Barock reinsten Wassers

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Gerd Schaller und Musiker des Leipziger Gewandhauses. Thomas Ahnert
Gerd Schaller  und Musiker des Leipziger Gewandhauses. Thomas Ahnert
Thomas Ahnert
Thomas Ahnert
 
Thomas Ahnert
Thomas Ahnert
 

Beim Konzert "Barocke Klangpracht" mit Musikern des Leipziger Gewandhauses war der Große Saal so gut wie voll.

Man kann eigentlich immer wieder nur staunen, wie viele Besucher Gerd Schaller mit seinem Ebracher Musiksommer auf die Beine bringt. Sein Konzert "Barocke Klangpracht" mit Musikern des Leipziger Gewandhauses war in Bad Kissingen nur sehr spärlich beworben, und trotzdem war der Große Saal so gut wie voll - aber eben mit Besuchern, die mit Bussen angereist waren.
Natürlich hatte es auch ein paar Kissinger hingezogen, denn das Programm versprach beste Unterhaltung ohne Mühe und Reue: Barock reinsten Wassers. Die fünf Werke von Bach, Händel und Telemann waren schon zu Lebzeiten ihrer Komponisten außerordentlich beliebt und sind es bis heute. Und dann haben ja auch die Musiker des Gewandhausorchesters einen durchaus zugkräftigen Namen.
Wobei man sich, je länger das Konzert dauerte, immer mehr fragte, warum das so ist. Es soll hier nicht am Ruhm gesägt werden, aber man muss auch konstatieren, dass die Leipziger Musiker um die historische Aufführungsdiskussion gerne einen Bogen gemacht haben. Man hat in Leipzig durchaus den enormen Marktwert des Thomaskantors - und seiner Zeitgenossen - erkannt, und das Leipziger Bach-Archiv leistet eine phantastische Arbeit. Aber der unbequemen Einstellung auf eine barocke Artikulation ging man in Sachsen gerne aus dem Weg. Da muss man nur das Neue Bachische Collegium Musicum nennen oder die Virtuosi Saxoniae aus Dresden. Früher wurde die Zurückhaltung damit erklärt, dass die Voraussetzungen in der DDR nicht gegeben gewesen seien. Es hätte auch nichts genutzt, wenn die Wirtschaftsplanung die Produktion von 200 mindestens 300 Jahre alten Geigen in den Fünfjahrplan geschrieben hätte.
Aber das ist 30 Jahre her, und es gab auch in der DDR tatsächlich erfolgreiche Modelle: durchaus spektakulär etwa die Händel-Renaissance in Halle mit den GMDs Horst-Tanu Marggraf ab 1950 und später Christian Kluttig und ihrem Händel-Festspielorchester mit mustergültigen Opernproduktionen - für die DDR-Obrigkeit keineswegs lästig, sondern willkommener Devisenbringer.
So wurde jetzt eben auch im Großen Saal das eine oder andere zu einer gewissen Enttäuschung: etwa Bachs 3. Brandenburgisches Konzert für 3 Violinen, 3 Violas und 3 Violoncelli und B.c., in dem wirklich jedes Instrument seine eigene Stimme hat. Da war leider ein Wille zur Individualisierung dieser Stimmen nicht erkennbar, aus der Spannung entstanden wäre, da hatte die Musik etwas stark Etüdenhaftes: technisch fabelhaft, aber routiniert uninspiriert. Das musste man leider auch bei Georg Philipp Telemanns Konzert für 3 Violinen, Streicher und B.c. beobachten. Ein bisschen mehr konfrontativen Geist der drei Solisten hätte man sich schon gewünscht alleine schon, um sie im Trubel auch wirklich wahrzunehmen.
Da konnte man Gerd Schaller wahrlich keinen Vorwurf machen. Als Gastdirigent ohne längere Probenphase musste er gegen 274 Jahre Tradition andirigieren, um seine angenehm flotten Tempi an den Mann und zu Beginn eine gewisse Grundkonzentration in das Spiel zu bringen. Das zwang ihn immer wieder zu einem verhältnismäßig kleinteiligen Schlag. Und er setzte sich durch, auch wenn er das eine oder andere doch gerne etwas anders, artikulierter gehabt hätte.
Das soll nun nicht heißen, dass es nicht auch kraftvolle Musik gab, dass man nicht auch mit modernem Instrumentarium Eindruck machen kann. Mit drei Hörnern und drei Trompeten hinter der kleinen, aber wirkungsvollen Gruppe der Holzbläser ist das natürlich auch fast keine Kunst. Wenn man einmal davon absieht, dass Bachs Orchestersuite Nr. 4 BWV1069 und vor allem deren groß angelegte Ouvertüre streckenweise noch zur Selbstfindung herhalten musste, zeichnete sich doch schon ab, was die Besucher bei Georg Friedrich Händels Wassermusik-Suite Nr. 1 HWV 348 und der Königlichen Feuerwerksmusik HWV 351 erwartete: ein kraftvolle, klangsattes Musizieren, das dank der flotten Tempi nie in Gefahr geriet, pathetisch zu werden, bei dem eine angenehm präsente Continuogruppe einen stabilen und vorwärtstreibenden Untergrund lieferte. Da war sie dann, die "Barocke Klangpracht", die die Ankündigung versprochen hatte. Und noch ein kleineres Nachtreten gegen Händel: "La Réjouissance" wäre der schönere Schluss gewesen. Aber das ist natürlich Geschmackssache.