Das Gremium in Bad Brückenau interessiert sich für Echtzeit-Übertragungen aus seinen Sitzungen, auch, um kommunale Politik attraktiver zu machen. Der Preis dafür dürfte die Stadträte eher abgeschreckt haben.
Kennen Sie Rednitzhembach? Müssen Sie nicht. Ist nur ein kleiner Ort südlich von Nürnberg mit knapp 7000 Einwohnern. Aber es war der erste in Bayern, der eine Live-Übertragung aus dem Gemeinderat anbot. Und zwar schon 2006. Der Bad Brückenauer Stadtrat diskutierte nun Ähnliches. Dazu waren zwei Experten zu Gast.
Ein Livestream aus den öffentlichen Sitzungen würde Bad Brückenau gut zu Gesicht stehen, meinen einige Stadträte. Zum einen, weil Kommunalpolitik dadurch transparenter würde. Zum anderen wagen sich ja viele potenzielle Besucher derzeit nicht in öffentliche Veranstaltungen - wegen der Corona-Ansteckungsgefahr. Ein Livestream könnte auch jene erreichen, die sonst nichts mit lokaler Politik am Hut haben - junge, medienaffine Leute.
So die Idee. Aber wie setzt man sie um? Klaus Neeb und Marco Knappke von TV Mainfranken (vormals TV Touring) gaben ihre Erfahrungen weiter. Das Unternehmen bietet Livestreams seit dem vergangenen Jahr an, überträgt laut Neeb "fast jeden Sonntag Gottesdienste aus dem Würzburger Dom".
Den Neujahrsempfang der Stadt Würzburg habe TV Mainfranken mit mehreren Kameras live begleitet, ebenso die Meisterfeier der Handwerkskammer Unterfranken. Wichtig: Die Veranstaltungen wurden und werden nie aufgezeichnet; das sei verboten.
Hoher Aufwand und stattlicher Preis
Technisch, so Aufnahmeleiter Marco Knappke, sei bei so einer Übertragung vieles möglich - vom "One-shot" mit sturem Fokus auf das Pult des Redners bis zum Einsatz mehrerer Kameras, um Stadträte einzeln in den Blick zu nehmen. Auch ein Liveticker stünde im Angebot oder die Übertragung von PowerPoint-Präsentationen. Nötig wäre dazu eine stabile Leitungskapazität von fünf Megabit pro Sekunde.
Allerdings wird der Spaß nicht ganz billig. Auf Nachfrage von Franziska Kaul (CSU) nannte Klaus Neeb "1500 bis 2000 Euro, für zwei Kameras und eine gute Stunde Live-Übertragung". Bei zwei Stunden seien es natürlich mehr. Darin enthalten wären Personal und Technik, aber auch das Aufbauen und Einrichten.
Kurz herrschte Schweigen in der Georgi-Kurhalle; dann begann das Abwägen. Marco Knappke sagte, dass bei einem Gesamtpaket von fünf oder sechs Stadtratssitzungen und eine fix gestellte Kamera eine "ganz andere Preisgestaltung" möglich wäre. Pauschal sei eine Stadtratssitzung so mit 1000 Euro abzudecken.
Die Bad Brückenauer Räte überzeugte das wohl weniger. Hartmut Bös (Grüne) mahnte an, das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Sache zu betrachten. Er sprach sich aber dafür aus, "mal einen Versuchsballon mit drei Sitzungen zu starten, um zu testen, wie das Interesse ist".
David Fronczek (SPD) war dafür "klein einzusteigen", nur mit Mikro und einen live zu hörenden Podcast. Dann könne man über eine Nummer größer nachdenken. Technisch wäre das kein Problem, ordnete Knappke den Vorschlag ein.
Bürgermeister Jochen Vogel (CSU) sah zwar die Chance, mit einer Live-Übertragung "mehr Bürger zu erreichen". Doch er verwies auf Erfahrungen aus dem Bayerischen Gemeindetag: "Da, wo Livestreams eingerichtet wurden, wurden sie eher mäßig angenommen." Im Stadtrat sehe er momentan keine klare Tendenz, was seine Mitglieder wollten.
Die beiden Vertreter von TV Mainfranken schickte Vogel mit Dank für die Informationen wieder heim. Wenn es wieder Konkretes gebe, werde er es wieder mit dem Stadtrat bereden. Ein klares Bekenntnis zu einem Livestream war das nicht.
Übrigens: Die Gemeinde Rednitzhembach hat den Livestream nach drei Jahren mangels Interesse der Nutzer und wegen des hohen Aufwandes wieder eingestellt. Vom Filmen und Übertragen können die Mittelfranken aber nicht lassen, schickten jüngst zu Weihnachtsfest und Neujahr einen Videogruß hinaus.