Am 5. April rollten amerikanische Panzer durch Bad Brückenau. Die Erinnerungen der Zeitzeugen bewegen noch heute - und machen nachdenklich.
Am Osterfest vor 70 Jahren war den Brü ckenauern nicht gerade zum Feiern zu Mute. Sie stellten sich auf das Schlimmste ein. Die we nigen Männer, die in der Stadt verblieben waren, rüsteten sich, um die Bevölkerung vor den an rückenden Panzern der Ame rikaner zu verteidigen. Währenddessen überlegten die Verantwortlichen fieberhaft, ob sie sich ergeben oder Widerstand leisten sollten.
Zuerst Staatsbad erobert Die Amerikaner kamen aus Richtung Westen. Am 4. April erreichten sie Weißenbach und Roßbach, mittags waren sie in Rupboden, Eckarts und Wernarz und rückten weiter zum Staatsbad vor. Rudolf Schimmel, späterer Schulrat von Coburg, erinnert sich: "An dem Tag, an dem sich mit einem Geschützknall aus Richtung Wernarz die Besetzung von Bad und Stadt Brückenau ankündigte, erhielt ich als fronterfahrener Offizier zusammen mit einem Luftwaffenoffizier und zwei Rotkreuz-Schwester vom Chefarzt des La zarett-Platzes Bad Brückenau den Auftrag, das Bad an die Amerikaner zu übergeben."
Schimmel machte sich auf den Weg, erlebte dramatische Situationen. Falle ein Schuss, so sagten die Amerikaner ihm, werde er sofort erschossen. Zurück im Staatsbad befahl der Offizier Schimmel, den diensthabenden Arzt zu holen - die Leute hatten sich im Keller des Kurhauses versteckt. "Herr Oberfeldarzt, die Amerikaner sind da, bitte kommen Sie herauf", habe er ge rufen, schreibt Schimmel in seinen Erinnerungen, die dem städtischen Archiv vorliegen.
Weiße Bettlaken wehen überall Die Kunde, dass die Amerikaner das Staatsbad erreicht haben, verbreitete sich rasend schnell. "Am Abend stieg die Spannung aufs Höchste", berichtet der ehemalige Schulrat Fritz Dunkel - ebenfalls in den Aufzeichnungen, die das Kulturbüro gesammelt hat. "Unter Führung des zweiten Bürgermeisters Karl Müller ziehen Bürger zum Rathaus und fordern die kampflose Übergabe der Stadt."
Hinter den Kulissen verhandelte Bürgermeister Egid Trost mit den eigentlichen Macht habern: Kampfkommandant Oberst Grießbach im Lager Wildflecken und Oberstleutnant Weiner, der für die Verteidigung Brückenaus zuständig war. Er hatte sein Quartier bei der Kreisleitung der NSDAP, die das ehemalige Zentralhotel der jüdischen Familie Schuster in der heutigen Unterhainstraße weggenommen hatten. Mittlerweile ist das Haus im Besitz von Josef Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Landrat war damals Freiherr von Freyberg.
Am frühen Morgen des 5. April - es war der Donnerstag nach dem Osterfest - machte sich Karl Schöpfner auf den Weg (siehe Info-Kas ten). Er war damit beauftragt, den feindlichen Truppen mitzuteilen, dass sich die Stadt kampflos ergibt. Um 7.30 Uhr - so berichtet Fritz Dunkel - marschierten die Amerikaner schließlich ein. "Weiner verständigte Oberst Grießbach, gab tränenden Auges [...] seine Pistole [ab] und verließ das Haus." Nach der Übergabe der Stadt wurden von der Rathaustreppe Verhaltensmaßregeln für die Be völkerung bekannt gegeben: "Alle Männer - weißes Tuch in der Hand - zum Rathaus! Aus den Fenstern sind wei ße Tücher zu hängen! Alle Türen sind offen zu halten! Alle Waffen sind abzuliefern!"
Fast erschossen von den eigenen Leuten - die Geschichte von Karl Schöpfner
Übergabe Karl Schöpfner war der Mann, der Bad Brückenau im Auftrag der Stadt an amerikanische Soldaten übergab. Der da malige Bereitschaftsleiter des Roten Kreuzes radelte den Pan zern entgegen, eine
Rot-Kreuz-Fahne im Gepäck.
Erinnerung In den Erinnerungen von Schöpfner heißt es wörtlich: "Zirka 150 Meter nach Hause Spahnknöbel wurde ich von amerikanischen Soldaten umstellt und musste absteigen. Ich wollte ihnen meinen Auftrag mitteilen, doch konnten wir uns nicht verständigen. Zum Glück kam ein Soldat, der etwas Deutsch sprach. Ich wollte erst wieder zu rückfahren; dann gaben sie mir aber den Weg frei."
Beschuss Auf der Weiterfahrt wurde Schöpfner aus dem Wald beschossen. Als er schließlich die ersten Panzer erreichte, schickte ihn der Offizier vor: Schöpfner solle 50 Meter vor den Fahrzeugen fahren. "Er gab mir zu verstehen, dass ich im Falle des Falles mit dem Leben hafte." Zunächst ging alles gut, dann aber fielen erneut Schüsse. Schöpfner stellte sich auf den Bahndamm und schwenkte seine Fahne. Zunächst kehrte Ruhe ein. "Als ich aber das Rad bestiegen hatte und weiterfuhr, krachte ein Schuss, der den Kopf einer Telegraphenstange traf. Die gerissenen Drähte fielen auf mich, und ich stürzte vom Rad. [...] Bei der Weiterfahrt fiel nach etwa 100 Metern wieder ein Schuss, der einen Baum traf. Ein großer Ast fiel auf mich, und ich kam wieder zu Fall. Nun verstummte das Feuer, und die Fahrt ging [...] bis zum Rathaus."
red