Flöte ist mehr als ein Holzrohr

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Das Quartet New Generation mit Heide Schwarz, Miako Klein, Petra Wurz und Susanne Fröhlich und mit jeder Menge Instrumenten. Foto: Ahnert
Das Quartet New Generation mit Heide Schwarz, Miako Klein, Petra Wurz und Susanne Fröhlich und mit jeder Menge Instrumenten. Foto: Ahnert

Das New Generation Quartet zeigte die Wahren Möglichkeiten des beliebtesten Instruments der Schulmusik.

Wenn ein Flötenquartett wie das New Generation Quartet anreist, dann zieht es nicht einfach vier Flöten aus dem Ärmel und beginnt zu musizieren. Dann fällt der erste Blick des Besuchers auf ein Arsenal von Instrumenten, die im allgemeinen Konzertbetrieb keineswegs alltäglich sind: Bassflöten, Subbassflöten oder Knick flöten und andere Ungetüme. Aber so hatten die vier Flötistinnen Susanne Fröhlich, Petra Wurz, Miako Klein und Heide Schwarz die Möglichkeit, ein Programm zu spielen, das anhand ausgewählter Beispiele die Musik der Renaissance, des Barock und der Gegenwart in aller klanglicher Breite und Tiefe spiegelte, wobei jede Epoche ihre eigenen Flöten erforderte.

Bei allen - unausgesprochenen - didaktischen Aspekten stand in dem Konzert der Genuss im Vordergrund, gewährleistet durch eine absolut präzise, blitzsauber artikulierte Spielweise der vier Musikerinnen, durch die konzeptionelle
Durchdringung und plastische Darstellung. Das war bei Sätzen von Frescobaldi, Händel oder Bach und ihrer Aufführungsroutine nicht überraschend.

Aber was wirklich mitreißend war, waren die zwischengeschalteten Kompositionen der Moderne mit Schostakowitschs C-dur-Fuge op. 87 als Türöffner und formales Bindeglied: Fulvio Caldinis (*1959) minimalistische, rhythmisch witzige Clockwork Toccata, Mary Ellen Childs (*1957) "Parterre", ein klangmalerischer Gang durch einen geheimnisvollen Garten mit seinen Bewohnern. Es gab drei der Sechs Bagatellen von György Ligeti, viel witziger als in der origialen Klavierfassug, und "Airlines" von Woiciech Blecharz (*1961), das wörtlich mit "Luftlinien" zu übersetzen ist. Denn der Atem entlockt den Flöten und ihren Einzelteilen nur noch Geräusche - eine geistreiche, spannende Sache.

Das Konzept ist aufgegangen: "Die großen Barockmeister im Dialog" hieß der Untertitel des Programms, und man merkte i, was das meinten: die Gegenüberstellung der formal gefassten, aber noch nicht auf Affekte zielende Musik der Renaissance, der im Rahmen einer strengen Formalisierung bereits auf Affekte zielenden Barockmusik, und der von allen Formen befreiten, vor allem auf Affekte und Effekte zeitgenössischen Musik.

Und dabei wurde deutlich, dass die letztere den heutigen Menschen tatsächlich am nächsten ist, weil sie sich an die Emotionalität der Musik gewöhnt haben und weil formale Fragen in den Hintergrund getreten sind. Was zu Bachs Zeiten harmonisch noch als gewagt oder auch nur interessant wahrgenommen wurde, wird heute nicht mehr als außergewöhnlich empfunden - wenn es überhaupt bemerkt wird. Bachs Musik wird heute vor allem aus den Aspekten der Virtuosität und der Wiedererkennung gehört. Und das ist bei der zeitgenössischen Musik halt völlig anders. Wer sich auf sie einlässt, erlebt viele Überraschungen, wird von ihr unter Spannung gesetzt. Etwas Besseres kann weder der Musik noch dem Publikum passieren.