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Aschaffenburger (45) fälschlicherweise für tot erklärt - "nur an meinen Vater gedacht"


Autor: Ellen Schneider

Aschaffenburg, Montag, 27. Januar 2025

Auf TikTok und Co. verbreitete sich Roberto Pancieras Bild in Windeseile. Er soll der getötete "Held von Aschaffenburg" sein. "Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, habe ich nur an meinen Vater gedacht", erzählt er im Gespräch mit inFranken.de.
Ein Bild von Roberto Panciera (rechts) versehen mit dem Namen seines Vaters Claudio Panciera (links) kursiert seit einigen Tagen im Netz. Auf TikTok und Co. wird behauptet, dabei handle es sich um den "Held von Aschaffenburg" - doch das ist falsch.


Die tödliche Messerattacke in Aschaffenburg sorgt noch immer für Entsetzen. Während weiterhin zahlreiche Fragen unbeantwortet bleiben, tauchen im Netz plötzlich Bilder und Videos auf, die angeblich eines der beiden Todesopfer zeigen sollen. Auch ein Bild von Roberto Panciera kursiert auf TikTok und Co. - in Windeseile wurde der Aschaffenburger so zum vermeintlichen Helden.

Zahlreiche Menschen bedauerten in den Kommentaren seinen Tod. Dabei ist Panciera am Leben, befand sich zum Zeitpunkt des Messerangriffs am Mittwoch (22. Januar 2025) nicht einmal in Aschaffenburg, sondern in Italien. Was die Verwechslung für ihn noch viel schlimmer macht: Unter seinem Bild prangt in Videos, die tausendfach geklickt werden, der Name seines Vaters Claudio Panciera. Diesen verlor Roberto erst einen Tag zuvor (21. Januar 2025) bei einem tragischen Unfall.

Claudio Panciera stirbt in den Dolomiten - Bild seines Sohns geht fälschlicherweise viral

Von dem Missverständnis habe Panciera noch am Tag des Messerangriffs durch Bekannte erfahren, erzählt der 45-Jährige am Montag (27. Januar 2025) im Gespräch mit inFranken.de. "Ich habe Videos zugeschickt bekommen von Freunden aus Italien, Deutschland - von überall", beschreibt er. "Lebst du überhaupt? Was ist passiert?", lautete die Frage, die ihm immer und immer wieder gestellt wurde. Doch Pancieras Gedanken waren woanders: "Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, habe ich nur an meinen Vater gedacht", erinnert er sich.

Dieser verunglückte einen Tag zuvor bei einem Spaziergang in den Dolomiten - dorthin waren der 74-Jährige und seine Frau zurückgekehrt, um ihren Ruhestand zu genießen. Kurz zuvor hatte Claudio Panciera die Eisdiele der Familie in Aschaffenburg, das Eiscafé Panciera, verkauft. "Mein Vater hat 60 Jahre lang nur in der Eisdiele gearbeitet", erzählt sein Sohn und fügt traurig hinzu "...und jetzt hat der Papa nichts von alledem gehabt, wofür er so hart gearbeitet hat." Roberto Panciera lebe zwar noch in Aschaffenburg, verbringe nun jedoch auch viel Zeit bei seiner Mutter in Italien.

Dass dann noch ein Video kursierte, in dem der Name seines Vaters und sein Bild in Zusammenhang mit dem Messerangriff gebracht wurden, habe ihn zusätzlich verletzt. "Meine Familie leidet", schildert Panciera. "Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater in den Dreck gezogen wurde." Gleichzeitig habe er natürlich auch mit der Familie des Mannes gefühlt, der tatsächlich beim Messerangriff getötet wurde. 

"Zutiefst bestürzt": Familie des tatsächlichen Todesopfers wendet sich an Öffentlichkeit

Über das Polizeipräsidium Unterfranken wenden sich jetzt auch die Angehörigen des 41-jährigen Todesopfers an die Öffentlichkeit. "Kai-Uwe war ein liebevoller Vater, Ehemann, Bruder und Freund, immer bereit zu helfen und zu unterstützen. Bitte respektieren Sie, dass wir unseren Verlust in Ruhe und außerhalb der Öffentlichkeit verarbeiten möchten", zitiert die Polizei die Familie in einer aktuellen Pressemitteilung.

Vom Todesopfer gebe es keine Bilder im Internet, die gezeigten Fotos seien eine Fälschung. "Wir sind zutiefst bestürzt über dieses respektlose Verhalten und bitten darum, unseren Schmerz nicht auszunutzen", so die Familie des Getöteten. Auch die Polizei betont: "Denken Sie bitte an die Angehörigen, die den schmerzlichen Verlust eines geliebten Menschen verkraften und verarbeiten müssen. Die Verbreitung der Namen und Fotos in den sozialen Medien ist hier nicht hilfreich und zeugt eben nicht von wirklicher Anteilnahme."

Auch wenn Roberto Panciera zu diesem Zeitpunkt längst in Italien war - was in Aschaffenburg passiert ist, tue ihm und seiner Familie aufrichtig leid. Umso dankbarer sei er allen, die trotz der schrecklichen Ereignisse dabei geholfen haben, gegen die Falschnachrichten vorzugehen. Mittlerweile seien die meisten Videos gelöscht, der Irrtum größtenteils aufgeklärt. Dazu haben laut Panciera auch einige Bekannte, die Polizei Unterfranken und viele Aschaffenburger, die er in einer Gruppe über die Verwechslung aufklärte, beigetragen. 

Im Internet für tot erklärt: 45-jähriger Aschaffenburger klärt auf

Entstanden sei das Missverständnis in den Kommentaren unter dem Beitrag eines guten Freundes, erzählt Panciera. Dieser habe ihn zuvor gefragt, ob er etwas posten darf, um sich von Claudio Panciera zu verabschieden. Dem Vorschlag habe Roberto Panciera gerne zugestimmt, da er selbst nicht in der Verfassung gewesen sei, zahlreiche Bekannte über den Tod seines Vaters in Kenntnis zu setzen. "Er hat es nur gut gemeint", betont er.

Da der Beitrag jedoch am selben Tag geteilt wurde, an dem das Attentat stattfand, seien einige Menschen von einem Zusammenhang ausgegangen. Warum genau sein Bild in das Video gelangt ist, weiß Panciera nicht. Vermutlich hätten die Video-Ersteller dieses in alten Posts des Eiscafés entdeckt. "Ich denke, im Internet findet man alles", hält der 45-Jährige fest.

Dass sein Bild in dem Video verwendet wurde, sei ihm jedoch "relativ egal" gewesen. Viel mehr ging es ihm demnach um seinen Vater und sein Andenken. Die geteilten Fake-Videos hätten daher viel Wut ausgelöst. Dennoch sei die Trauerfeier in Italien, zu der auch zahlreiche Freunde aus Deutschland erschienen waren, davon nicht überschattet worden. Weitere Nachrichten aus Aschaffenburg und Umgebung findest du in unserem Lokalressort.