Bochum hat in den letzten Tagen gleich zweimal für Schlagzeilen gesorgt: Die Schließung des Opel-Werks 2016 hat sicher viele Menschen aufgeschreckt oder bewegt.
Für ein anerkennendes Zucken mit den Augenbrauen in einer kleinen Nische sorgte die andere Meldung, die weniger vorhersehbar war: Die Bochumer Symphoniker sind das erste Orchester in Deutschland, das nicht mehr aus Noten, sondern vom iPad spielt. Wer zum Eröffnungskonzert des Winterzaubers in den Großen Saal gekommen war, um bei dieser technischen Revolution dabei zu sein, wurde enttäuscht: Auf den Pulten lagen die guten alten Noten.
Und irgendwie passte das auch besser. Denn revolutionär war es nicht, was musikalisch auf dem Podium passierte. Schon vom Programm her nicht, das den Massengeschmack treffen sollte. Aber auch nicht von der Ausführung her. Die Bochumer sind sicher ein gutes Orchester, auch wenn sie im Ranking der deutschen Klangköper nicht unter die ersten Zehn kommen. Aber so recht zeigen konnten sie ihre Qualitäten nicht. Vielleicht waren es auch nur Konzentrationsmängel.
Denn die "Akademische Festouvertüre" von Johannes Brahms war nicht in allen Stimmen wirklich sauber musiziert, und die gestalterischen Möglichkeiten bewegten sich zwischen Mezzoforte und Fortissimo. Am Schluss, wenn das hymnische "Gaudeamus igitur" erklingt, ist das sinnvoll. Aber vorher hätte man sich mehr dynamische Differenzierung gewünscht - und einen überzeugenderen Zusammenhalt der Teile.
Das lag aber zu einem Gutteil auch am Dirigenten. Daniel Klajner hatte in der typischen Situation des Gastdirigenten keine Zeit, um Impulse zu geben und Ideen einzubringen. Aber sein Dirigat erweckte auch nicht den Eindruck, dass er sonderlich welche gehabt hätte - manchmal gelingen solche Beeinflussungen eines Orchesters ja auch noch im Konzert. Aber Klajner betrieb eine so wilde Taktstockgymnastik, dass für die Musiker nicht viel daraus ablesbar war. Er feuerte eigentlich immer nur an, auch wenn's nichts zu befeuern gab.
Das sieht natürlich spektakulär aus, bringt aber gar nichts. Und es war verständlich, das die Musiker auch irgendwann nicht mehr hinschauten.
Kein Platz für Geheimnisse Und so gelang es eben auch nicht, bei Claude Debussys "La Mer" - trotz einiger wirklich überzeugender kraftvoller Passagen - der Musik das Geheimnis zu geben, das sie braucht. Dazu hätte sie leiser und flexibler sein müssen. Dazu hätte sie einen gelasseneren Dirigenten gebraucht und sensiblere Bläser.
Wir wissen nicht, was beim Pausentee hinter der Bühne besprochen wurde. Aber danach, bei Robert Schumanns 3. Sinfonie, der "Rheinischen", war das Orchester deutlich konzentrieter. Dabei hätte es sich zu Beginn von Kaljner beinahe die Schau stehlen lassen, der beidarmig rudernd loslegte, als würde er Trockenübungen fürs Seilspringen machen. Da wurde recht solide musiziert.
Aber das Orchester hätte mehr Hinweise gebraucht, die nach einem Konzept aussahen, um mehr aus der Musik zu machen als nur Laut und Halblaut und um spannend zu gestalten. Und Klajner hätte stärker an der Klangbalance und an den Einzelstimmen arbeiten müssen. Denn immer wieder sah man Streicher zwar spielen, aber man hörte sie nicht. Und das bei der Akustik des Großen Saals.
Die Bochumer sind kein schlechtes Orchester. Aber im Großen Saal müssen sie sich am BR Symphonieorchester oder an den Bambergern messen lassen. Da ist viel Luft dazwischen.