Der Grüne Markt ist am nächsten Freitag zum letzten Mal zu Gast auf dem Eisenstädter Platz. Damit endet eine kleine, aber 162-jährige Erfolgsgeschichte.
"Sie wollen wahrscheinlich keine ganz so große", sagt Helma Ott zu der Frau, die, auf ihren Rollator gestützt, die Zucchini eingehend mustert. Sie kennt ihre Kundschaft genau, seit vielen Jahren, seit sie auf dem Grünen Markt am Eisenstädter Platz Obst und Gemüse verkauft. Und damit soll jetzt Schluss sein? Niemand, der an den Marktstand kommt, will das so recht glauben.
"Doch, das stimmt", sagt Helga Bayer, ihre Chefin, "am nächsten Freitag sind wir definitiv das letzte Mal da." Dann ist der Grüne Markt am Eisenstädter Platz Geschichte - und was für eine! "Seit 1850, seit fünf Generationen, liefert unsere Familie vom Hof in Sennfeld nach Bad Kissingen", erklärt ihr Mann Wolfgang Pfeifer. Damals haben sich viele Bauern aus der Gochsheimer Gegend Absatzmärkte für ihre Produkte gesucht. Viele sind nach Schweinfurt oder Gerolzhofen gegangen.
"Unsere Vorfahren haben ihre Ecke in Kissingen gefunden, wo die Kurhäuser ihre Kunden wurden. In Schweinfurt sind wir nie gewesen."
In Bad Kissingen konnten Helga Bayer und Wolfgang Pfeifer immer auf eine treue Kundschaft bauen. Denn sie haben immer das verkauft, was sie auf ihrem Hof produziert haben, und zwar durchaus nach ökologischen Gesichtspunkten, ohne dass sie das zur Werbemarke gemacht hätten. Nur Gewächshäuser für die kältere Jahreszeit haben sie sich gestattet. Dadurch sieht nicht alles aus wie gemalt, aber riecht und schmeckt, wie es heißt. Und das Angebot ist ein Spiegel der Jahreszeiten. Was nur im Sommer wächst und sich nicht aufheben lässt, gibt es im Winter ganz einfach nicht.
Nur Südfrüchte wie Zitronen oder Mandarinen wurden zugekauft.
Die Geschichte des Marktstandes ist auch eine kleine Transportgeschichte: "Die Oma ist noch mit dem schwer bepackten Huckelkorb von Sennfeld nach Poppenhausen gelaufen. Dort hat sie übernachtet und hat am nächsten Tag die Pensionen beliefert", erzählt Wolfgang Pfeifer. Ein Fortschritt waren dann schon die Fuhrwerke, mit denen man schneller nach Bad Kissingen kam. Die Pferde wurden damals in den Stallungen an der "Krone" in der Salinenstraße eingestellt. Noch einfacher war's dann mit dem Bulldog, der dann in den 60er Jahren von einem Hanomag mit Anhänger, dem ganzen Stolz von Helga Bayers Vater Fritz Heinrich, ersetzt wurde.
Jetzt wird ein radikaler Schlussstrich gezogen - aus gesundheitlichen Gründen. "Wir hören auch in Sennfeld auf und verpachten die Landwirtschaft", sagt Wolfgang Pfeifer. Denn die nächste Generation hat kein Interesse.
Lust weiterzumachen hätten freilich beide noch, denn die Arbeit und der Kontakt mit der Kundschaft macht ihnen immer noch Spaß. Denn ihr Stand war nicht nur Verkaufstheke, sondern auch Nachrichtenbörse und immer wieder ein bisschen Beichtstuhl. Helga Bayer, Wolfgang Pfeifer und Helma Ott waren auch immer zuverlässig da - bei jedem Wind und Wetter. "Einmal", erinnert sich Helga Bayer, "hat es in der Nacht zum Freitag einen Temperatursturz auf - 17 Grad gegeben. Aber wir hatten schon alles für unsere Tour vorbereitet. Dann mussten wir mit Styroporkästen und vielen Decken schauen, dass nichts einfriert."
Aber nur eitel Sonnenschein waren die Jahre auf dem Eisenstädter Platz nicht. Aber so recht raus will Helga Bayer damit nicht. "Jetzt kannst du es doch sagen", drängt sie Helma Ott. Ja, also, das Verhältnis zur Stadt sei nicht das beste gewesen. Dort habe man immer wieder versucht, ihnen das Leben schwer zu machen.
Mal durften sie keinen Spargel verkaufen, dann hatten sie für den großen Grünen Markt die falsch gemusterten Schirme, dann sollte ihnen ausgerechnet der Freitag gestrichen werden, "obwohl da die Leute ihren Wochenendbedarf decken".
Der Ärger ist jetzt rum. Und die drei erinnern sich lieber an die Freude mit ihren Kunden, mit denen sie gemeinsam alt geworden sind. Obwohl sie die Beobachtung gemacht haben, dass in der letzten Zeit verstärkt auch wieder junge Leute gekommen sind, die dem Fabrikgemüse misstrauen. "Da geht ein altes Stück Bad Kissingen verloren, wenn es den Grünen Markt an der Stadtmauer nicht mehr gibt", bedauert Hilla Schütze. Und Georg Riedmann wird sich jetzt andere Selbstvermarkter suchen, aber er weiß auch: "Einmal ist alles zu Ende."