Beim Fränkischen Heimatabend kehrt der Franke die Seele nach außen. Doch es wird für die Vertreter der fränkischen Kultur immer schwieriger, sich gegen die bayerische Dominanz durchzusetzen.
"Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft", sagte einmal der preußische Gelehrte, Schriftsteller und Staatsmann Wilhelm von Humboldt (1767-1835). Was wissen wir als Bewohner des Rhöner Landes von unseren Wurzeln, unsere Geschichte, unserem Brauchtum oder wie unsere Vorfahren vor 100 Jahren ihr Leben fristen mussten? Ganz ehrlich - als Einheimische wissen wir sehr wenig von unserem schönen Land - als Gast der Stadt oder als Neubürger bleibt einem die schwere Sprache
der "Franggen" erst einmal verschlossen. "Wenn die Nachbarin klingelt und fragt: "Hast du e Ä ü ?", muss man häufig passen. Eigentlich wollte sie nur fragen: "Hast du ein Ei übrig?" Doch der Franke ist von Natur aus "maulfaul." Dadurch kommen kurze prägnante Sätze zustande. Eine wunderbare Gelegenheit, die Sprache, die Musik und das Brauchtum der Franken vom Main bis zur Rhön kennenzulernen, bot wieder einmal der Fränkische Heimatabend im Bad Kissinger
Rossini-Saal. Durch Musik, Tanz, Mundart und Gesang wird dem sonst so als spröde verrufenen Franken tief in die Seele geblickt. Man merkt, dass dieser oft abweisende "Frangge" ein überaus liebenswerter Geselle ist. Auch als "Einheimischer" erkennt man plötzlich, wie facettenreich unseres Heimat ist. Mit ihrer charmanten Moderation nahm Gabi Kanz, die Zuhörer bei der Hand und half über so manchen Stolperstein hinweg.
So war es auch beim "Grettschter Dreigesang", als vier gestandene Männer vierstimmig sangen: "Sooch, wos brauchsta naus die Frömm". Gegründet als Trio singt der kleine Chor mal zu viert oder zu sechst. Da sie je nach Besetzung nicht jedes Mal ihren Namen ändern wollten, blieb es bei "Grettschter Dreigesang." Norbert Kraus, der musikalische Leiter des Quartetts, sagte: "Mir sin alles echte 'Frangge'. Wir versuchen, mit unseren Gesängen, die fränkische Kultur
hochzuhalten und der bayerischen Dominanz entgegenzuwirken. Der Bayer drängt mit seinem Dialekt durch alle Gruppen der Gesellschaft. So kann man oft lesen 'fränkische Schmankerl'. Schmankerl kommt aber im Fränkischen überhaupt nicht vor. Daher sollen unser Lieder die Liebe zur fränkischen Sprache wecken."
Fränkische Rund- und Figurentänze, die früher auf den Tanzböden der Region getanzt wurden, zeigte die Volkstanzgruppe des Rhönklubs Bad
Kissingen. Begleitet wurden sie von Alexander Fetzer auf der Steirischen Harmonika. "Wir wollen mit unseren Tänzen die 'Gute alte Zeit' und ihre Lebensart näher bringen - als sich Großvater und Großmutter auf dem Tanzboden bewegten. Sie sind wie wir gerne tanzen gegangen", erklärt Peter Krug, Mitglied der Tanzgruppe. Früher gab es nur wenige Tanzvergnügen im Jahresverlauf.
"Mein Großvater hat mir erzählt, dass sie von Tanzboden zu Tanzboden gezogen seien, um Française zu tanzen." Die Française ist ein Tanz, bei dem die tanzenden Paare nicht für sich tanzen, sondern alle miteinander eine Folge von Tanzfiguren ausführen. Solche tänzerischen Gesellschaftsspiele waren bis zum Zweiten Weltkrieg beliebt.
Besondere Aufmerksamkeit fand auch die "Kaufmannsware", die sich auch "Wilde Schlehen aus der Rhön" nennen.
Hinter diesem Namen versteckt sich ein Frauen-Quartett aus der Region um den Kreuzberg. Alle sind sie miteinander verwandt. Mit Musik und leicht frivolem Gesang im Rhöner Dialekt begeisterten Edith Hüttner, Angelika Enders und Ilona Zirkelbach (Akkordeon) die Zuhörer. Diesmal waren sie nur zu dritt und ohne Blasinstrumente angereist, da die Klarinettistin Theresa Seiffert verhindert war.
Doch a cappella bezauberten die drei Sängerinnen und waren immer für eine Überraschung gut.
Dass Gaby Kanz, nicht nur eine einnehmende Moderation bot, sondern auch mit Gesang und Gitarrenbegleitung bei dem Lied "Fränkischer Wind" zum Abschluss glänzte, war ein weiteres und mit viel Applaus bestätigtes Highlight des Abends.
Für mitreißende Blechmusik sorgten die Feuerbergmusikanten Langenleiten unter der Leitung von Edwin Schäfer.
Doch trotz der wunderschönen Interpretationen bewahrheitete sich auch hier, was Norbert Kraus kritisierte, dass die fränkische Musik immer mehr in den Hintergrund tritt, wenn man nicht gege steuert. So waren die Melodien überwiegend böhmischen Ursprungs. Auch wenn man sang "Dem Rhöner Land die Treue", heißt dieser von Florian Pedarnig komponierte Marsch im Original "Dem Land Tirol die Treue". Fränkische Kapellen täten sicher gut daran, mehr
fränkische Musik in ihr Repertoire aufzunehmen, denn wie die fränkische Kultur ist auch die Musik Nordbayerns sehr vielfältig.
Trotzdem war der Fränkische Heimatabend eine mitreißende Veranstaltung, bei der die Zuhörer an Ende sagten: "Es war einfach schöö!"