Allgemeinmediziner Dr. Ralph Brath kommt seit Corona kaum mehr zur Ruhe.
Seit Monaten bestimmt die Corona-Pandemie unser aller Leben und Alltag. Dies gilt auch und besonders für den Bad Kissinger Allgemeinmediziner Dr. Ralph Brath (64), der neben seinen bisherigen Verpflichtungen in der eigenen Praxis als Notarzt und als Lehrbeauftragter an der Universität Würzburg seit einigen Monaten noch zusätzliche Aufgaben zunächst als Versorgungsarzt des Landkreises, dann als Koordinierungsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und als Leiter des Corona-Impfzentrums des Landkreises unter einen Hut bringen muss.
Abends um zehn Uhr dieses Gespräch mit einem Reporter dieser Zeitung zu führen, ist für ihn ebenso ungewöhnlich wie für seinen Gesprächspartner. Doch tagsüber hat Ralph Brath einfach keine Zeit mehr.
Kaum Freizeit
Seit Monaten bleibt dem Mediziner kaum noch Freizeit. Gut ausgefüllt war sein Arbeitstag zwar schon immer. Doch mit Beginn der Covid-19-Pandemie ist er noch mehr gefordert.
Im ersten Lockdown wurde der 64-Jährige im April vergangenen Jahres von Landrat Thomas Bold (CSU) zum Versorgungsarzt des Landkreises ernannt.
Zu seinen Aufgaben gehörte die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung, die Ausstattung von Praxen und Pflegeeinrichtungen mit Schutzausrüstung und Testmitteln sowie die Organisation der Corona-Teststelle in Oerlenbach. Versorgungsarzt im Auftrag des Landrats ist Brath zwar längst nicht mehr, doch hat sich an den Zusatzaufgaben nichts geändert, seit ihn die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) im Sommer zu ihrem Koordinierungsarzt im Landkreis Bad Kissingen ernannt hat. Gewechselt hatte nur der Auftraggeber.
Kompetenten Vertreter vor Ort
Im Dezember wurde Brath vom Landrat noch mit der Leitung des zentralen Impfzentrums im Bad Kissinger Tattersall betraut, wo in der vergangenen Woche nach langer Wartezeit mit den Impfungen begonnen wurde.
"Ich muss dort nicht ständig anwesend sein", schwächt Brath diese Funktion bescheiden ab. Er habe in seinem Vertreter Dr. Diethard Dittmar aus Maßbach einen kompetenten Vertreter vor Ort, und auch alle dort eingesetzten ärztlichen Kollegen und medizinischen Fachkräfte sind erfahren. "Sie machen dort dieselben Handgriffe, die sie seit Jahren in ihrer Praxis machen."
Brath und Dittmar weisen ihre Kollegen in die Arbeit im Impfzentrum ein und begleiten sie beim ersten Einsatz. "Sonst schaue ich nur gelegentlich im Zentrum vorbei, bin aber in ständiger Rufbereitschaft."
Spontane Änderungen
Problematisch ist die Versorgung mit Impfdosen. "Wir erfahren leider immer nur wenige Tage im Voraus, wann wir wie viel bekommen." Manchmal werden sogar diese Angaben noch kurzfristig geändert. Darauf muss Brath die von ihm zu erstellenden Dienstpläne für das Personal im Impfzentrum spontan ausrichten.
Die ersten 80-Jährigen wurden inzwischen geimpft. "Die Erwartungshaltung und die Freude bei ihnen war groß", konnte Brath beobachten. "Ich habe in viele lächelnde Gesichter gesehen." Nebenwirkungen der Impfung wurden ihm bislang keine gemeldet. "Die Impfung ist hervorragend verträglich."
Wie lange der Lockdown noch dauern sollte, mag der Mediziner nicht sagen. Dies zu entscheiden sei alleinige Aufgabe der Politik. Nur eines steht für ihn als Arzt nach heutiger Einschätzung fest: "Wir werden uns mit diesem Virus und seinen Mutationen auf Dauer auseinandersetzen müssen." Brath geht davon aus, dass wir uns künftig wohl einmal pro Jahr impfen lassen sollten - "wie bei jeder normalen Grippe".
Natürlich hat auch im Leben von Ralph Brath jeder Tag nur 24 Stunden. Vormittags versieht er seine Arbeit in der eigenen Praxis, donnerstags unterbrochen von der Dienstbesprechung beim Landrat. "Mittags schaue ich im Impfzentrum vorbei." Nach kurzer Mittagspause betreut er wieder die eigenen Patienten. Wie andere Hausärzte kümmert er sich momentan nur um Corona- und Notfälle. "Alles Verschiebbare muss auf normale Zeiten warten."
Stunden einsparen
Einen geringen Arbeitsstundenausgleich schafft sich Brath als Lehrbeauftragter an der Uni Würzburg durch den Wechsel von Präsenz- zu Online-Seminaren. Wo sich sonst mehrere Kollegen die 160 Studenten in Seminargruppen geteilt haben, übernimmt aktuell jeweils nur ein Kollege im Wechsel die Online-Vorlesung.
Doch diese eingesparten Stunden reichen nicht aus für Braths aktuelle Mehrbelastung, zumal er noch immer 36 Stunden pro Woche als Notarzt im Einsatz ist.
Echte Freizeit gibt es deshalb für den Mediziner kaum: "Eine Stunde pro Tag, manchmal auch gar nicht."
Viel Arbeit nimmt er sich mit nach Hause. "Die Dinge müssen ja zeitnah erledigt werden." Wenn ihm am späten Abend tatsächlich noch eine Stunde bleibt, liest er gern "in einem nicht medizinisches Buch" und in seiner Wochenzeitung, "die ich nie innerhalb der Woche schaffe".
Zweimal wöchentlich läuft er mit Freunden zur Saline. Das muss ihm in Corona-Zeiten reichen, um für kurze Zeit auf andere Gedanken zu kommen und sich für die Arbeit fit zu halten.