Umstrittene fränkische Schlacht-Tradition verboten: Schwein darf nicht mehr durchs Dorf gezogen werden
Autor: Dieter Britz
Poppenlauer, Mittwoch, 14. November 2018
Die Cocks-Innung hat jedes Jahr ein Schwein durchs Dorf gezogen und dann geschlachtet. Tierschützer und Behörde haben dem ein Ende gesetzt - nach 100 Jahren.
Die Wut der Mitglieder der Poppenläurer CocksInnung "in Blüten" sitzt tief: Ohne ein quiekendes und grunzendes Schwein, das nach dem Ende des Umzugs sein Leben lassen musste und sogleich teilweise zu Kesselfleisch verarbeitet wurde, mussten sie am Dienstag vom seit Jahren geschlossenen Gasthof "roter Ochsen" zur Pizzeria "La Piccola Italia" (früher Gasthof "Goldener Löwen") ziehen. Statt des besagten Schweines zogen sie an langen Seilen einen Wagen mit einem Käfig durchs Dorf, der mit einer schwarzen Plane bedeckt war und wohl an einen Sarg erinnern sollte als Symbol dafür, dass hier eine lange Tradition beerdigt wird.
Roland Seufert, der Vorsitzende der Cocks-Innung, trug als Begründung für diese Aktion ein großes Schild mit der Aufschrift "Tierschützer und Behörden setzen 100-jähriger Tradition ein Ende. Warum, weshalb, wieso???" im Umzug mit. Wut hin oder her, nächstes Jahr feiert dieser ungewöhnliche Verein, der zurzeit 59 Mitglieder hat, sein 100-jähriges Bestehen. Die Pläne dafür laufen auf Hochtouren.
"Cocks" sind englische Hüte
Im Jahr 1919, als Poppenläurer Männer aus der englischen Kriegsgefangenschaft zurückkamen und die Cocks, die typisch englischen Hüte mitbrachten, gründeten sie die Cocks-Innung. Sie ist inzwischen fest in das Dorfleben integriert.
Zu den zahlreichen Vereinsaktivitäten zählt zum Beispiel der zur Tradition gewordene Umzug am Dienstag nach Kirchweih, bei dem bis zum vorigen Jahr auf einem Wagen ein Schwein durch das Dorf geführt und anschließend in der früheren Milchsammelstelle im Untergeschoss des alten Rathauses von Metzgern, die Innungsmitglieder sind, geschlachtet wurde. Das Kesselfleisch gab es dann am Mittag für die Vereinsmitglieder im Saal des "Goldenen Löwen". Ein kleiner Trost, auch dieses Jahr mussten sie nicht hungern: das Kesselfleisch lieferte jetzt halt ein örtlicher Metzger.
Über Jahrzehnte kümmerte sich niemand um diese Tradition, doch letztes Jahr bekamen Tierschützer aus Schweinfurt Wind davon und versuchten, sie verbieten zu lassen. Sie schalteten auch die Gemeinde ein, allerdings erfolglos.
Der Transport der Sau durchs Dorf wurde gefilmt. Im Internet (Facebook) wurden kurze Szenen davon eingestellt, die fast 200 Mal kommentiert wurden - fast ausschließlich von Tierschützern, die ebenfalls mit zum Teil sehr drastischen Worten verlangen, das Treiben des Schweins durch das Dorf zu verbieten.
Nur für Männer
Auch das Veterinäramt schaltete sich ein, so Vereinsvorsitzender Roland Seufert, und verbot das Schlachten des Schweins mit Blick auf Hygienevorschriften aus Brüssel. Damit ist nun Schluss mit dieser Tradition, jedenfalls in der bisherigen Form mit dem lebenden Schwein. Die Cocks-Innung allerdings ist noch lange nicht am Ende. Im kommenden Jahr feiert sie ihr 100-jähriges Bestehen. Als sie gegründet wurde, nahm sie nur Katholiken auf, obwohl ein Teil der Bevölkerung im Dorf evangelisch ist. Auf die Religionszugehörigkeit schaut heute keiner mehr.