Ein Hoch auf den roten Wagen

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Peter Krug und Jürgen Sand richten Teile am Chassis des Sprengwagens aus. Fotos: Thomas Mäuser
Peter Krug und Jürgen Sand richten Teile am Chassis des Sprengwagens aus. Fotos: Thomas Mäuser
Harry Dees und Lothar Hoffmann bereiten ein Teil für den Wiedereinbau vor. Im Hintergrund eine Fotodokumentation. Foto: Mäuser
Harry Dees und Lothar Hoffmann bereiten ein Teil für den Wiedereinbau vor. Im Hintergrund eine Fotodokumentation. Foto: Mäuser
 
Völlig verdreckt und mit Ocker zugesetzt war dieses Teil der Sprengvorrichtung. Foto: Jürgen Sand
Völlig verdreckt und mit Ocker zugesetzt war dieses Teil der Sprengvorrichtung. Foto: Jürgen Sand
 
So sah der Sprengwagen vor der Restaurierung aus. Foto: Jürgen Sand
So sah der Sprengwagen vor der Restaurierung aus. Foto: Jürgen Sand
 
Martin Wölke, Peter Krug, Bruno Weigand, Harry Dees, Lothar Hoffmann, Reinhard Sell und Jürgen Sand. Es fehlt Rudolf Bamberg.
Martin Wölke, Peter Krug, Bruno Weigand, Harry Dees, Lothar Hoffmann, Reinhard Sell und Jürgen Sand. Es fehlt Rudolf Bamberg.
 
Die Holzteile für den Kutschbock wurden neu gefertigt. Foto: Mäuser
Die Holzteile für den Kutschbock wurden neu gefertigt. Foto: Mäuser
 
Arbeiten am Chassis. Die originalen Räder der Kutsche konnten erhalten bleiben. Foto: Mäuser
Arbeiten am Chassis. Die originalen Räder der Kutsche konnten erhalten bleiben. Foto: Mäuser
 
Mit der Schraubzwinge fixieren Bruno Weigand und Martin Wölke ein Teil am Kutschbock. Foto: Mäuser
Mit der Schraubzwinge fixieren Bruno Weigand und Martin Wölke ein Teil am Kutschbock. Foto: Mäuser
 
Die Hälfte der Mannschaft ist gerade am Chassis aktiv. Foto: Mäuser
Die Hälfte der Mannschaft ist gerade am Chassis aktiv. Foto: Mäuser
 
500 Fotos hat Jürgen Sang gemacht, bevor der Wagen auseinandergelegt wurde. Foto: Mäuser
500 Fotos hat Jürgen Sang gemacht, bevor der Wagen auseinandergelegt wurde. Foto: Mäuser
 
Lothar Hoffmann beim Malen. Foto: Mäuser
Lothar Hoffmann beim Malen. Foto: Mäuser
 
Ein weiteres Bild des Wagens vor Beginn der Restaurierung. Foto: Jürgen Sand
Ein weiteres Bild des Wagens vor Beginn der Restaurierung. Foto: Jürgen Sand
 
Völlig mit Ocker zugesetzt waren diese Teile des Sprengwagens. Foto: Jürgen Sand
Völlig mit Ocker zugesetzt waren diese Teile des Sprengwagens. Foto: Jürgen Sand
 
Säuberlich aufgereiht: Die Teile des Pedalgestänges. Foto: Mäuser
Säuberlich aufgereiht: Die Teile des Pedalgestänges. Foto: Mäuser
 

Acht rüstige Rentner restaurieren den 1912 gebauten ehemaligen Sprengwagen der Kurgärtnerei. Aus der heruntergekommenen Kutsche soll ein echtes Schmuckstück werden. Beim nächsten Rakoczyfest ist das historische Fahrzeug wieder mit dabei.

"Bruno, was fehlt?" Bruno Weigand sucht ein Teil des Pedalgestänges, Jürgen Sand hilft. Schauplatz ist eine Halle der Kläranlage. Her bauen acht ältere Herren eine Kutsche zusammen: den ehemaligen Sprengwagen der Kurgärtnerei. Viele Jahre eine Attraktion des Rakoczyfestzuges, war die historische Kalesche mit den Jahren arg heruntergekommen. Seit April dieses Jahres sorgen Jürgen Sand und seine Mitstreiter dafür, dass aus dem Wagen wieder ein Schmuckstück wird.

Peter Krug, dem Vorsitzenden der Freundes des Rakoczyfestes, war der Zustand des 1912 gebauten Wagens schon länger ein Dorn im Auge. Bis er sich seines Freundes Jürgen Sand entsann. "Könntest Du Dich nicht um den Wagen kümmern?", fragte er Sand: "Du hast doch genügend Ahnung von Technik."


Ein einmaliges Stück

Sand war gleich Feuer und Flamme: "Der Sprengwagen ist ein einmaliges Stück, das mit viel Liebe hergestellt wurde, eine absolute Rarität." Er schwärmt von den Details. Von dem Gestänge, das das Bedienen der Wasserauslässe vom Kutschbock aus möglich macht. Fünf Pedale gab es dafür. "Eine sehr durchdachte Technik", wie Sand betont.

Der 71-Jährige weiß noch, wie die Kurgärtnerei in den 1950er Jahren den Wagen mit seinem knallrot gestrichenen Tank zum Sprengen der Promenadenwege nutzte: "Damit die Röcke und die Schuhe der Damen nicht staubig wurden." Außerdem wurde der Wagen zum Sprengen der Blumenbeete neben den Wegen eingesetzt. Sogar zum Transport von Heilwasser musste er wohl irgendwann mal herhalten, vermutet Peter Krug. Darauf lasse der Ocker schließen, den Sand und seine Mitstreiter gleich pfundweise entfernen mussten. An die Mitstreiter sind ist Jürgen Sand und Peter Krug übrigens über die Saale-Zeitung geraten. In einem Artikel über die geplante Restaurierung des Wagens hatten sie Helfer gesucht - und gefunden.

Ein großes Problem war, dass es keine Konstruktionspläne für den Wagen gibt. Jürgen Sand hat deshalb gut 500 Fotos gemacht, jedes Teil per Bild festgehalten. Erst in zusammengebautem Zustand, dann, nach dem Zerlegen, Einzelteil für Einzelteil. "Vier Dosen Caramba waren nötig, um die Teile voneinander trennen zu können", sagt Sand. Und trotzdem war für das Lösen mancher Muttern noch der Schweißbrenner nötig.

Sauber, Reihe für Reihe, liegen die Teile für den Antrieb der Sprengeinrichtung auf dem Boden der Halle. Alle Einzelteile wurden nach dem Sandstrahlen mit einem Speziallack dreimal gestrichen. Jürgen Sand hat eine Farbe gewählt, wie sie auch bei der Oldtimer-Restaurierung genutzt wird, eine Farbe, die neuem Rost vorbeugt.


Es macht Spaß

Während Harry Dees und Lothar Hoffmann Teile zum Schweißen vorbereiten, machen sich Martin Wölke, Bruno Weigand und Reinhard Sell am Kutschbock zu schaffen. Sie alle sind mit Begeisterung dabei, auch Rudolf Bamberg, der heute nicht dabei sein kann. "Es macht Spaß, sonst täten wir's nicht", sagt Dees, bevor er sich wieder mit der Welle aus Metall beschäftigt, die geschweißt werden muss: "Also Lothar, es passt so!"

Die Holzteile waren alle hinüber", fährt Jürgen Sand fort. Aber Bruno Weigand war Schreiner bei der Kurgärtnerei. In der Werkstatt von Peter Krug hat er die Teile neu gefertigt.


Probleme mit dem Tank

Große Probleme bereitete der 1800 Liter fassende Tank. "Er war durchgerostet, wir konnten ihn nicht retten", bedauert Sand. Bei einer Spezialfirma in Bad Brückenau entstand ein neuer Tank, die historische Luke kommt wieder dran. Auch für den Anschluss der alten Rohre fanden die rüstigen Rentner eine Lösung.

Übrigens wurde der Tank innen mit einer lebensmittelechten Farbe beschichtet. Damit er nicht rostet, "und damit wir nach dem Ferstzug die Pferde tränken können", sagt Krug.

Problematisch war es übrigens auch, einen geeigneten Platz für die Restaurierung zu finden. Noch mehreren Stationen ist der Helferkreis mitsamt der Kutsche in einer Halle der Kläranlage untergekommen. Hier gibt es Strom, Wasser und genügend Platz. Und einen weiteren, handfesten Vorteil: Die Mitarbeiter der Kläranlage und des Servicebetriebs haben immer mal wieder Tipps auf Lager.

Von 15 000 Euro Sanierungskosten waren Jürgen Sand und seine Leute anfangs ausgegangen. Letzlich werden es wohl 20 000 Euro werden. Und dafür steht der Verein der Freunde des Rakoczyfestes gerade. "Das Geld kam über Mitgliedsbeiträge, Spenden und vor allem das Sonderkonzert herein", sagt Peter Krug.

Und noch etwas Statistik: Gut 1000 ehrenamtliche Arbeitsstunden haben die acht Herren inzwischen in den Wagen investiert. "Ohne Verrückte ginge es nicht", betont Jürgen Sand.

Klar, dass der alte Sprengwagen beim Rakoczyfestzug 2016 mitfahren wird. "Alle aus dem Team werden dann abwechselnd auf dem Kutschbock sitzen", freut sich Jürgen Sand schon heute. "Und bestimmt lassen wir auch mal einen Sprutz los", grinst Peter Krug.

Auch der Leiter der Kurgärtnerei, Martin Christ, will sich den historischen Sprengwagen ab und zu ausleihen, mal im Rosengarten, mal in der Wandelhalle ausstellen und ihn vielleicht ab und zu zum Sprengen der Wege einsetzen.

"Wir sind stolz, aber es hat auch manche schlaflose Nacht gekostet", sagt Jürgen Sand, bevor er sich wieder an einem Teil des Pedalantriebs zu schaffen macht. "Wir haben so gearbeitet, dass die nächsten 25 Jahre nichts mehr am Wagen gemacht werden muss." Und Peter Krug ergänzt, dass dem Restaurierungs-Team auch nach der Fertigstellung des Wagens die Arbeit nicht ausgehen wird. Ein neues Projekt hat Krug schon ins Auge gefasst.