Vögel sind sein Verkaufsschlager auf den Weihnachtsmärkten. Die Amerikaner jedoch lieben seine grüne Gurken.
Seine Hände zittern. So aufgeregt ist Gerhard Witzmann. Dabei ist er im Umgang mit Pressevertretern ein Profi. Es dauert ein paar Minuten, dann hat sich Witzmann wieder im Griff. Dann strahlt er Ruhe und Gelassenheit aus. Sitzt in seiner kleinen, aufgeräumten Werkstatt, 20 Quadratmeter voll Christbaumkugelglück. Oder hat ihn etwa der Zauber der Flamme gepackt? Zischend strömt das Gas-Gemisch aus dem Brenner. Nur ein Funke genügt und es verwandelt sich in eine heiße Komposition aus gelben, weißen und orangefarbenen Zungen. Dazu da, den Rohling aufzuweichen, damit Witzmann ihn in Form bringen kann - in Weihnachtskugelform.
Industriekaufmann gelernt
Sanft pustet der 59-Jährige in den aufgeweichten Glaskolben. "Die Kunst ist nicht das Blasen, wie viele denken, sondern das Drehen", sagt er. Schließlich muss sich die Luft gleichmäßig in dem erhitzten Glaskörper ausbreiten können, nur dann gelingt das schöne Runde. Witzmann braucht dafür nur ein paar Minuten, so versiert ist er darin.
Sein beruflicher Weg begann zunächst bei Preh in Bad Neustadt. "Dort habe ich Industriekaufmann gelernt, da es den Glasbläser nicht als Ausbildungsberuf gab", erzählt er. Später war er sogar für eine Krankenversicherung und im Computerverkauf tätig. Doch der Drang zum Christbaumkugelglück war stärker. Schließlich liegt es ihm nicht nur in den Genen, Witzmann ist damit aufgewachsen. "Als Kind war ich immer in der Werkstatt meiner Eltern dabei", sagt er. Dabei sind Glasbläser in der Vorrhön eher selten anzutreffen. Seine Großeltern, Marta und Werner Witzmann, sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem thüringischen Lauscha nach Steinach ausgewandert.
Handmalerei wie früher
1966 machte sich der Vater in Steinach selbstständig, war bis in die Neunziger Jahre hinein als Glasbläser tätig. "Von ihm habe ich auch die alten Formen für Christbaumschmuck", erzählt Witzmann und holt die Matrizen für ein Weinfass hervor. Sie liegen neben etwa 90 anderen historischen Motiven sicher verwahrt in einem Schrank. "Heute würde man für so eine bestimmt 1000 Euro zahlen", sagt er.
1986 machte sich Gerhard Witzmann als Glasbläser selbstständig, baute seine "gläserne Manufaktur" in Unterebersbach. Inzwischen ist er in Steinach ansässig - mit seiner zweiten Frau Silvia, eine ehemalige Sportlehrerin. "Die Handmalerei ist mein Hobby, so wie andere stricken oder häkeln", sagt die 55-Jährige. Konzentriert sitzt sie da, hält eine silberne Rose in der linken Hand. Mit der anderen führt sie ein Röhrchen mit Spitze, trägt Kleber auf. Filigran und punktgenau. Dann lässt sie Glitzersteinchen darüber rieseln, fertig ist die Christbaum- rose. "Am liebsten mag ich die Vögel, da kann man farblich vieles ausprobieren."
Direktverkauf im Advent
Jeden Tag produzieren die Witzmanns nach historischem Vorbild, damit bis zur Weihnachtszeit ausreichend Christbaumschmuck vorhanden ist. Etwa 15 000 Teile sind es pro Jahr, früher waren es sogar an die 70 000. Ihren handgefertigten Baumschmuck verkaufen sie mittlerweile nur noch auf den Weihnachtsmärkten der Region.
Und was hängt dann an ihrem Christbaum? "Nichts, denn wir stellen mittlerweile keinen mehr auf", sagt der Glasbläser.