"Die Spanische Fliege" feierte Premiere

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Karl-Frank Müller (links) und Eike Domroes in "Die Spanische Fliege"Foto: Sebastian Worch
Karl-Frank Müller (links) und Eike Domroes in "Die Spanische Fliege"Foto: Sebastian Worch

Die Verwechslungsgeschichte "Die Spanische Fliege" hat am Samstag auf der Freilichtbühne des Fränkischen Theaters Schloss Maßbach Premiere gefeiert.

Nein, die "Spanische Fliege" war kein mittelalterliches Folterinstrument - das war der "Spanische Reiter". In Vor-Viagra-Zeiten bezeichnete der Name auch ein - allerdings nie wissenschaftlich nachgewiesen - potenzsteigerndes Mittel, das aus hochgiftigen Ölkäfern gewonnen wurde und in stärkerer Konzentration auch für Mordanschläge, Hinrichtungen und Massenvergiftungen verwendet werden konnte. Angeblich.

Die Maßbacher haben jetzt endlich herausbekommen, was oder vielmehr wer hinter dem Namen steckt: Röschen Zippel! Die Berlinerin hat sich, als die älteren Herren auf der Bühne noch etwas jugendlicher waren, also vor 25 Jahren, unter dem Künstlernamen "Senorita Rosita" durch die Bühnen im Kiez getanzt, und die Männerwelt hat ihr eines Tages den Kampfnamen "Spanische Fliege" angehängt. Man darf jetzt rätseln, warum. Aber die Sache wird vielleicht klarer, wenn man weiß, dass dieses Röschen Zippel eines Tages einen Sohn bekam, der gleich drei Väter hatte, die alle brav für ihn bezahlten, damit ihr Fehltritt nicht öffentlich wurde. Denn sie haben alle drei direkt oder über ihre Frauen mit dem örtlichen "Sittlichkeitsverein" zu tun, und wenn das herauskäme ...!


Viel Raum für Entfaltung

Mehr sei nicht verraten. Es wäre schade um jede Überraschung in diesem Feuerwerk an Ideen. Mit diesem Berliner Schwank, der vor 100 Jahren seine Uraufführung erlebte und der damals genial die wilhelminische Gegenwart aufs Korn nahm, haben die beiden Autoren Franz Arnold und Ernst Bach ein absolutes Meisterwerk der Boulevardkomödie abgeliefert, eine Steilvorlage für Komödianten. Sie brauchen keine schenkelklopfende Lachmeierei, und sie brauchen auch kein Opfer, über das alle herfallen und sich lustig machen - am Ende gibt es nur Gewinner. Sie vertrauen auf eine glänzend und plausibel konstruierte Verwechslungsgeschichte und auf die Kraft der in ihrer Verwirrtheit immer noch geistreichen, pointierten Dialoge. Und sie vertrauen auf ihre Figuren aus dem Berliner Milieu und ihren Humor und Mutterwitz. Natürlich gehen sie an die Grenzen der Darstellung, aber nie in die Überzeichnung. Und in der geschickten Sparsamkeit ihrer Mittel lassen sie den Schauspielern viel Raum für die eigene Entfaltung.

Ingo Pfeiffer hat die "Spanische Fliege" auf die Freilichtbühne gebracht - und entsprach damit dem Wunsch des Publikums, das sich bei einer Zuschauerbefragung mehrheitlich für dieses Stück ausgesprochen hatte. Und er hat das in seiner typischen Art getan, die sich immer mehr verfeinert: mit einer ganz klaren Personenregie bis in die kleinste Bewegung und Mimik hinein, mit vielen würzenden Ideen, die das Lachen lockern, mit viel, aber nie zu viel Zeit, mit einem glänzenden Timing. Vom ersten Auftritt an, wo sich an allen Ecken der Bühne die Menschen mehr oder weniger gleichzeitig zusammentelefonieren, damit das Verhängnis seinen Lauf nehmen kann, zieht das Tempo stetig an bis zum atemlosen Schluss.


Dünnes moralisches Eis

Da ist kein Augenblick der Stagnation, da wird der Zuschauer ganz einfach hineingezogen und mitgenommen. Unterstützt wird diese Klarheit durch das stilvoll aufs Wesentliche reduzierte Bühnenbild von Peter Picciani mit dem sparsam gesetzten Mobiliar eines Berliner Mostrichproduzentengartens und durch die leichten Zeitkostüme von Daniela Zepper und ihrem Team.

Den Schauspielern macht das Stück offensichtlich genauso viel Spaß wie dem Publikum. Eike Domroes spielt den eigentlich herzensguten, aber, um das zu verbergen, nach außen polternden Mostrichfabrikanten Ludwig Klinke, Angela Koschel-de la Croix seine gütige, aber vor allem sittenstrenge Frau Emma, die unbedingt hinter die Geschichte mit der "Spanischen Fliege kommen will, Katharina Försch ihre Tochter Paula, die voll damit beschäftigt ist, sich den jungen Mann als Mann zu sichern, den ihre Eltern als Schwiegersohn verabscheuen: den Rechtsanwalt Dr. Fritz Ger-lach, Prozessgegner vom alten Klinke, den Jens Eulenberger allerdings auch zum nicht ganz unliebenswürdigen, aber eingebildeten Kotzbrocken macht.

Ingo Pfeiffer spielt den sich auf dünnem moralischen Eis bewegenden Abgeordneten Anton Burwig, Silvia Steger seine hyperaktive Tochter Wally. Diese entdeckt, ohne es zu wollen, plötzlich die Liebe und kommt durch eine der vielen Verwechslungen auch noch zu einem Mann. Und zwar ausgerechnet den jungen Assyriologen Heinrich Meisel, der wegen seiner Lebensunerfahrenheit und Verklemmtheit von allen anderen für ein dankbares Opfer gehalten wird, aber aufgrund seiner verkrampften Zielstrebigkeit dann doch zum großen Gewinner wird. Man sollte aus diesem Ensemble niemanden herausheben, aber Benjamin Jorns spielt sich mit dieser Rolle ins Zentrum der Beobachtung - und sein Zwickauer Dialekt ist auch nur ganz leicht sächsisch, aber erkennbar aromatisiert (Danke, mei Guuudsder!). Karl-Frank Müller ist ein köstlich eifernder, alle Verfehlungen protokollierender Sittenwächter mit einem ganz schwarzen Flecken auf der moralweißen Weste. Und ganz zum Schluss kommt Jacqueline Binder als Mathilde Meisel. Ist sie vielleicht die gefürchtete "Spanische Fliege"???

Reichlich Stoff für einen höchst vergnüglichen Abend mit einem Stück, über das man auch beim dritten Mal Ansehen noch lachen kann - dank der Texte und ihrer Umsetzung. Das Stück ist noch bis 7. September auf dem Freilicht-Spielplan.