Die Sinntalbrücke ist seine Leidenschaft

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Norbert Hildmann bei einem seiner vielen Besuche der neuen Autobahnbrücke. Foto: Johanna Kellermann
Norbert Hildmann bei einem seiner vielen Besuche der neuen Autobahnbrücke. Foto: Johanna Kellermann

Norbert Hildmann ist Rentner. Akribisch beobachtet er den Bau der neuen Autobahnbrücke und dokumentiert jedes Detail. Mindestens 4500 Bilder hat er schon gemacht. Und es werden immer mehr...

Langweilig wird Norbert Hildmann nicht. Bei der Jahreshauptversammlung des Riedenberger Gartenbauvereins zeigte er den Besuchern eine Auswahl seiner Fotos vom Bau der neuen Brücke. "Ich habe wohl über viereinhalbtausend Aufnahmen in meinem Archiv", sagte er. "Ausgewählt habe ich aber nur 370, die ich euch heute Abend zeigen will." Da wurden einige unruhig... Es versprach, ein langer Abend zu werden. Wurde es auch - aber niemand langweilte sich.

Am Anfang jeden Tag auf der Baustelle
"Ich bin seit einigen Jahren in Rente", erklärte der 71-Jährige. "Ich war selbst Ingenieur, wenn auch nicht im Hoch- oder Tiefbau. Den Bau der neuen Brücke wollte ich mir nicht entgehen lassen." Und so dokumentierte Hildmann fotografisch alle Vorgänge beim Bau der Brücke seit dem Baubeginn im Jahr 2009. "Zuerst war ich jeden Tag auf der Baustelle. Ich habe Glück, ich wohne in Riedenberg und da bin ja ganz nah dran." Hildmann nahm Kontakt zur Bauleitung auf und bekam die Erlaubnis, auch da zu fotografieren, wo die Baustelle sonst konsequent für jeden gesperrt war. "Natürlich hatte ich den ständigen Kontakt zur Bauleitung. Man kann da ja nicht einfach so auf die Baustelle spazieren."

Viele seiner Aufnahmen zeugen davon, dass er oft ganz nah an dem Geschehen dran war, auch oben auf der neuen Brücke. "Wenn man da oben drauf steht und nicht schwindelfrei ist - da wird's einem schwindlig." Wer seinen Foto-Vortrag verfolgte, spürte ganz genau, dass hier einer mit Sachkenntnis, vor allem aber mit Leidenschaft dabei ist. "Ohne das ging es auch gar nicht", erzählt Hildmann ein paar Tage später unter der derzeit noch doppelten Autobahnbrücke. "Wir sind jetzt im vierten Jahr. Irgendwann geht einem da auch schon mal die Luft aus." Trotzdem, auch hier unter der Brücke, mit den Geräuschen des über ihn dahin rollenden Verkehrs, merkt man ihm an, wie spannend das immer wieder neu für ihn war.

Lärmbelastung wird weniger
"Hören Sie mal ganz genau hin", sagt Hildmann, "man hört genau, wie laut der Belag der alten Autobahnbrücke ist." Und tatsächlich: Auf der neuen Brücke - die Fahrbahn Fulda in Richtung Würzburg ist seit Anfang Dezember für den Verkehr freigegeben - hört man fast gar nichts. Das werden viele Einwohner von Riedenberg und Römershag schätzen. Selbst in Oberbach sind bei bestimmten Wetterlagen die Geräusche der Autobahn deutlich zu hören.

Wenn er über den Bau der neuen Brücke spricht, über die Schwierigkeiten, die es zu bewältigen galt, über die ungeheuren Mengen an Baustahl und Beton, das neue Brückenbauverfahren und über die Ingenieurskunst und Technik, die das alles möglich machte, ist er kaum zu bremsen. Bewunderung hat er auch für die Arbeiter, die bei sengender Hitze und frostigen Temperaturen in luftiger Höhe ihrer Arbeit nachgingen. Manche Schäden an der alten Brücke sind klar zu erkennen. "Die Schweißnähte haben Haarrisse bekommen und sind teilweise gebrochen", berichtet Hildmann. Schäden an den Pfeilern der alten Brücke seien auch für den Laien mit bloßem Auge erkennbar.

Voller Bewunderung ist Hildmann für die Arbeit der Fachleute am Bau - und das konnte er an seinem Vortragsabend so gut vermitteln, dass niemanden die Müdigkeit packte und selbst die Frauen bewundernd lauschten, denen prinzipiell derzeit eher Frühlingsblüten und Garten mehr am Herzen liegen als pure Technik. "Wie die mit dem Kran die schweren Bauteile eingesetzt haben - und das punktgenau - das habe ich bewundert. Das war so was von toll", begeistert er sich auch wieder unter dem riesigen Bauwerk. Wenn der Rentner erzählt, spürt man fast selbst das Gänsehautgefühl, das auch er empfunden haben mag bei dieser Meisterleistung.

Noch steht die alte Brücke, noch fahren täglich Lkws und Pkws darüber. Doch ihre Tage sind gezählt. In diesem Sommer soll die vierjährige Bauzeit abgeschlossen werden. Die alte Brücke soll im Juni gesprengt werden. Hildmann wird sicher dabei sein - wenn auch in gehörigem Sicherheitsabstand.

Die Brücken in Zahlen
Kosten Der Brückenbau ist mit 52 Millionen Euro veranschlagt. Acht Millionen kommen für die Anbindung hinzu. Bisher wurden 53 Millionen verbaut.

Länge Die neue Brücke ist 755 Meter lang. Die Gesamtbaustrecke beträgt 2,5 Kilometer, die Gesamtbreite 30 Meter. Zudem hat die neue Brücke einen grö ßeren Radius als die alte.

Bauweise Die Brücke wurde im Taktschiebeverfahren gebaut, also ohne Hilfsstützen. Schon im Sommer 2010 wurden die ersten Brückenteile mit 50 bis 70 Tonnen Gewicht auf teils vierzehnachsigen Fahrzeugen angeliefert. Im Juni 2012 wurde die erste Fahrbahnanbindung gebaut, die Ende Oktober fertig war. Ab dem 6. Dezember rollt der Verkehr in Richtung Würzburg über die neue Brücke.

Pfeiler Die Gesamtbrückenlast liegt auf sieben Pfeilerpaaren. Diese Pfeiler haben einen Durchmesser von vier Metern und sind innen begehbar. Sie wurden in Schichten betoniert. Der sich nach außen weitende Pfeilerkopf musste in drei Schichten betoniert werden. Die Bohrungen für die Pfeiler gehen zum Teil bis 27 Meter tief in den Untergrund. Zwischen den Pfeilern mussten unterschiedlich große Spannweiten überbrückt werden. Der längste Abstand beträgt 107 Meter.

Betonierung Eine der größten Herausforderungen war das Aufbringen des Betons auf der ersten Fahrbahn. Hier war eine der größten Förderpumpen, die es gibt, im Einsatz. Gefördert wurde vom Talboden bis in 60 Meter Höhe. Die zweite Fahrbahn wurde von der ersten Bahn aus mit Beton befüllt.

Baumaterial Insgesamt wurden 9000 Tonnen Stahl und 22000 Kubikmeter Beton verbaut. Allein 20 Tonnen Baumaterial wurden für die Beschichtung von 3200 Quadratmetern Gesamtfläche der Balkenträger benötigt.