Wolfgang Russ hat mehr als 30 Jahre das Gesicht der Stadt geprägt: Von verkehrsberuhigter Innenstadt, über Kisssalis-Standortsuche bis Konversion der Kaserne. Nun geht er in Rente.
Als Wolfgang Russ vor 31 Jahren seinen ersten Arbeitstag im Bauamt antrat, war das Gesicht der Stadt ein anderes: Autos durften noch durch die Ludwigstraße fahren, dort wo jetzt der Sparkassenkomplex und das Zentralparkhaus stehen, befand sich nichts weiter als ein kleines Kino und ein großer, geschotterter Parkplatz. Die Kaserne wurde noch von den US-Streitkräften genutzt und auf einem Hügel südlich von Garitz gab es zwar Wiesen und Bäume, aber keine Kisssalis
Therme. "Es waren 31 gute Jahre", sagt Russ. "Ich hatte einen tollen Job und bin bis zum letzten Tag gern auf die Arbeit gegangen." Bad Kissingens Stadtplaner wurde im November in den Ruhestand verabschiedet, offiziell Rentner ist er aber erst ab 1. Februar. Die Zeit dazwischen? Resturlaub.
Vom Main an die Saale
1985 wechselte Russ von der Stadt Würzburg an die Saale. "Es war die Perspektive auf die Stadtplanung.
Wenn ich in Würzburg geblieben wäre, hätte ich nur Bauaufsicht gemacht." Die Stadtplanung war damals in
Bad Kissingen nur rudimentär vorhanden, sie bestand gerade aus ein paar Ordnern. "Ich habe immer versucht, Visionen zu haben und neue Ideen zu entwickeln." Der heute 64-Jährige hat die Abteilung aufgebaut und geprägt.
Verkehrskonzept über Nacht
Russ hat mit seinen Mitarbeitern über die Jahre haufenweise Aufgaben angepackt: Etwa ein neues Verkehrskonzept: Anfang der 1990er Jahre wurde die Ludwigstraße über Nacht für Autos geschlossen, die Innenstadt verkehrsberuhigt und der Verkehr auf den Ring ausgelagert. Unter Russ wurde die strikte Kurgebietssatzung mehrmals gelockert.
Derzeit läuft die vierte und weitgehendste Änderung, die das Kurgebiet verkleinert und dort in gewissem Maß eine Wohnnutzung zulässt. Eines der schönsten Projekte war die Entente Florale, bei der die Stadt 2004 den nationalen Sieg holte. "Unser Budget lag bei unter 10 000 Euro. Keiner hatte damit gerechnet, dass wir am Ende vorn liegen."
Eine der großen Aufgaben war die Kaserne.
Sie wurde erfolgreich gemeistert, dank "verlässlichen Partnern aus der Wirtschaft und einem guten Quartiersmanagement". Auf dem Gelände ist mit Bad Kissingen Nord-Ost quasi ein neuer Stadtteil mit einem lebendigen Bürgerkreis entstanden, dort wurde mit Musikschule, Jukuz, Skateplatz und Kino ein Ort für die Jüngeren geschaffen, zudem gibt es ein gut laufendes Gewerbegebiet. Ein ausgewogener Mix an den Stadträndern war Russ wichtig.
Gerade die Gewerbegebiete dort sollten sich nicht auf Kosten der Innenstadt entwickeln. "Wir haben es bis heute geschafft, Lebensmittel-Einzelhändler in der Innenstadt zu halten", sagt er.
Einen Schandfleck nicht beseitigt
Einen Schwerpunkt hat Russ auf Programme aus der staatlichen Städtebauförderung gelegt.
Das Zentral- und das Theaterparkhaus wurden beispielsweise darüber realisiert, der Eisenstädter Platz neu gestaltet, das Alte Rathaus zur Informations- und Ausstellungsörtlichkeit umgewandelt. "Das ist immer weiter gegangen, bis zum Berliner Platz und zur Fußgängerzone." Diese Projekte hat Russ zwar geplant, ob und wie sie umgesetzt werden, wird er aus dem Ruhestand heraus beobachten.
"Es war immer wichtig, einen langen Atem zu haben." Während der Baubeginn für die Erneuerung der Fußgängerzone aufgrund schwieriger Voruntersuchungen im Zusammenhang mit den Heilquellen immer weiter verschoben wurde, wurden die Pläne zur Umgestaltung des Berliner Platzes vor etlichen Jahren vom Stadtrat auf Eis gelegt. Der Stadtplaner findet diese Entscheidung immer noch ärgerlich: "Der Berliner Platz ist ein Schandfleck.
Aus meiner Sicht hat die Finanzierung damals gestanden", kritisiert er.
Umstritten war die Suche nach dem Standort für die heutige Kisssalis Therme. Fünf Optionen, etwa am Freibad und in der Kaserne wurden geprüft, am Ende fiel die Wahl auf die Heiligenfelder Allee. "Das war spannend. Ich hätte mir gut vorstellen können, das Luitpoldbad zu nutzen. Im Nachhinein war aber der jetzige Standort aus verkehrstechnischer Sicht genau die richtige Entscheidung", sagt er.