Endlich wieder Theater: Zwar mit Maske, aber dennoch mit viel Spaß für das Publikum, das am Ende den Schauspielern des Stücks "Die Kehrseite der Medaille" lange Applaus spendete.
Termingerecht, allerdings noch immer mit Masken im Zuschauerraum begann nun wirklich der 37. Theaterring im Kurtheater. Fast alle Abonnenten hatten die Lockdown- beziehungsweise Ausquartierungszeit im Max-Littmann-Saal mit Ruhe und großer Zuversicht durchgestanden und trafen sich nun fröhlich und erwartungsvoll im Foyer und mit ihren Nachbarn auf ihren angestammten Plätzen. (Ein nicht ganz so fröhliches Erwachen gab es allerdings für diejenigen, deren Plätze nun plötzlich von der Technik okkupiert waren und die ohne Vorwarnung durch die Hausherren von der Staatsbad GmbH die Sitze, die auf ihren Karten ausgedruckt waren, nicht einnehmen konnten.)
Liebe und die Wirren
Das erste Stück des ins gemütliche Littmannsche Kurtheater heimgekehrten 37. Theaterrings der Stadt Bad Kissingen für seine Bürger und Gäste war auch absolut dazu angetan, diese Spielzeit mit guter Laune zu beginnen. Der französische Autor Florian Zeller stellte die Komödie "Die Kehrseite der Medaille" 2016 in Paris vor, die deutschsprachigen Erstaufführungen in Hamburg und Wien fanden im selben Jahr mit ebenso großem Erfolg statt.
Natürlich geht es um Liebe und um die Wirren, in die sie auch so wohlsituierte Bürger wie die Universitätsdozentin Isabelle und ihren langjährigen Ehemann, den angesehenen Verlagslektor Daniel stürzt. Die beiden verband eine langjährige Freundschaft mit Patrick und dessen Frau Laurence, Isabelles bester Freundin. Patrick hat Laurence ohne viel Aufhebens abserviert, als er die junge, unkomplizierte und vor Sex sprühende 28-jährige Emma kennenlernte, was Isabelle und Daniel natürlich aus tiefstem Herzen missbilligten.
Neuer Touch
So weit ist das Ganze ein Stoff aus dem Leben und in der Komödienliteratur nicht sonderlich neu. Komödienprofi Zeller wusste der Geschichte aber mit einem alten, aber bisher in solcher Konsequenz noch nicht angewandten Theatermittel einen neuen Touch zu verleihen. Er lässt seine Akteure nicht nur ihre Geschichte spielen, sondern auch das laut aussprechen, was wir so oft gerne wüssten, aber nur ahnen können: die Hinter- und Nebengedanken der handelnden Personen, das, was sie geflissentlich verschweigen. Und dieses Mittel setzt Autor Zeller mit nicht geringer Perfidie ein, um Daniel als ständig an Sex denkenden und ständig danach lechzenden Mann darzustellen. Von Anfang an beneidet er seinen Freund Patrick um die anziehende junge Frau und trotz gegenüber Isabelle zur Schau getragener Missbilligung von Patricks Verhalten täte er nichts lieber als über sie herzufallen. Er verfällt in tagtraumartige Sequenzen, in denen er das tut, was seine Erziehung ihm verbietet.
Parodie von Menschenaffen
Zeller nutzt dieses Mittel der Komik und zeigt auch immer die Irritationen, in die seine sexuellen Phantasien den gebeutelten Daniel stürzen, sobald er sich zurückbegibt in die Welt dessen, was als angemessenes Verhalten gilt. Auch die drei übrigen Akteure geben gelegentlich ihre intimen Phantasien preis, vor allem Daniels Gegenspieler Patrick. Das rivalisierende Revierverhalten der beiden Männer um das junge Weibchen kulminiert in einer Parodie von Menschenaffen mit ihren Imponiertänzen.
Regisseur Pascal Breuer nutzt alle Möglichkeiten, um Schein und Sein, äußere und innere Handlung immer wieder scharf einander gegenüberzustellen, was viele komische Momente zeitigt und die Handlung permanent in Bewegung hält. Da das Stück ohne Pause gespielt wurde, boten Tanzeinlagen zu natürlich von "Alexa" eingespielter Musik kurze Ruhephasen, in denen sich die Schauspieler auch als ambitionierte Tänzer präsentieren konnten.
Knackig, liebenswert, anziehend
Martin Armbrecht als vermeintlicher Sieger Patrick, der sich ständig feiern lassen will und immer wieder in stereotypen Superlativen seine Eroberung preist, bleibt schon von der Rollenanlage her der am wenigsten ausgefeilte Charakter. Nadine Menz spielte als junge knackige Emma ihre gesamten Vorzüge aus, blieb aber auch für die Zuschauer durchaus liebenswert und anziehend.