mann in die Türkei gereist war und die Kinder gefunden hatte. "Sie dachte, sie sieht sie nie wieder", sagt die Helferin. Die Kinder befinden sich weiter in der Obhut des Onkels. Die Situation in der Türkei ist allerdings undurchsichtig. Der Helferkreis steht in Kontakt mit verschiedenen Menschenrechtsorganisationen. Es wird eine Gerichtsverhandlung erwartet, die über das Sorgerecht befinden soll.