Wie viel Hilfe ist für Flüchtlinge in Wernarz zu viel?

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Margit Pfisterer im Gespräch mit Flüchtlingen aus Äthiopien. Foto: Arkadius Guzy/Archiv
Margit Pfisterer im Gespräch mit Flüchtlingen aus Äthiopien.  Foto: Arkadius Guzy/Archiv
Aleksandar Malicevic freut sich über die Kochmöglichkeit. Foto: Jürgen Treichel
Aleksandar Malicevic freut sich über die Kochmöglichkeit. Foto: Jürgen Treichel
 

Der Flüchtlingsstrom nach Bayern stellt die Kommunen vor große Herausforderungen. Ohne die vielen Ehrenamtlichen läuft nichts. Dies ist auch in Wernarz so. Doch manchmal ist eine Überversorgung auch kontraproduktiv.

Es ist erst wenige Wochen her, da sorgten die Flüchtlinge im "Weißen Ross" in Wernarz mit dem Wunsch für Aufmerksamkeit, selbst kochen zu dürfen. Die Vermieter und das Landratsamt haben schnell reagiert: Seit 1. Dezember dürfen die Asyl bewerber, die in Wernarz untergebracht sind, selbst für sich ko chen. Es sind vier Küchen ein gerichtet worden, die sich ak tuell acht Familien teilen.

Einige Einheimische fragen sich allerdings: Muss das sein? Eigentlich könnten die Asylbewerber doch dankbar für jede Hilfe sein ... Ganz so einfach ist das Thema jedoch nicht. Margit Pfisterer vom Helferkreis für die Flüchtlinge in Hammelburg hat die Erfahrung gemacht, dass zu viel Hilfe auch kontraproduktiv sein kann.

Im Interview spricht sie über ihre Motivation, die Gefahr ei ner Überversorgung und den Wunsch nach einer offeneren Asylpolitik.

Frau Pfisterer, seit eineinhalb Jah ren machen sie beim Helferkreis in Hammelburg mit. Warum?
Margit Pfisterer: Ich wollte einfach helfen. Für mich war klar, dass die Kriegsgeschehen in der Welt auch vor uns nicht Halt machen. Und da ist jeder von uns gefordert zu helfen, so gut er kann.

Wie viele Flüchtlinge betreut der Helferkreis in Hammelburg? Wie viele Ehrenamtliche haben Sie?
Wir haben im Moment etwa 80 Flüchtlinge aus verschiedenen Nationen. Der harte Kern des Helferkreises besteht aus circa zehn Personen, die jeweils unterschiedliche Bereiche betreuen und dafür wiederum ihre Helfer haben.
Allerdings ist die Zahl der Unterstützer übersichtlich, so dass wir weiter Ehrenamtliche suchen.

Die Flüchtlinge in Wernarz wurden bis vor Kurzem voll verpflegt, sie wollten aber lieber selbst für sich kochen. Haben Sie dafür Ver ständnis?
Vollstes! Sein Essen selbst kochen zu dürfen, ist ein Stück Selbstbestimmung und strukturiert den Tag, der ohne Arbeit oder Beschäftigung sehr lang ist für diese Menschen. Zudem gibt einzelnen Menschen auch ihre Religion vor, was sie essen dürfen und was nicht. Nicht jeder Magen verträgt Braten mit Klöß' und Soß'. Da darf man die Leute auch nicht überversorgen.

Sie sprechen von Überversorgung. Wie viel Hilfe ist zu viel?
Man möchte diesen traumatisierten und hilfsbedürftigen Menschen alles Gute angedeihen lassen und schießt da schnell über das Ziel hinaus. Das Ziel muss sein, Unterstützung zu ge ben, wo es sinnvoll ist, beim Deutschunterricht zum Beispiel. Ganz wichtig finde ich auch, die Leute anzuleiten, sich in eigener Verantwortung in un sere Gesellschaftsordnung zu integrieren. Auch Flüchtlinge müssen lernen, dass hier nicht alles kostenlos ist.

Was für Hilfe ist denn wirklich nö tig?
Das Wichtigste ist in meinen Au gen der direkte Kontakt mit den Menschen - trotz Sprachbarriere. Dann verständigt man sich eben mit Augen, Händen und Füßen! Ich würde mir wün schen, dass Flüchtlingen noch mehr Eigenständigkeit er laubt wird, zum Beispiel sich eine Wohnung zu suchen oder zu arbeiten. Denn es gibt viele, die wirklich den Sprung in unsere Gesellschaft schaffen wollen.

Es gibt aber auch andere, die hier ein schönes Leben suchen. Wie ge hen Sie mit solchen Leuten um?
Natürlich gibt es unterschiedliche Charaktere, genau wie bei uns. Und unser Überfluss weckt auch Begehrlichkeiten. Da werden nicht nur unsere Flüchtlinge mal schwach, aber es gibt ja Re geln und Gesetze, an die sie sich auch halten müssen. Aber eines muss ich dazu sagen: Wenn ein Polizeiauto vor der Gemeinschaftsunterkunft steht, heißt das nicht zwangsläufig, dass sich jemand etwas hat zu Schulden kommen lassen. Oft geht es nur um behördliche Dinge.

Welche Tipps können Sie bei Konflikten mit Flüchtlingen geben?
Wir sollten immer daran denken, dass sie nicht in unsere Form der Gesellschaft hineingeboren wurden. Noch wichtiger ist, sich klar zu machen, dass fast alle ganz schlimme Erfahrungen gemacht haben, die wir uns noch nicht mal vorstellen können und über die wir Helfer auch nicht sprechen können und wollen. Diese Schicksale können für die Ehrenamtlichen belastend sein. Therapeutische Gespräche sollte man daher besser den Pro fis überlassen.

Der Zustrom an Flüchtlingen wird auf absehbare Zeit wohl nicht ab nehmen. Was ist Ihr Appell an die Bevölkerung?
Macht euer Herz und eure Arme auf, und auch die Augen. Man muss einen Menschen sehen, um ihn und alles, was ihn ausmacht, wahrzunehmen. Ich bin überzeugt, dass die Menschen, die wir jetzt noch "Flüchtlinge" nennen, eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sein können, wenn man sie nur lässt.