82-Jähriger gibt Landwirtschaft endgültig auf
Autor: Wolfgang Kretschmer
, Dienstag, 03. April 2012
Der Stralsbacher Nebenerwerbslandwirt Hermann Stahl hat, wie viele andere auch, aufgegeben und sich nun auch von seinen landwirtschaftlichen Geräten getrennt. Die Äcker sind mittlerweile verpachtet.
Es war ein jahrelanger, ganz langsamer Abschied, den Hermann Stahl von der Landwirtschaft genommen hat. "Bei vielen im Dorf war das so, dass sie neben dem Beruf noch ihre Äcker bearbeitet haben", erzählt Hermann Stahl. Er selbst hatte seine Landwirtschaft zwar schon 2005 aufgegeben. Aber von seinen Maschinen mochte er sich noch nicht trennen. Das hat er erst jetzt getan. Und dann war es am Ende doch unerwartet bitter und schmerzhaft.
Viele Jahrzehnte war der Stralsbacher Hermann Stahl Nebenerwerbslandwirt, der hauptsächlich seinem Beruf in einer Klinik in Bad Kissingen nachging. Mit seiner Frau Thekla hatte er auf fünf Hektar Rüben, Kartoffeln und Getreide angebaut.
"Damals hatten wir noch Vieh im Stall", sagt er und ergänzt: "Auf diese Weise konnten wir die Futterkosten senken." Zuletzt machte er auf seinen Äckern nur noch Heu, denn: "Vieh und Acker rechneten sich dann überhaupt nicht mehr."
Trotz aller schweren Arbeit waren Hermann und Thekla Stahl mit Leib und Seele "Mondscheinbauern". Sie schmunzeln bei diesem Wort. Zuletzt kümmerten sie sich nur noch um die Pflege ihrer Gärten. Hermann Stahl wird heuer 82, seine Thekla 90. Die Äcker sind mittlerweile verpachtet.
Ins Schicksal gefügt
Ist der Abschied von der Landwirtschaft schwer gefallen? Hermann Stahl schweigt eine Weile. "Es ist schon hart. Was will man machen? Wir haben uns in unserem Alter in unser Schicksal gefügt", sagt er, und seine Frau nickt nachdenklich.
Jetzt fuhr in Stralsbach ein großer Lastwagen samt langem Anhänger vor. Mitarbeiter einer Firma aus dem Steigerwald luden in stundenlanger Arbeit mit Hilfe eines Frontladers die alte Strohpresse und ein Getreidegebläse samt Rohren auf. Das Unternehmen hat sich auf Import und Export von landwirtschaftlichem Gerät spezialisiert. "Ob wir auch noch unseren alten Mähdrescher loswerden, wissen wir nicht", sinniert Stahl. "Wir dürfen gar nicht daran denken, wie viel Geld wir mal in unsere Maschinen gesteckt haben." Jetzt bekommt man so gut wie gar nichts mehr dafür. "Das tut auch ziemlich weh", gesteht er.
Viele trennen sich nicht von alten Maschinen
Udo Kuhn ist selbstständiger Landmaschinenhändler. Der 40-Jährige aus dem Steigerwald hat die Maschinen von Hermann Stahl abtransportiert. Vor 15 Jahren handelte er noch mit Autos. Dann hatte der gelernte Kfz-Mechaniker "aus reiner Neugier" einen alten Schlepper gekauft. Wenig später bot er den, wieder in bester Form, auf dem Markt an und machte einen guten Schnitt. "Das brachte mich auf den Geschmack, es mit diesem Geschäft zu versuchen." Er fährt Hunderte von Kilometern, um auch ältere landwirtschaftliche Geräte aufzukaufen. Vor allem in der Rhön gab es über Jahre einiges aus den Scheunen zu holen, berichtet Kuhn. Er hat dazu seine eigene Theorie. Die kleinen Landwirte in der Rhön hätten sich gedacht, sie lassen das Gerät erst mal stehen, nach dem Motto: "Vielleicht kommen wieder schlechte Zeiten, und die Kinder oder Enkelkinder können das dann wieder gebrauchen." Kuhn weiß: "Die hängen manchmal so sehr an ihrem alten, abgeschriebenem Zeug, dass sie in Reparaturen investieren, die oft teurer sind als der ganze Traktor oder Mähdrescher gekostet haben."
Auf welchen Höfen kommen die Stralsbacher Strohpresse und das Korngebläse von Hermann Stahl demnächst zu Einsatz? Kuhn sagt: "Das geht sehr wahrscheinlich erst einmal nach Polen. Von dort aus wird es weiterverkauft in die Ukraine."
Doch auch Kuhn bekommt die härteren Zeiten schon zu spüren. Längst seien polnische Zwischenhändler in Franken aktiv. Er habe den Eindruck, dass diese "auf Mitleid machen". Immerhin waren nach dem Krieg im damaligen Truppenlager der Wehrmacht in Wildflecken Tausende polnische Zwangsarbeiter über mehrere Jahre untergebracht. Aber mit landwirtschaftlichem Altgerät handeln in der Zwischenzeit auch deutsche Konkurrenten. "Der Markt bricht langsam weg", sagt Kuhn. "Und die gesetzlichen Vorschriften für die Landwirtschaft und deren Maschinen werden auch überall immer schärfer." Die Zeiten ändern sich.