Im Netzentwicklungsplan wird festgelegt, wie das Stromnetz der Zukunft aussehen soll. Der aktuelle Entwurf bestätigt erneut den Bau der Stromtrasse Südlink. Das provoziert Protest.
Während in Berlin hinter verschlossenen Türen über den Netzausbau gestritten wird, dreht sich das Rad der Bürokratie weiter. Die aktuellen Entwürfe für den Netzentwicklungsplan Strom für das Jahr 2024 liegen der Bundesnetzagentur in Bonn vor. Sie stufen die großen Gleichstromverbindungen vom Norden in den Süden - darunter die geplante Stromtrasse Südlink - weiter als energiewirtschaftlich notwendig ein.
Das passt dem Landkreis Bad Kissingen gar nicht. In einer Stellungnahme widerspricht das Landratsamt vehement.
Hauptkritikpunkt: Die Festlegung von Grafenrheinfeld als "europäische Stromdrehscheibe" - so eine Stellungnahme von Landrat Thomas Bold (CSU). "Die Region Grafenrheinfeld muss nicht noch mit der Südlink-Trasse belastet werden." Ein solcher Knotenpunkt in unmittelbarer Nähe zum Unesco-Biosphärenreservat Rhön sei
"unverhältnismäßig", der Bau von Südlink "überflüssig".
Vorschlag: Strommengen splitten
Damit stellt das Landratsamt den gesetzlich verankerten Endpunkt der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ) Südlink, die von Wilster nach Grafenrheinfeld führt, in Frage.
Auf der Trasse, die nach vorläufigen Planungen den Landkreis Bad Kissingen durchschneiden soll, ist noch eine andere Gleichstromleitung vorgesehen: Die Verbindung von Brunsbüttel nach Großgartach in Baden-Württemberg. Beide Projekte haben zusammen eine Leistung von vier Gigawatt und sollen bis zum Knotenpunkt in Grafenrheinfeld auf einer Trasse verlaufen.
Das Landratsamt schlägt nun vor, die Strommengen zu splitten und über bereits bestehende Leitungen
zu transportieren, indem die Gleichstromsysteme auf Mastgestänge, die bislang nur Wechselstrom führen, aufgesetzt werden. Ist das realistisch?
Energiewende weiter denken
"Technisch ist das möglich", sagt Michael Reifenberg von der Pressestelle der Bundesnetzagentur und verweist auf die geplante HGÜ-Leitung, die von Emden nach Philippsburg führt.
Dort sei in der Tat vorgesehen, Gleich- und Wechselstromverbindungen auf einzelnen Projektabschnitten auf einen Mast zu bringen. Der Netzbetreiber Tennet, der Südlink plant, ist kritisch. "Es ist nicht grundsätzlich unmöglich", sagt Pressesprecher Markus Lieberknecht. Er macht aber klar: "Je mehr Leitungen man auf die Masten packt, desto schwieriger wird es, eine unvorhergesehene Abschaltung im Stromnetz auszugleichen."
Das ist der Schwachpunkt des Bad Kissinger
Vorstoßes. Er geht - national gedacht - von einem Versorgungsengpass in Süddeutschland aus, den es auszugleichen gilt. Und er hat vor allem die eigenen Interessen im Blick, nämlich den berechtigten Wunsch, die Stromtrasse durch die Rhön zu verhindern. Bei der Energiewende kann es aber nicht nur darum gehen, überflüssigen Windstrom vom Norden in den Süden zu leiten, wo bis 2022 alle Kernkraftwerke abgeschaltet werden sollen.
Vielmehr geht es auch um einen komplexen Systemwechsel im europäischen Strommarkt.
Wegweiser durch den Dschungel der Fachbegriffe