20 Jahre Hospizverein Bad Kissingen: Eine Helferin erzählt vom Sterben
Autor: Benedikt Borst
Bad Kissingen, Donnerstag, 06. November 2014
Der Hospizverein Bad Kissingen begleitet seit 20 Jahren Menschen, die im Sterben liegen. Ehrenamtliche Hospizhelfer wie Hedi Koob stellen ihre Bedürfnisse zurück, damit andere Menschen in Würde gehen können.
An diesem Tag vor neun Jahren war irgendetwas anders als sonst. Ungewohnt. "Er sagte zu mir: ,Wir müssen uns jetzt verabschieden. Ich werde heute gehen.'" Hedi Koob erinnert sich genau. Detailliert beschreibt sie ihren ersten Einsatz als ehrenamtliche Hospizhelferin. Herr G. aus Bad Bocklet war im Theresienstift untergebracht, er hatte im ganzen Körper verstreute Tumore, der Tod des über 90-jährigen war absehbar. "Er sagte, er weiß, dass er hier sterben wird", erzählt Koob.
Sie betreute ihn mehrere Wochen lang, schon beim ersten Treffen nannte er sie "mein Engel". "Es lief von Anfang an sehr gut. Es war eine intensive Kontaktaufnahme", sagt die 73-jährige Bad Brückenauerin. Er erzählte ihr Geschichten aus seinem Leben, sie hörten gemeinsam Musik und sangen. Hedi Koob lernte ihn, seine Frau und Familie kennen. Dann kam der Tag, an dem er ihr Lebewohl sagte. Ob das ein Abschied für immer sei, wollte sie von ihm wissen. Ja.
"Ich war gar nicht traurig, muss ich sagen. Er hatte sein Leben gelebt. Wir haben uns verabschiedet und es war in Ordnung." Abends, erzählt Koob, gegen 21 Uhr, saß sie in ihrer Wohnung und musste unvermittelt an Herrn G. denken. Kurze Zeit später klingelte das Telefon und Frau G. teilte den Tod ihres Mannes mit.
Versorgungsstruktur verbessern
Die Begegnung mit Herrn G. habe sie geprägt. Die Sterbebegleitung ist ihr seitdem zur Lebensaufgabe geworden. "Das ist ein Thema, das für viele Menschen wichtig ist. Ich glaube, da ist ein hoher Bedarf da", sagt sie.
Koob ist eine von 25 Sterbebegleitern, die sich für den Hospizverein Bad Kissingen im Landkreis engagieren. Seit 20 Jahren kümmert sich der Verein um Sterbende. "Es ist ganz wichtig, dass wir eine Versorgungsstruktur schaffen", sagt Reinhard Höhn, Palliativmediziner und Vorsitzender des Vereins. Im Landkreis Bad Kissingen gibt es weder ein stationäres Hospiz, noch Palliativstation, und auch keine ambulante Palliativbetreuung. Kurz: keine professionelle Sterbebegleitung. Sterbende Menschen sind auf die ehrenamtlichen Helfer des Vereins angewiesen. "Hier sind wir gefordert, auch wenn wir nicht alles abfangen können", sagt Höhn.
Die Sterbebegleitung ist zeitintensiv. Hospizhelfer wie Hedi Koob verbringen teilweise mehrere Stunden am Tag mit den Patienten. Sie übernehmen damit Aufgaben, die Angehörige nicht leisten können und für die die Pflegekräfte in den Heimen oder von den ambulanten Diensten keine Zeit haben. Höhn: "Es ist traurig, wenn ältere Menschen ohne Angehörige allein sterben. Ich bin glücklich, dass ich so viele engagierte Helfer habe."
Ringen um Fassung
Martina Wahler leitet das Büro des Hospizvereins und koordiniert die Einsätze. "Die Hospizhelfer haben ein großes Einfühlungsvermögen und eine Offenheit den Menschen gegenüber", beschreibt sie deren Charakter. Sie nähmen sich als Person zurück, um auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen. Deswegen sei es umso wichtiger, dass die Helfer auch gut auf sich selber achten, um sich von ihren Erlebnissen nicht aus der Bahn werfen zu lassen.
"Sterben ist ein Vorgang, der immer berührt", meint Koob. Die Erlebnisse können positiv sein, wie bei Herrn G., aber auch negativ, wie bei ihrer Freundin Anneliese. "Wir haben uns zwar oft gestritten, aber es war eine Vertrauensbasis da. Ich habe ihr immer gesagt. Anneliese, du brauchst mich." Ihre Freundin sei eine selbstbewusste, unabhängige Frau gewesen, die nie intime Nähe von anderen Menschen zugelassen hatte. Außer von Koob kurz vor ihrem Tod.
Am Ende habe sie gefragt, wie lange sie noch im Zimmer bleiben solle. Lange, antwortete Anneliese. "Das war ihr letztes Wort. Dann hat jede Zelle von ihr das Leben abgegeben", erinnert sie sich. Der Tod ihrer Freundin nahm Koob mit. Monatelang rang sie um Fassung, wollte keine Patienten übernehmen. "Ich hatte Tage, da war mir das Heulen näher als das Lachen." Trotzdem hat sich die lebensfrohe Frau wieder gefangen und ist dem Verein weiter als Sterbebegleiterin treu. Weil sie überzeugt ist von dem, was sie tut. Und: "Ich meine von mir sagen zu können, dass ich gut helfen kann." Mehr über die Geschichte des Hospizvereins Bad Kissingen finden sie hier.
Hospizhelfer
Ausbildung Die Hospizhelfer sind Laien, die vom Hospizverein in einem Kurs für die Sterbebegleitung ausgebildet werden. Der Kurs findet einmal jährlich statt. Zwei Mal im Jahr können die Helfer an einer sogenannten Supervision mit Psychologen und Seelsorgern teilnehmen, um die eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. Acht Helfer werden aktuell ausgebildet.
Betreuung Die Helfer werden vom Verein einem Patienten zugeteilt. Sie besuchen ihn nach Bedarf und unterstützen ihn so wie er es wünscht.