Wildenauer will Glasfaserausbau
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Donnerstag, 08. Oktober 2015
In einer Stellungnahme kritisiert die SPD-Fraktion die Entscheidung des Stadtrats, für den Breitbandausbau nicht mehr Geld in die Hand zu nehmen als unbedingt nötig.
Benjamin Wildenauer stellt zusammen mit seinem Bruder Florian die SPD-Fraktion im Stadtrat - dabei gehört der 30-Jährige eigentlich der Piratenpartei Deutschland an und engagiert sich dort als stellvertretender Vorsitzender der unterfränkischen Piraten. Im Bad Brückenauer Stadtrat ist Wildenauer für die Referate Jugend und Jugendzentrum sowie Kommunikation zuständig. Mit der Saale-Zeitung spricht er über den Breitbandausbau, die Industrie 4.0 und warum er im Netzausbau große Chancen für die Kurstadt sieht.
Herr Wildenauer, Ihre Stellungnahme zum Breitbandausbau in Bad Brückenau beginnt mit den Worten: Das Kind ist in den Brunnen gefallen.
Warum?
Benjamin Wildenauer: Das, was der Stadtrat jetzt beschlossen hat, wird der Stadt auf lange Sicht mehr Geld kosten. Zum besseren Verständnis: Der größte Teil des Stadtgebiets ist ja schon ausgebaut. Es geht bei der aktuellen Entscheidung um zwei Gebiete, die die Stadt mit Hilfe eines Förderprogrammes erschließen möchte. Das sind zum einen der Bereich rund um das Schulzentrum Römershag und Teile des dortigen Gewerbegebiets. Zum anderen betrifft es den Bereich Goetheweg, Schillerstraße, Berliner Platz und Düsseldorfer Straße.
Da wollen wir natürlich, dass mit dem modernen Stand der Technik ausgebaut wird, das heißt Glasfaser bis ans Gebäude.
Wie meinen Sie das?
Was jetzt gemacht wird, ist folgendes: Für unsere beiden Ausbaugebiete führt im Moment noch ein Kupferkabel bis zu den Verzweigern. Dieses wird nun durch Glasfaser ersetzt. Von den Verzweigern führen aber weiterhin Kupferleitungen bis an die einzelnen Gebäude. Das ist weder zukunftsfähig noch ist es Stand der Technik.
Die Situation für die Hauseigentümer verbessert sich doch! Nach dem Ausbau werden Übertragungsgeschwindigkeiten von 30 bis 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) erreicht werden.
Ja, aber das ist die absolute Minimallösung. Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2018 flächendeckend mindestens 50 Mbit/s für jeden Haushalt zu ermöglichen.
Es ist schon jetzt abzusehen, dass wir bald von 100 Mbit/s reden werden. Früher oder später müssen wir den Glasfaserausbau machen und jeder Zwischenschritt verursacht zusätzliche Kosten.
Immer wieder kritisieren Sie die Ausbaupraxis des Vectorings. Was versteht man darunter?
Vectoring ist ein Verfahren, mit dem eine höhere Geschwindigkeit des Internets dadurch erreicht wird, dass das Signal, das über die Kupferkabel übertragen wird, codiert wird. Die technischen Details spare ich mir, im Ergebnis ist es jedenfalls so möglich, größere Datenmengen über bestehende Kupferkabel zu übertragen. Der Nachteil besteht darin, dass es für Drittanbieter nicht mehr möglich ist, die so genannte "letzte Meile" zu nutzen. Hier wird der Wettbewerb verhindert, deshalb hat die EU dieses Verfahren auch als nicht förderfähig eingestuft.
[Ursprünglich wollte die Stadt vier Gebiete ausbauen.Da die Telekom allerdings zwei davon (Züntersbacher Weg, Ziegelweg, Dreibeetweg und Neuländerweg in Volkers und Staatsbad nahe Fondsberg) mittels Vectoring selbst ausbauen möchte, kann die Stadt nur noch zwei Gebiete mit Hilfe von Fördergeldern erschließen; Anm. d. Red.]
Das ist jetzt aber komplex. Nehmen wir mal das Beispiel Volkers. Müssen die Bürger im Neuländerweg nun ihren Anbieter wechseln?
Nein. Die Kunden können bei ihren alten Anbietern bleiben. Wenn sie allerdings die höhere Geschwindigkeit nutzen wollen, muss der jeweilige Anbieter sich mit der Telekom einigen.
Deshalb sprach ich vorhin von einer Wettbewerbsverhinderung. Die Kunden von Kabel Deutschland bleiben übrigens unberührt, weil der Anbieter ein komplett eigenes Netz betreibt.
Nun haben die Stadträte ihre Entscheidung ja nicht aus purer Ignoranz getroffen. Grund ist die angespannte Haushaltslage. Die Stadt hat schlicht kein Geld, sich diesen Luxus zu leisten.
Unter Handwerkern sagt man: Wir sind zu arm, um uns schlechtes Werkzeug zu leisten. Dasselbe gilt für Bad Brückenau. Die industrielle Revolution wurde durch die Eisenbahn vorangetrieben. Der Ausbau des Schienennetzes damals ging rasend schnell und hat richtig viel Geld gekostet. Heute sprechen wir von Industrie 4.0. Das Schienennetz von damals ist mit dem Internet vergleichbar. Für eine Firma, die beispielsweise in der Softwareentwicklung tätig ist, ist die Internetanbindung wahrscheinlich schon heute wichtiger als die Straßenanbindung.
Es wäre für Bad Brückenau eine große Chance, wenn wir in diesem Bereich schneller wären als die anderen um uns herum.
Die Gemeinde Motten hat Ende September den Ausbau mit Glasfaser teilweise bis ins Haus gefeiert. Geschwindigkeiten bis zu 100 Mbit/s sind möglich...
Die Mottener haben die Zeichen der Zeit erkannt. Dasselbe hätte ich mir auch für Bad Brückenau gewünscht.
Bad Brückenau als Vorreiter des Breitbandausbaus im Landkreis Bad Kissingen... ist das nicht eine Traumvorstellung?
Ja, es ist ein Traum. Aber Traumvorstellungen können dabei helfen, eine Richtung zu finden. Bad Brückenau ist ein Kurort, eine Badestadt, Luftkurort und von Schutzgebieten umgeben. Da bleibt uns nicht viel anderes übrig als ein innovationsfreundliches Umfeld zu schaffen für eben diese Art von Industrie oder Dienstleistung. Die Industrie 4.0 ist keine laute, keine schmutzige Industrie. Das würde gut zu einer Kurstadt pas sen.
Das Gespräch führte Ulrike Müller.