Andrang in den Bad Brückenauer Heimatstuben
Autor: Rolf Pralle
Bad Brückenau, Freitag, 15. Dezember 2017
Mit der Weihnachtsfeier in den Bad Brückenauer Heimatstuben hält Initiatorin Else Prause auch mit über 90 Jahren an der liebgewonnenen Tradition fest.
Die Szenerie hätte besser nicht sein können und wirkte fast wie bestellt. Als die letzten Besucher ihren Sitzplatz an den liebevoll mit Kerzen und Tannenzweigen geschmückten Tischen eingenommen hatten, konnten sie durch die kleinen Fenster im Alten Rathaus beobachten, wie draußen zarte weiße Flocken vom Himmel zu rieseln begannen.
Für Else Prause war das natürlich ein idealer Anlass, um daran zu erinnern, wie hart die Winter in früheren Zeiten für die Rhöner Bevölkerung gewesen sind. Daher könne sie gar nicht verstehen, "dass sich die Leute heute schon bei ein bisschen Schnee ganz verrückt machen". Die agile Seniorin hatte auch gleich eine wahre Geschichte aus der Zeit von vor rund hundert Jahren parat, in der sie sehr anschaulich schilderte, wie schwer bis unmöglich es damals im Winter gewesen ist, in der früher unwirtlichen Gegend von einem Ort zum anderen zu gelangen.
Engel kritisiert auch
Bad Brückenaus Ehrenbürgerin hatte sich diesmal für die Gäste der Weihnachtsfeier eine besondere Überraschung einfallen lassen. Ein leibhaftiger Engel in Person von Anette Knüttel schwebte mit weißem Gewand und güldenen Schuhen in die Heimatstuben ein. Schon bei seinem Anflug auf die Stadt, so die Himmelsbotin, habe sie festgestellt, dass sich hier etwas verändert hat. In seinem Notizbuch hatte der Engel etliche Kritikpunkte vermerkt: "Ich habe einige unsaubere Ecken gesehen und frage mich, was ihr überall mit dem ganzen Schotter wollt." Und auch die vielen leerstehenden Geschäfte seien ihm aufgefallen. Diese Ausführungen stießen nicht bei allen Zuhörern auf ungeteilte Zustimmung. Man müsse doch auch das Positive sehen und beispielsweise anerkennen, wie schön beleuchtet die Innenstadt zur Vorweihnachtszeit ist, war unter vorgehaltener Hand zu hören.Als der Engel dann aber einige kleine süße Aufmerksamkeiten verteilte und einige Minuten später Richtung Kreuzberg abhob, war die Harmonie schnell wieder hergestellt. Bei Stollen und Plätzchen, Kaffee und Glühwein entwickelten sich an den voll besetzten Tischen ganz persönliche Gespräche, in denen man in Gedanken "die gute alte Zeit" wieder aufleben ließ. Auch ganz aktuelle Themen wie die Entdeckungstouren der Waschbären durch die örtlichen Mülltonnen fanden ihren Platz. Es gab eben viel über die Dinge zu erzählen, die in den vergangenen Monaten passiert sind.
Anekdoten,Gedichte, Geschichten - mit Humor
Mucksmäuschenstill wurde es immer dann, wenn Else Prause zu einem weiteren Vortrag das Wort ergriff. Ihr Repertoire ist schier unerschöpflich und reicht von der lustigen Anekdote über heimatliche Gedichte bis hin zu Geschichten, die durchaus nachdenklich stimmen. Dabei lässt sie kontinuierlich den vielfach schon vergessenen Rhöner Dialekt aufleben. Bereichert wird das Ganze dann mit genau der Prise feinem Humor, für den die Seniorin seit vielen Jahren auch über die Grenzen Bad Brückenaus hinaus bekannt ist. Zur besinnlichen Atmosphäre trugen darüber hinaus gemeinsam gesungene Lieder bei.Die Freude über einen gelungenen Nachmittag war der Initiatorin nach einigen geselligen Stunden an den Augen abzulesen. Trotzdem gefällt es ihr nach wie vor nicht, "dass die Heimatstuben von den Verantwortlichen der Stadt wie ein Stiefkind behandelt werden". Noch immer würden geeignete Räumlichkeiten fehlen, um alle Exponate einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Viele interessante Stücke seien leider weiterhin in Kisten und Kästen verstaut und an verschiedenen Stellen gelagert. "Allein mit altem Spielzeug könnte ich schon einen eigenen Raum gestalten", betont Else Prause. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die Heimatstuben nicht nur bei den gut besuchten Weihnachtsfeiern in den Fokus der Bevölkerung rücken, "sondern dass sich allgemein mehr Leute und besonders die Entscheidungsträger im Rathaus das ganze Jahr über für diese unschätzbar wertvolle Einrichtung engagieren".