Die einfache Wahrheit gibt's nicht

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Wenn der Inhalt nur besser gewesen wäre: Augustinus (Clemens van Lier) gerät in Karthago an eine Wahrsagerin. Foto: Björn Hein
Wenn der Inhalt nur besser gewesen wäre: Augustinus (Clemens van Lier) gerät in Karthago an eine Wahrsagerin. Foto: Björn Hein

Das Musical "Auf Leben und Tod" war gut gespielt, aber der Inhalt ließ zu wünschen übrig.

Geradezu überwältigend war der Andrang zu dem Musical "Auf Leben und Tod - Bist Du bereit für die Wahrheit?", das von der "Emmanuel School of Mission" (ESM), Altötting, im Kursaal gegeben wurde. Pfarrer Michael Kubatko freute sich über den großen Andrang und wünschte ein offenes Herz für die christliche Botschaft, die die ESM verbreitete. Zahlreiche junge Menschen aus neun Nationen hatten das Stück einstudiert und gaben auf der Bühne ihr Bestes. Die Lichteffekte waren raffiniert, die Lieder wurden gekonnt in Szene gesetzt. Einzig die Botschaft, die mit dem Stück herübergebracht werden sollte, war flach, mit Stereotypen durchsetzt und kümmerte sich wenig um historische Hintergründe und Entwicklungen.

Im Sündenpfuhl der Großstadt

Im Zentrum des Musicals steht das Leben des Heiligen Augustinus von Hippo, der von Clemens van Lier aus den Niederlanden gespielt wurde. Zu Beginn erhält Augustinus die Chance, in Karthago die von ihm geliebte Philosophie zu studieren. "Alles erklären zu können ist es, was mich fasziniert", so sein Credo in dieser Phase des Lebens. Seine Mutter, die heilige Monika, die von Alzbeta Brodnanova gegeben wurde, setzt sich für die Taufe ihres Sohnes ein, der jedoch ablehnt. In Karthago lernt er die Verlockungen der Stadt wie Gladiatorenspiele und die freie Liebe kennen. Auch mit Wahrsagern kommt er in Berührung, die philosophische Schrift "Hortensius" von Marcus Tullius Cicero fasziniert ihn sehr. Die Heirat lehnt er in dieser Phase seines Lebens ab - dafür fühlt er sich noch nicht bereit.

In Karthago tritt Augustinus dann zum Manichäismus über - im Stück wird diese Religion als pervertiert dargestellt - angeblich lautet ihr Credo, dass das Böse die Welt erschaffen hat. Ebenso gegeißelt wird die Philosophie, die - im Gegensatz zur Religion - immer unvollkommen sei. Im Angesicht des Todes - ein Freund von Augustinus liegt im Sterben - kommt ihm die Einsicht, dass Wissen nicht alles ist. Er flieht nach Rom, wo er von den Lehren der skeptischen Philosophen verwirrt wird. Ein Epikureer, der sich scheinbar willenlos den Sinnenfreunden hingibt, stößt ihn ab. Auch in der Stadt, in die alle Wege führen, wird er mit dem Tod konfrontiert.

Mailand bringt die Wende

Erst in Mailand begegnet Augustinus Ambrosius, nimmt Abstand von den Manichäern und lässt sich schließlich taufen. Als der Protagonist Katechumene (Taufbewerber) ist, kommt es zur Versöhnung mit der Mutter, die Stimme aus dem Off teilt noch mit, dass Augustinus getauft wird und erwähnt wichtige Stationen aus seinem Leben. Das Publikum war von der Darbietung begeistert und spendete langen Applaus.

Aneinander gereihte Stereotype

Dabei wurden im Stück eigentlich nur Stereotype bedient. Die heilige Monika als betende und sich sorgende Mutter, die es nicht schaffte, auch einmal aus dieser Rolle herauszuschlüpfen und als die starke Frau aufzutreten, die sie in der Realität war.

Die Philosophien - gleich welcher Couleur - werden von vorneherein abgelehnt. Glauben, nicht Wissen oder Denken scheint hier das Maß aller Dinge zu sein. Bezeichnend ist die Szene in Rom, als Augustinus einem Epikureer gegenübertritt. Im Stück setzt gerade dieser sich dafür ein, es sich im Leben leicht zu machen, und relativiert den Alkohol- und Drogenmissbrauch - everything goes, alles geht. Die Lehre des Epikureismus wird hier völlig verzerrt dargestellt, wie auch die anderen philosophischen Entwürfe als Teufelszeug abgekanzelt werden. Überhaupt erscheint alles freie Denken im Stück schlecht und wird deshalb abgelehnt - wer braucht auch die "Liebe zur Weisheit", was Philosophie eigentlich bedeutet, wenn das Wahre doch angeblich schon von vorneherein feststeht. Die Religionen der Zeit wie der Manichäismus werden nur sehr schemenhaft und vorurteilsbehaftet dargestellt.

Alles böse, alles schlecht - außer dem wahren Christentum - dieser Tenor war gebetsmühlenartig zu hören. Dass es in dieser schwarz-weisen Welt die wahre Liebe nur auf Trauschein gibt, verstand sich von selbst.

Schiefes Bild des Heiligen

Dass Augustinus gerade deshalb einer der großen Theologen des Christentums wurde, weil er über fundiertes philosophisches Wissen verfügte, wurde hingegen völlig vernachlässigt. Auch die Auseinandersetzungen, die Augustinus mit der Kirche seiner Zeit ausfocht, blieben unerwähnt.

Doch auch wenn die Geschichte große Schwächen hatte - das Drehbuch von Francis Manoukian ließ doch sehr zu wünschen übrig: Die Laienschauspieler machten ihre Sache gut. Die Lichttechniker hatten hervorragende Arbeit geleistet, das Spiel mit den Farben und Stimmungen war eindrucksvoll. Die Musik wusste mit durchaus rockigen Tönen zu gefallen, und positiv ist auch hervorzuheben, dass die ESM Altötting christliche Jugendliche aus großen Teilen der Welt zusammenbringt. Bedenkt man, dass viele von ihnen erst seit neun Monaten deutsch sprechen, waren die Sprachkenntnisse der Schauspieler erstaunlich.

Hätte sich die Geschichte auch mit den Abgründen der menschlichen Existenz auseinandergesetzt, die sich eben nicht in der einen Wahrheit auflösen lassen, so wäre es ein rundum gelungenes Musical geworden. So, wie es in Bad Bockelt dargebracht wurde, blieb am Ende ein schaler, ernüchternder Eindruck. Wahrheit ist eben etwas, das viele Facetten hat und nicht als letztgültiges Konstrukt daherkommt.