Katharina M. erzählt, wie ihr eine Familien-Therapie geholfen hat. Eine Expertin erklärt, warum es gut ist, sich einzumischen - und wie das richtig geht.
Da war sie wieder: die Angst vor der Angst. Plötzlich schlägt ihr Herz schneller. "Dann ging gleich die Alarm-Anlage los", sagt Katharina M.* (*Name geändert). "Könnte ich krank sein?" Was dann? Wie sollte sie das alles schaffen? Anfang 30, Mutter von drei Kindern, Ehefrau. Als sie die Panikattacken irgendwann nicht mehr einmal im Monat, sondern jeden Tag überrollen, weiß sie: "Ich brauche Hilfe." Es ist ein Jahr her, dass sie Miriam Nussers Nummer wählte. Die ist Familien-Therapeutin bei der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche beim Caritasverband des Landkreises und will mit Gesprächen und Kursen für Familien da sein, wenn die alleine nicht mehr weiter wissen. Katharina M. sagt: "Das hat mir geholfen, meine Kinder besser zu verstehen."
Sie waren seit einem guten halben Jahr wieder in der alten Heimat. Die fünfköpfige Familie war gerade in ihr neues Häuschen eingezogen - da ging es bei Katharina M. wieder los. Die Angst. Eine alte Bekannte. Das erste Mal kam sie vor ein paar Jahren. Für Job und Studium hatte die Familie eine zeitlang woanders gelebt. Damals beim Umzug hatte die Angst sie beinahe gelähmt. Ihre Lage stabilisierte sich. Bis vor einem Jahr, als die neuen heftigen Attacken drohten, Katharina M. in eine Depression zu katapultieren.
In jeder Nachbarschaft
Mal eben einen Flyer rüberschieben, so funktioniert's eigentlich nie, meint Miriam Nusser. Die 32-Jährige ist Familientherapeutin beim Caritas-Verband und von Berufs wegen Vertrauensperson. Bei ihr melden sich Mamas und Papas, Omis und Opis, Töchter und Söhne. Was alle von ihnen gemeinsam haben: In der Familie läuft es gerade nicht so, wie es soll. Zum Beispiel, weil Mama wieder von einer Depression niedergerungen wird. Die Pädagogin weiß, dass Menschen mehr Kämpfe zu kämpfen haben, als viele denken oder denken wollen: "Jeder hat Eltern in seiner Nachbarschaft, die im Laufe der Zeit mit psychischen Belastungen in der Familie zu tun haben." Miriam Nusser arbeitet mit Gefühl, Geduld und Buntstiften. Auch wenn es privater fast nicht geht: "Einmischen ist erlaubt", sagt sie. "Es kommt aber drauf an, wie."
Therapeutin als Aushilfe
Ihre Angststörung reißt Katharina M. aus der Routine. Der Haushalt, die Zankereien unter den Kindern - alles wird zu viel. "Im Kopf war ich mit mir selber beschäftigt." Die Schwiegermama steht hinter ihr, hilft aus, während ihr Mann im Büro arbeitet. Dass die Leute drum herum so mit einer psychischen Krankheit umgehen wie hier, ist eher die Ausnahme, meint Miriam Nusser. Nicht selten ergibt sich ein unheilvolles Wechselspiel: Angehörige und enge Freunde wissen nicht recht, wie sie richtig auf Probleme in der Familie reagieren sollen - und ziehen sich zurück. Betroffene, vor allem diejenigen, die krank sind, halten Kritik nicht gut aus - und ziehen sich zurück. Geholfen ist keinem. Im schlimmsten Fall zerbrechen Familien und Beziehungen. In solchen Situationen springt Miriam Nusser ein: "Ich bin eine Art Aushilfe."
Ihr Jüngster hat immerzu den "Clown gespielt" und war "aufmüpfig", erzählt Katharina M. Mit Block und Stift gelingt es mit der Therapeutin eine Lösung zu finden: Der Dreijährige hat jetzt am Esstisch einen anderen Platz und weniger Raum für Unfug. Ein erster Schritt. Darum geht es: den Alltag leichter machen. Und: Welche Gefühle und Bedürfnisse stecken dahinter? Dass sich die 30-Jährige der Therapeutin öffnen konnte, tat ihr gut. "Es ist wichtig, dass auch mal jemand Neutrales von außen drauf schaut", meint Katharina M. Sie hat Vertrauen zu der Pädagogin: "Ich habe mich bei ihr nicht krank oder falsch gefühlt."
Vertrauen finden
"Ich will nicht mehr neben Paul sitzen!", "Die blöde Mathe-Aufgabe kapier ich nicht!" Was die Kinder umtreibt, geht unter, wenn Mama oder Papa gerade damit beschäftigt ist, wieder gesund zu werden. "Wer psychisch krank ist, muss sich um sich kümmern. Das ist auch in Ordnung. Aber es wirkt eben auf die Kinder", sagt Miriam Nusser. Oft hängt es auch vom Alter ab, wie schnell der Nachwuchs in den Gesprächen mit der Pädagogin ins Plaudern kommt. Das wichtigste: Vertrauen.
Die Therapeutin berichtet: Schon Grundschulkinder merken: Daheim beim Klassenkameraden läuft es irgendwie anders - diese Mama fängt nicht so schnell an zu schreien, der Papa öffnet sich kein Bier zum Abendessen ... Miriam Nussers Job ist es, in die Erwachsenen und die Kinder, die zu ihr kommen, hineinzuschauen. "Hier können sich Familien öffnen."